Timpetill – Die Stadt ohne Eltern

Autoren
Illustrator
Richard Kennedy
Verlag
Heyne Verlag
Anspruch
4 von 5
Humor
4 von 5
Lesespaß
5 von 5
Schreibstil
5 von 5
Spannung
5 von 5

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Zusammenfassung zu “Timpetill – Die Stadt ohne Eltern”

In der Kleinstadt Timpetill müssen sich die Eltern einiges von ihren Kindern gefallen lassen. Besonders wild treibt es eine Gruppe von Jungen und Mädchen, die sich die „Piraten“ nennen. Als es den Erwachsenen zu viel wird, beschließen sie, ihren Kindern eine Lektion zu erteilen. So verlassen sie eines frühen Morgens unangekündigt die Stadt, um abends zu ihren reumütigen Kindern zurückzukehren. Doch sie verlaufen sich und werden im Nachbarstaat festgehalten. Die Kinder unterdessen stellen beim Aufwachen fest, dass sie niemand geweckt hat, kein Frühstück auf sie wartet, die Wohnungen und Straßen leer sind. Schule und Rathaus sind verlassen, es gibt keinen Strom und kein Wasser, denn das Wasser- und Elektrizitätswerk sind abgestellt. Die erste Angst der Kinder weicht schnell der Erkenntnis, dass sie ohne Aufsicht sind, und sie beginnen unter dem Kommando der „Piraten“ die Geschäfte zu plündern.

Nur Manfred, genannt „Geheimrat“, und sein bester Freund Thomas beteiligen sich nicht am wilden Treiben. Gemeinsam bemühen sie sich, Struktur und Ordnung zu schaffen, bringen den Strom und das Wasser wieder zum Laufen, sorgen für Verpflegung und teilen die Kinder, die sich ihnen anschließen, für die wichtigsten Aufgaben ein. Auch für die Sicherheit muss gesorgt werden, denn Oskar und die Piraten sind fest entschlossen, die Arbeit zu sabotieren und sich dafür zu rächen, dass Geheimrat und Thomas ihnen Anhänger abspenstig machen. So planen die Piraten einen großen Überfall, während die Kinder unter Thomas‘ Anleitung den Betrieb in der Stadt aufrecht erhalten…

Wichtige Charaktere

  • Manfred Michael, genannt „Geheimrat“
  • sein bester Freund Thomas Wank
  • Marianne Loose
  • Oskar Stettner
  • Heinz Himmel
  • der dicke Paul
  • Willi Hak
  • Hannes Krog
  • viele andere Kinder

Zitate

„Die Plattform der Aussichtswarte ist von einer halbhohen Steinbrüstung umgeben. Das spitze Dach ruht auf vier mächtigen Pfeilern. Als wir oben ankamen, hörten wir ein höllisches Konzert. Wir eilten an die Steinbrüstung und blickten hinunter. Das war ein Anblick! In der Langengasse und auf dem Geißmarkt wimmelten die Kinder lärmend, wie ein wahnsinnig gewordenes Zwergenheer, durcheinander. Mit Trompeten, Ratschen und Trillerpfeifen erzeugten sie einen ohrenbetäubenden Lärm. Viele hatten Soldatenhelme oder Indianerfedern auf dem Kopf. Pistolen wurden abgeschossen, Pfeile schwirrten durch die Luft, Knallfrösche wurden abgebrannt. Es war ein Wahnsinn!“

„‚Kinder von Timpetill!‘, rief er. ‚Hier habe ich die Notbetriebsordnung für die Zeit, solange die Stadt ohne Eltern ist.‘
‚Schieß los!‘, scholl es aus dem Saal. ‚Abwarten und Tee trinken!‘, fuhr Thomas fort. ‚Die Vorstellung beginnt gleich. Ich gebe nur noch den feinen Brüdern, die sich ihre Marzipanfingerchen nicht schmutzig machen wollen, den guten Rat, sich rechtzeitig zu verdrücken. Wer seinen Posten angetreten hat, darf nicht mehr kneifen! Sonst wird er zum Verräter erklärt. Wer nicht mitschuften will, dem ist nicht zu helfen. Der kann ja sehen, ob er bei unseren Feinden, den Piraten, was zu futtern kriegt!: Er verstummte und blickte herausfordernd in den Saal. Es rührte sich niemand. Thomas war sehr schlau, er hatte die Kinder bei ihrer Ehre gepackt. Drückeberger wollte keiner sein.“

Persönliche Bewertung

Zeitlose Geschichte mit nostalgischen Illustrationen

5 von 5

Wer sich mit Winterfelds Lebensgeschichte beschäftigt, auch wer nur das Nachwort Boris Kochs liest, stellt die Bezüge zum Leben des Autors fest, zur Flucht der Familie aus Nazideutschland, nachdem ihnen ihr Besitz und Vermögen vom neuen Regime geraubt worden war. Auch die Namen Thomas (wie Henry Winterfelds Sohn, für den er sich die Geschichte um Timpetill ausdachte) und Marianne (wie Thomas’ Cousine) sind vermutlich nicht zufällig gewählt. Es ist eine Geschichte über Tapferkeit und kindliche Helden, die den ganz normalen Erwachsenenalltag zu meistern versuchen, um ihre Grundbedürfnisse nach Essen, Schlaf und Sicherheit zu befriedigen.

Sprachlich ist dem Buch deutlich anzumerken, dass Geschichte und Autor aus einer anderen Generation stammen. Es sollte dennoch für heutige Kinder gut lesbar sein, und mag dazu beitragen, ihnen die eine oder andere veraltete und unbekannte Vokabel näherzubringen und ihren Wortschatz zu erweitern. Der Zeit der Entstehung geschuldet ist sicherlich auch die aus heutiger Sicht sehr klischeehafte Aufgabenverteilung: Die Mädchen kümmern sich um die Kleinen und das Essen, die Jungs sind Spione, oder Wachposten und übernehmen die Kontrolle im Wasser- und Elektrizitätswerk. Die Helden sind fast ausschließlich männlich; immerhin steht ihnen zumindest Marianne als tapferes Mädchen in der Organisation wie im Kampf zur Seite. Wäre die Geschichte erst 2013 das erste Mal erschienen, würde sie sehr rückständig und nicht zeitgemäß anmuten, doch wegen ihres Entstehungszeitpunkts kann man ihr die konservative Rollenverteilung sicherlich nicht vorwerfen. Auch bestimmte andere Details wie das Ausklopfen der Pfeife über dem Aquarium oder der Spitzname “schwarzer Peter” für einen mit Ruß beschmierten Jungen würden sicherlich heute so in den meisten Kinderbüchern nicht mehr geschrieben werden.

In der Botschaft mag man die Geschichte etwas zu plump pädagogisch finden (Die Kinder stellen fest, dass sie ihre Eltern doch brauchen und wie das Leben kaum ohne die Erwachsenen funktioniert), doch ist auch hier der Hintergrund Winterfelds wichtig zu berücksichtigen: Der völlige Verlust des bisherigen Lebens, Angst vor Chaos und fehlenden Stukturen. Zwar werden die Aufgaben militärischen Hierarchien gleich verteilt, es gibt Autoritäten und einen Anführer, doch wird dieser gewählt. Die Kinder richten also durchaus eine Art Hierarchie, keine Diktatur ein, auch wenn diese ein wenig militärisch anmutet. Auch das Happy End, die Reue der „Bösen“ am Ende der Geschichte ist sicherlich Winterfelds Biografie und Wunsch nach einem guten Ende geschuldet.

Fazit

Ein durchweg spannender, nostalgisch von Richard Kennedy illustrierter Kinderbuch-Klassiker, dem man zwar sein Alter anmerkt, dessen Grundidee dennoch so zeitlos ist, dass er gut auch ins Jahr 2013 passt. Allein die klischeehafte Rollenverteilung der Kinder erscheint aus heutiger Sicht veraltet.

ISBN10
3453534409
ISBN13
9783453534407
Dt. Erstveröffentlichung
2013 (1948)
Taschenbuchausgabe
288 Seiten
Empfohlenes Lesealter
Ab 12 Jahren