Tod einer Roten Heldin

Autoren
Verlag
Paul Zsolnay Verlag
Anspruch
4 von 5
Humor
5 von 5
Lesespaß
5 von 5
Schreibstil
4 von 5
Spannung
5 von 5

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Zusammenfassung zu “Tod einer Roten Heldin”

Der erste Fall von Oberinspektor Chen, den die Wirren der chinesischen Arbeitsplatzzuweisungspolitik von der Literatur zur Polizei brachten, beginnt mit der Leiche einer Frau, die aus einem Kanal unweit von Shanghai gefischt wird. Schnell stellt sich heraus, dass es sich um die Modellarbeiterin Guan Hongying handelt (nein sie arbeitet nicht als Model, sie ist eine Art parteipolitisch engagierter Vorzeigearbeiterin). Der Mordfall wird ein politischer Fall, wie immer, wenn ein „herausragendes“ Mitglied der chinesischen Gesellschaft involviert ist, wenngleich Chens Mitarbeiter, der Polizist Yu Guangming, den politischen Hintergrund vehement ausschließt, da aus seiner Sicht alles für ein Beziehungsdrama spricht.

Nur, wo soll man den Täter suchen, wenn das Opfer keine Beziehungen hatte, und erste Ermittlungen nicht einmal die Spur eines Privatlebens zutage fördern. Aber da gibt es die ominösen Anrufe, die Guan spätabends entgegennahm. Diese werden zu einer heißen Spur, die direkt in den Dunstkreis der Prinzlinge führt, so werden die Kinder der hohen politischen Kader in China genannt. Womit die Ermittlungen dann tatsächlich politisch werden und zugleich sehr gefährlich für den frischgebackenen Oberinspektor Chen – der am Ende, soviel sei hier verraten, zum Direktor der Shanghaier Verkehrsbehörde befördert wird.

Zitate

„Sie wurden in ein Nebenzimmer mit weißen Wänden und einer Gruppe von Cherubim geführt, die in Blautönen an die hohe Decke gemalt waren, was Chen sofort als Direktimport aus Hongkong ausmachte. Zu den auf der Speisekarte stehenden Delikatessen gehörten geröstetes junges Ferkel und Bärentatzen, aber das Spezialgericht des Kochs war Tiger-Drachen-Schlacht. Laut der Kellnerin handelte es sich dabei um eine riesige Platte mit Schlangen- und Katzenfleisch. Auf Ouyangs Bitte begann sie aufzuzählen, was der Genuss von Schlangenfleisch für wunderbare, positive Wirkungen hatte: ‚Die Schlange ist gut für den Blutkreislauf. Als Medizin ist sie wirksam bei der Behandlung von Blutarmut, Rheuma, Arthritis und Entkräftung. Die Gallenblase der Schlange wirkt insbesondere schleimlösend und schafft Sehkraft.’“

„Da es selbst in den Neunzigern nicht als politisch korrekt galt, seine alten Eltern in ein Pflegeheim zu schicken, existierten nicht sehr viele dieser Einrichtungen. In Shanghai gab es höchstens drei, so daß nur wenige es schafften, einen Platz zu bekommen, vor allem, wenn es sich um Alzheimer-Patienten handelte. Zweifellos war es Guans sozialem und politischem Status zu verdanken, daß ihre Mutter aufgenommen worden war.“

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Persönliche Bewertung

Faszinierend, bedächtig geschriebener Ausflug in das Shanghai der 90ziger Jahre

5 von 5

„Tod einer Roten Heldin“, ausgezeichnet mit dem Anthony Award für den besten Debütroman, ist der Erstlingskrimi des seit 1988 in Amerika lebenden Exilshanghaiers Qiu Xiaolang. Von der ersten Seite an taucht der Leser, zusammen mit Oberinspektor Chen und, für das einfachere China stehend, seinem Assistenten Yu Guangming, tief ein, in das sich rasant verwandelnde Shanghai im Jahre 1990. Frappierend und überraschend: die tatsächlichen Arbeits-, Lebens und Wohnbedingungen der Menschen. Ganze Familie leben auf wenigen Quadratmetern. Arbeitsplätze werden zugewiesen. Das Kontrastprogramm dazu ist die Welt der hohen Kader und ihrer Kinder, der Prinzlinge, in der – Luxus hin oder her – eine extreme Unsicherheit regiert, kann doch der politische Wind jederzeit drehen. Um den Mordfall zu lösen, kann nicht in der Gegenwart stehen geblieben werden, es geht weit in die Vergangenheit, denn das Konstrukt der Modellarbeiterin entstammt noch den Zeiten der Kulturrevolution. Über der ganzen Geschichte liegt das Paradigma Mao`s, dass ein engagierter (Kultur)-Revolutionär kein, aber auch gar kein Privatleben haben dürfe. Das Leben gehört der Partei. Eine Einstellung, die man auch im Shanghai der Neunziger Jahre nicht so ohne Weiteres abstreifen kann. Zumindest die nachbarschaftliche Kontrolle funktioniert noch ganz gut. Alles in allem liefert Xiaolong in seinem Debütkrimi einen tiefen Blick in eine gänzlich andere Welt – und ist daher für jeden, der mal über den eigenen Suppentopf schauen will, wärmstens zu empfehlen. Die Bedächtigkeit, die der Erzählung manches Mal anhaftet, ist hinnehmbar, ermöglicht sie es dem Leser doch, den Kulturschock, in den dieser Krimi entführt, zu verdauen.
Fazit: Faszinierend, bedächtig geschriebener Ausflug in das Shanghai der 90ziger Jahre – mit Blick in die Vergangenheit, gewürzt mit chinesischer Dichtkunst und kulinarischen Genüssen.

Originaltitel
Death of a Red Heroine
ISBN10
3552052291
ISBN13
9783552052291
Dt. Erstveröffentlichung
2000
Gebundene Ausgabe
460 Seiten