Eine Jugend in Moskau
Zusammenfassung zu “Eine Jugend in Moskau”
Geboren wird die Autorin Ektarina Jung im Moskau des Jahres 1963. Mit dem beiläufigen Spruch des Frauenarztes „Ich nehme also an, dass das Kind gestorben ist, ja?“ beginnt Jung die Erzählung ihres Aufwachsens in der Sowjetunion, das seinen Abschluss im Jahre 1980 findet, als die jüdische Familie beschließt nach Amerika zu emigrieren. Das gerade einsetzende politische Tauwetter hat die Ausreise möglich gemacht.
Chronologisch erzählt die Protagonistin von ihrer glücklichen Kindheit, und, da die Großmutter immer da ist, von ihrem Glück, nicht in den Kindergarten zu müssen. Zwar ist die elterliche Wohnung klein – zwei Zimmer für vier Leute – aber immer noch besser als eine Gemeinschaftswohnung, in der ganze Großfamilien sich ein Zimmer teilen müssen. Der Ernst des Lebens als „sowjetischer Staatsbürger“ holt Katja in der Schule ein, wobei sie immerhin schon das Glück hat, eine der den Kinder der Intelligenzija vorbehaltenen Schulen besuchen zu dürfen. Aussortiert wird über Aufnahmeprüfungen. Da die Oma der kleinen Katja aber schon Lesen und Schreiben beibrachte, wird die Prüfung kein Problem. Als hellwaches und wissbegieriges Kind spürt sie bald den Zwiespalt zwischen den zu Hause geäußerten Ansichten und den allgegenwärtigen Zwängen des sowjetischen Alltags. Zentralen Stellenwert im Leben jedes sowjetischen Schülers nimmt die Gehirnwäsche ein, der Katja sich durch sehr gute schulische Leistungen zu entziehen versucht. Dem Mühsal des Einkaufens hingegen kann sie sich nur schwer entziehen, und sammelt beim Schlange stehen interessante Beobachtungen über den typischen Sowjetbürger. Katja entwickelt zunehmend ein geistiges Doppelleben, hat sie doch Zugang zu guter und sogar zu verbotener Literatur. Zudem lernt sie seit dem 7. Lebensjahr Englisch. Schnell werden die Bücher – vor allem die aus dem Westen – zu einer Parallelwelt, in der die zum Teenager gewordene Katja lebt. Ihr Traum, Schriftstellerin zu werden, hilft ihr über alltägliches Ungemach hinweg, und fordert sie zugleich heraus, Antworten zu finden, wie beispielsweise auf die Frage, wer eigentlich die Deutung der Vergangenheit kontrolliert.
Wichtige Charaktere
- die junge, im Moskau der 70ziger Jahre lebende Jüdin Ekatarina (Katja) Jung
Zitate
„Schon ab der vierten Klasse gab es >>Verteidigungsübungen<<, die fast ausschließlich darin bestanden zu lernen, wie man Gasmasken anlegte, um dann mit diesen Masken im Gänsemarsch in der Turnhalle herumzustolzieren, was wir für erheiternd hielten, weil wir damit wie Elefanten aus dem Weltraum aussahen.“ „Zu meinen ersten Begegnungen mit der Realität des Einkaufens kam es, als meine Mutter damit anfing mich mitzunehmen, als ich vier oder fünf war, in der Hoffnung, ich könne mich nützlich machen, indem ich ihr einen Platz in der Schlange freihielt, während sie etwas anderes kaufte oder an der Kasse bezahlte. …Als ich vierzehn war, wurde mir das Einkaufen bestimmter Dinge auf eigene Faust anvertraut. Das bedeutete im allgemeinen, dass ich in sieben Läden gehen musste, bis ich alles bekommen hatte, was auf meiner spartanischen Einkaufsliste stand:…“
Persönliche Bewertung
Wundervoller, spannend-humorvoller autobiographischer Entwicklungsroman
Unterhaltsam, spannend und humorvoll erzählt das Buch vom (jüdischen) Leben in Moskau zwischen 1963 und 1980, manchmal auch darüber hinaus, beispielsweise wenn andere Juden vom Hunger auf dem Lande berichten. Viel ist die Rede von der Gehirnwäsche in den Schulen, von den täglichen Nöten beim Einkaufen, Wohnen und Schlange stehen, vom Spott, den die Russen über ihre Mächtigen ausschütten, und ihnen dabei doch vertrauen. Gezeigt wird die Bigotterie der Tauwetterperiode in Russland, die Fluchtmöglichkeiten in alltägliche Nischen und in die Parallelwelt aus Büchern. Dabei schreibt Cathy Young keine bittere Abrechnung – nur die Missachtung des Einzelnen, der anders ist, macht sie wütend und sprachlos. Ansonsten schwingt oft eine liebevolle, heitere Sichtweise auf die Beschwernisse des Moskauer Alltags mit. Für die Rezensentin war das Buch ein Hochgenuss – ein wundervoller Entwicklungsroman eingebettet in hochinteressante, mit Liebe zum Detail beschriebener Zeitgeschichte.
- Originaltitel
- Growing up in Moscow
- ISBN10
- 3430198739
- ISBN13
- 9783430198738
- Dt. Erstveröffentlichung
- 1990
- Gebundene Ausgabe
- 359 Seiten