3096 Tage

Autoren
Verlag
Ullstein Verlag
Anspruch
5 von 5
Lesespaß
4 von 5
Schreibstil
5 von 5
Spannung
5 von 5

Bei Amazon ansehen

Zusammenfassung zu “3096 Tage”

Am 2. März 1998, die zehnjährige Natascha macht sich gerade zum ersten Mal allein auf den Weg zu ihrer Volksschule, wird sie von einem Mann – dem Täter – in einen weißen Lieferwagen gezerrt. Erst glaubt sie in einem Albtraum gelandet zu sein, der bald endet. Der Mann erzählt ihr, dass sie an andere Männer weitergereicht werden soll. Später erzählt der Mann, den Natascha den ‚Täter‘ nennt, dass er von ihren Eltern Lösegeld verlangt hätte, diese aber Natascha nicht wiederhaben wollten. Natascha wird in einem 5 Quadratmeter großen unterirdischen Verlies eingesperrt, belüftet nur von einem Ventilator. Regelmäßig kommt der Täter vorbei. Später wird der Täter Natascha in das Haus lassen – als Putzfrau, Arbeitssklavin und als Opfer all seiner ausgeprägten Psychosen. Natascha wird geschlagen, verhungert fast und wird auf vielfältigste Art gefoltert und misshandelt. Und doch gelingt es ihr, einen Rest ihrer Identität zu wahren. In diesem Buch erzählt Natascha Kampusch, wie ihr dieses Überlebenskunststück gelingen konnte. Als sie sich im Jahr 2006 selbst befreit, zu ihrem 18. Geburtstag, ist sie zwar schwer traumatisiert, hat aber ein Stück von sich selbst bewahrt.

Wichtige Charaktere

  • Natascha Kampusch
  • Wolfgang Priklopis

Zitate

„Es ist bis heute so, dass ich diese Übergriffe nur aus der Distanz aufzählen kann, als wären sie mir nicht zugestoßen, sondern jemand anderem. Ich erinnere mich lebhaft an die Schmerzen, die ich während der Schläge spürte, und an die Schmerzen, die mich über die Tage begleiteten. Ich erinnere mich daran, dass ich so viele Blutergüsse hatte, dass es keine Position mehr gab, in der ich schmerzfrei liegen konnte. Ich erinnere mich an die Qual, die mir das an manchem Tagen bereitete, und daran, wie lange mir das Schambein nach einem Tritt schmerzte. An die Hautabschürfungen, die Platzwunden. Und an das Knacken der Halswirbelsäule, als er mir einmal mit voller Wucht die Faust gegen den Kopf schlug. / Aber emotional fühle ich nichts. / Das einzige Gefühl, das ich nicht abspalten konnte, war die Todesangst, die mich in diesen Augenblicken ergriff. Sie biss sich in meinem Kopf fest, mir wurde schwarz vor Augen, meine Ohren rauschten, das freigesetzte Adrenalin raste durch meine Adern und befahl mir: Flucht! Aber ich konnte nicht. Das Gefängnis, das anfangs nur ein äußeres gewesen war, hielt nun auch mein Inneres gefangen.“

„Erst langsam merkte ich, dass ich in ein neues Gefängnis gerutscht war. Schleichend wurden die Mauern sichtbar, die das Verlies ersetzten. Es sind subtilere Mauern, gebaut aus einem überbordenden öffentlichen Interesse, das jeden meiner Schritte bewertetet und es mir unmöglich macht, wie andere Menschen die U-Bahn zu nehmen oder in Ruhe einkaufen zu gehen. In den ersten Monaten nach meiner Selbstbefreiung organisierte ein Stab von Beratern mein Leben für mich und ließ mir kaum Freiraum, um mir zu überlegen, was ich nun eigentlich machen wollte. Ich hatte geglaubt, mit meinem Schritt an die Öffentlichkeit meine Geschichte zurückerobern zu können. Erst mit der Zeit begriff ich, dass das gar nicht gelingen konnte. Es ging in dieser Welt, die sich um riss, nicht wirklich um mich.“

Links

Leseprobe (PDF) beim Verlag

Persönliche Bewertung

Überraschend unaufgeregt und sehr berührend!

5 von 5

Dieses Buch vergisst man nicht so schnell. Natascha Kampusch und ihren Co-Autorinnen gelingt es, den Leser tief in die Innenwelt der gefangenen und misshandelten Natascha hineinzuziehen. Berührend und dabei überraschend unaufgeregt erlebt man mit, was die Folter und die Misshandlungen in dem Kind anrichten. Traumata bauen sich auf, es geht eigentlich immer um Leben und Tod und doch ist da immer etwas in diesem Kind, das nicht aufgibt. Es klammert sich an den Traum, eines Tages wieder Kontrolle über sein Leben gewinnen, die es als Kind sowieso nie hatte. Allen Grausamkeiten zum Trotz. Pünktlich zum 18. Geburtstag. Ein Psychogramm wird aufgebaut, zwischen Natascha und dem Täter, das spannender zu lesen ist als die meisten Thriller. Und ein großes Lehrstück in Psychologie. Hervorragend differenziert werden Überlebensmechanismen geschildert, die die menschliche Psyche herausbildet, wenn sie in Bedrängnis (jedweder Art) gerät. Diese Geschichte einer Gefangenschaft erzählt nicht nur von dem Leid des Opfers Natascha Kampusch, sie erzählt davon, wie es kommt, dass Menschen auch in schrecklichsten Situationen überleben. Wie sie sich arrangieren. Und davon, wie es kommen kann, dass auch Menschen, die eigentlich frei sind, in inneren Gefängnisse leben. Wirklich eindrucksvoll!

Fazit

Überraschend unaufgeregt und sehr berührend beschreibt Natascha Kampusch wie Traumata entstehen, funktionieren, verändern und dabei helfen das eigentlich unbeschreibbar Grausame zu überleben.

ISBN10
3548374263
ISBN13
9783548374260
Dt. Erstveröffentlichung
2010
Taschenbuchausgabe
288 Seiten