Mehr Matsch! Kinder brauchen Natur
Zusammenfassung zu “Mehr Matsch! Kinder brauchen Natur”
Immer mehr Kinder wachsen in Städten auf. Technik und Verkehr haben derart überhand genommen, dass viele Kinder nicht mehr allein vor die eigene Haustür gehen dürfen, vom Herumtoben in freier Wildnis einmal ganz zu schweigen. Wenn das Erleben von Natur im Aufwachsen eines Kindes fehlt, führt das jedoch zu handfesten physischen und psychischen Defiziten, denn schließlich ist auch der Mensch nur ein Säugetier und damit ein Wesen der Natur. „Von der Natur isolierte Kinder erfahren nicht das Gefühl von Zugehörigkeit zur belebten Welt, das für die seelische Entwicklung unverzichtbar ist“, so der Autor. Und diese These stützt Andreas Weber in seinem Buch durch eine Vielfalt von Argumenten. Natur ist Freiheit, Natur lernen heißt, Liebe lernen – so einige weitere Aussagen. Aber statt die Kinder hinauszuschicken – und dadurch die Entwicklung ihrer Selbstwahrnehmung überhaupt erst zu ermöglichen – heißt es „Du kannst dich verletzen!“; oder auch einfach nur: „Nicht anfassen!“ Ein gewichtiges Wort im Sprachgebrauch des Autors ist „Biophilie“, dass so etwas wie eine Wissenschaft von der Wirkung der Natur auf die Wesensbildung des Menschen meint. Hirnforscher begreifen mittlerweile, und weisen es auch nach, dass ganze Gehirnstrukturen zerstört werden (oder anders angelegt werden), wenn die Beziehung der aufwachsenden Generation zur Natur so grundlegend gestört ist, wie das heute der Fall ist. Auch findet sich in dieser Tatsache eine weitere, recht plausible Erklärung für die zunehmende Verabreichung von Psychopharmaka schon an die Jüngsten. Dieses ganze Drama und seine weitreichenden Folgen wird von verschiedensten Seiten betrachtet. Oft werden Erlebnisse des Autors mit seinen Kindern Emma und Max zur Untermalung und Verstärkung des Gesagten herangezogen. Aber am Ende – trotz der recht düsteren Analyse – vermittelt Andreas Weber doch einen Hoffnungsschimmer. Wer erst einmal die Dramatik der ganzen Situation wahrgenommen hat, findet mit ein wenig Fantasie reichlich Möglichkeiten, den Kindern wieder Zugang zur Natur zu gewähren. Um das zu erleichtern, gibt Andreas Weber am Schluss des Buches „Dreißig Vorschläge für Eltern“ und noch „Zwanzig weitere Ideen für Lehrer und Erzieher“. Und alle führen nicht nur die Kinder, sondern auch ihre Eltern wieder ein kleines Stück zurück in die Natur. Sogar in den Zoo darf man gehen!
Zitate
„Wer eine winterschlafende Solitärbiene in einem Schilfhalm findet, gefährdet ihr Leben. Lieber nichts anfassen, die Natur ist ohnehin so zerbrechlich geworden. Lieber ins Haus gehen, draußen machen wir nur etwas kaputt! Wer einerseits lehrt, dass die ökologische Katastrophe droht und andererseits nicht mehr riskiert, die Kinder in die Natur ausschwärmen zu lassen, vertieft einen Teufelskreis. Dass Kinder nicht mehr in der Natur auftauchen, ist die eigentliche ökologische Katastrophe. Denn in Wahrheit repräsentieren Kinder die psychische Seite der grundlegenden ökologischen Zusammenhänge. Wenn sie nur noch vor dem beleuchteten Glasbildschirm sitzen, sind die Zusammenhänge zerrissen. Das lebendige Geflecht, an dem alle Menschen, nicht nur die Jüngsten, teilhaben, beginnt zu zerfallen./ Viele Pädagogen wissen freilich selbst kaum noch etwas mit anderen Wesen anzufangen. Sie haben sie ja bereits auf ebenso abstrakte Weise kennengelernt wie ihre heutigen Schützlinge – nicht als Gegenüber, das zu einem sprechen kann und in dem man sich selbst begreift.“
„29. Eigenständigkeit geben / Trauen Sie ihrem Kind insgesamt mehr zu – die Dinge, die es gerne möchte, aber auch die, zu denen es keine Lust hat. Geben Sie ihm die Möglichkeit, seine Selbständigkeit zu erforschen, im Angenehmen und weniger Angenehmen (denn Selbstständigkeit hat zwei Seiten). Erlauben Sie es, wenn es mit dem Fahrrad durch die Felder radeln will. Ermuntern Sie es, dort auf Abenteuersuche zu gehen, am besten in Begleitung seiner Freunde….“
Persönliche Bewertung
Ein qualitativ hochwertiges Buch - etwas langatmig aufbereitet.
Ein wichtiges Buch. Die These, dass enge, freie Bindung an Natürliches für die gesunde Entwicklung des Säugetieres Mensch zwingend ist, ist nicht ganz neu, wurde jedoch selten in dieser Schärfe formuliert. Da wird mit verschiedensten Maßnahmen an unseren Kindern herumgedoktort – und mit einigen davon recht viel Geld verdient – und kaum jemand kommt auf die Idee, einfach mal eine Gruppe Kinder – am besten (fast) unbeaufsichtigt – zum Spielen auf die nächste halb verwilderte Brache zu schicken. Andreas Weber macht seine Sache gut, er führt Wissenschaftliches an, und untermalt das mit persönlichen Erlebnissen. Nur leider hat man nach der Hälfte des Buches irgendwie das Gefühl, dass der Autor anfängt, sich zu wiederholen. Man hat ja verstanden, und dann reicht es eigentlich auch. Aber bekanntlich wirkt Wiederholung ja einprägend. Und die Tipps am Ende sind auf jeden Fall eine praktische Handreichung, obgleich, das ist dann auch wieder irritierend, vieles davon in der pädogischen Praxis schon umgesetzt scheint. Und so ganz allein lässt auch der Autor die Kinder nicht in die Restnatur – ein paar homöopathische Tropfen zur Traumabehandlung sollten schon im Handgepäck vorhanden sein.
Fazit
Der Mensch braucht eine enge Bindung an die Natur, um gesund aufzuwachsen – eigentlich eine leider etwas in Vergessenheit geratene Binsenweisheit! Hier qualitativ hochwertig, aber etwas langatmig aufbereitet.
- ISBN10
- 3548374514
- ISBN13
- 9783548374512
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2011
- Taschenbuchausgabe
- 253 Seiten