Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry

Autoren
Übersetzer
Maria Andreas-Hoole
Verlag
Krüger Verlag
Anspruch
5 von 5
Humor
4 von 5
Lesespaß
5 von 5
Schreibstil
5 von 5
Spannung
5 von 5

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Zusammenfassung zu “Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry”

Harold Fry ist in Rente gegangen. Seine Frau Maureen und er haben sich schon seit zwanzig Jahren nichts mehr zu sagen, Maureen wohnt im Gästezimmer, man lebt nebeneinander her. Ihr gemeinsamer Sohn David wohnt schon seit Jahrzehnten nicht mehr zu Hause, beide vermissen ihn, Maureen spricht häufig mit ihm und hofft, er käme bald nach Hause. Harold spürt, dass er als Ehemann und Vater versagt hat, Maureens Anschuldigungen weiß er wenig entgegenzusetzen.

Eines Tages erreicht ihn ein Brief aus Berwick upon Tweed, am anderen Ende des Landes. Darin schreibt ihm Queenie, eine ehemalige Arbeitskollegin, um sich zu verabschieden. Der Krebs hat sie besiegt. Seit Queenie die Brauerei verließ, in der sie gemeinsam arbeiteten, hat Harold sie nicht gesehen, nichts von ihr gehört. Ihr Brief erschüttert ihn und so schreibt er ihr eine kurze Antwort. Harold geht aus dem Haus, um den Brief in den Kasten zu werfen. Doch dann läuft er weiter, zum nächsten Kasten, zum übernächsten, zur Post, und dann noch weiter. Er hat beschlossen, nach Berwick zu laufen, um Queenie zu retten. Schließlich hat ihm ein Mädchen in der Tankstelle versichert, man könne den Krebs besiegen, mit Glauben und Willenskraft.

Harold trägt nur Segelschuhe und besitzt keine Karte, sein Handy hat er vergessen, doch seine Kreditkarte trägt er bei sich. Er kehrt in den günstigsten Pensionen ein, folgt den Straßen und lernt auf seinem Weg viele verschiedene Menschen kennen. Auf seiner Wanderung findet er zu sich selbst zurück und beginnt auch, Maureen, seine Ehe und seine Beziehung zu seinem Sohn anders zu sehen. Gleichzeitig plagen ihn wiederkehrende Selbstzweifel, er wird mit der körperlichen Herausforderung und seiner wachsenden Bekanntheit konfrontiert. Maureen unterdessen kommt mit der Situation nicht zurecht, fürchtet Harold hätte sie verlassen. Als sie sich ihrem verwitweten Nachbarn Rex anvertraut, findet auch Maureen ins Leben zurück und kommt zu eigenen neuen Erkenntnissen…

Wichtige Charaktere

  • Harold Fry
  • seine Frau Maureen
  • Queenie Hennessy
  • Harolds Sohn David
  • Harolds Eltern
  • Rex
  • das Mädchen von der Tankstelle
  • Martina
  • der Hund
  • Wilf
  • Rich, Kate und der Gorilla-Mann

Zitate

„Harold Fry war ein Mensch von großer Statur, der ein wenig gebückt durchs Leben ging, als erwarte er, dass er jederzeit gegen einen niedrigen Balken prallen oder von einem zusammengeknüllten Papiergeschoss bombadiert werden könnte. Als er geboren wurde, sah seine Mutter entsetzt auf das Bündel in ihren Armen. Sie war jung, hatte einen Mund wie eine Pfingstrosenknospe und einen Mann, der vor dem Krieg ganz brauchbar schien, dann aber nicht mehr. Ein Kind war das Letzte, was sie wollte oder brauchen konnte. Der Junge lernte rasch, dass er am besten durchs Leben kam, wenn er möglichst unsichtbar im Hintergrund blieb.“

„Die Morgensonne goss Gold über die höchsten Gipfel des Dartmoor-Massivs, aber im Schatten war der Boden immer noch mit dünnem Frost überzuckert. Lichtstrahlen tasteten das Land ab wie riesige Taschenlampen und zeichneten ihm den Weg vor. Es würde wieder ein schöner Tag werden.“

„Er brütete über dem Kauf von Dingen, obwohl er vorher nie gemerkt hatte, dass er sie brauchte.“

Links

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Persönliche Bewertung

Bewegender, philosophischer und aufrüttelnder Roman

5 von 5

Rachel Joyce erzählt die Geschichte des Harold Fry vor einer realistischen Kulisse. Harolds Leben wird von einer festgefahrenen Gewohnheitsehe bestimmt, wie sie wohl häufig vorkommt. Beide Ehepartner tragen ihren Teil zu der Situation bei, beide leiden unter ihr, doch weder Harold noch Maureen hat den Mut oder die Kraft, etwas zu ändern oder nur den Zustand anzusprechen. Man redet und lebt aneinander vorbei, Vorwürfe sind Alltag.

Besonders eindrücklich ist die poetische Sprache der Autorin: Sowohl Harolds Innenleben als auch die Landschaften, Städte und Menschen, denen er begegnet sind sehr lebensnah geschildert. Harold lernt während seiner Pilgerreise verschiedene Charaktere mit unterschiedlichen Lebenswegen in ganz unterschiedlichen Situationen kennen. Mit Harold ändert auch der Leser den Blickwinkel auf die Ausgestoßenen der Gesellschaft, auf Besitztümer, auf das, was wirklich wichtig ist.

Einfühlsam schildert Rachel Joyce Harolds zunehmende Befreiung aus der Apathie, die langsame Annäherung von Maureen und Harold. Man lernt beide Seiten der Geschichte kennen – während Maureen zu Beginn schlechter wegkommt, der Leser Sympathie mit Harold und Abneinung gegen Maureen aufbaut, ändert sich dieser Blickwinkel im Verlaufe der Geschichte – auch Maureen hat ihre Gründe für ihr Verhalten. Einen Schuldigen gibt es nicht. „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ ist ein poetisches Buch voller leiser Schönheit, das jedoch die vermeintliche Idylle und Poesie von Harolds Reise hier und dort durch brutalen Realismus aufbricht: Das Schicksal von David und letztendlich auch die Wahrheit über Queenie sind erschütternd.

Harolds Bekanntschaften und seine Gedanken während seiner Pilgerreise führen zu philosophischen Episoden, die zum Nachdenken anregen. Die Autorin schneidet mit ihrem Roman verschiedene gesellschaftliche Themen an, sie wagt einen kritischen Blick auf Heldenverehrung, auf die Medien und die sensationslüsterne “Meute” im Allgemeinen, auf Glauben und Normen. Das Ende ist hoffnungsvoll, jedoch kein klischeehaftes Happy End, das für alle und jeden gut ausgeht. Damit wirkt es umso realistischer und hinterlässt gleichzeitig ein gutes Gefühl als auch Betroffenheit und Nachdenklichkeit.

Fazit

Ein poetisches Buch, das Mut macht und aufrüttelt, das betroffen macht und zum Nachdenken anregt. Berührend in seiner Intensität und einfach wunderschön!

Originaltitel
The Unlikely Pilgrimage of Harold Fry
ISBN10
3810510793
ISBN13
9783810510792
Dt. Erstveröffentlichung
2012
Gebundene Ausgabe
384 Seiten