Mario und der Zauberer
Ein tragisches Reiseerlebnis
Zusammenfassung zu “Mario und der Zauberer”
Eine deutsche Familie macht an der italienischen Küste Urlaub. Vater, Mutter und zwei Kinder sind in Torre di Venere untergebracht. Auf einmal beginnen die sinnlos erscheinenden Diskriminierungen: Die Einnahme des Essens auf der Veranda wird ihnen verwehrt und das Hotelzimmer soll aufgrund des als störend empfundenen Hustens der Kinder gewechselt werden. Als die Familie ein Bußgeld zahlen soll, da die achtjährige Tochter am Strand kurzzeitig nackt zu sehen war, beschließt man die Heimreise. Doch ein Zauberer hat sich im Urlaubsort angekündigt. Die Kinder drängeln, schließlich geben die Eltern nach und bleiben. Es handelt sich um eine Abendvorstellung, die anders ist als herkömmliche Vorstellungen. Der Zauberer Cipolla ist bereits äußerlich eine negativ auffällige Person. Dem Ich-Erzähler und seiner Frau wird bewusst: Es handelt sich weniger um Zaubertricks als um Hypnose.
Im Verlaufe des Abends demütigt Cipolla die anwesenden Zuschauer. Oftmals handelt es sich hierbei um einfache Bürger. Bürgerliche oder Adlige bleiben unbescholten. Die Ablehnung im Publikum steigert sich. Dennoch gelingt es Cipolla immer wieder, in seinen Kunststücken den Willen der Beteiligten zu brechen bzw. sie der Lächerlichkeit preiszugeben. Auch der zweite Teil der Vorstellung verspricht keine Besserung. Der Ich-Erzähler bedauert immer wieder, die Vorstellung nicht längst verlassen zu haben. Als Cipolla sich Mario, einen Kellner, auf die Bühne holt, befindet sich der Abend auf dem Höhepunkt. Mario wird in Trance versetzt und dazu bewegt, Cipolla zu küssen. Als Mario erwacht und den Missbrauch erkennt, stürzt er beschämt davon. Aber er kommt zurück. Mit einer Pistole bewaffnet, erschießt Mario den Zauberer. Der Ich-Erzähler gibt zu, dass er dieses Ende als „sehr befreiend“ erlebt.
Wichtige Charaktere
- der Ich-Erzähler mit seiner Frau und den beiden Kindern
- Zauberer Cipolla
- Mario, ein Kellner
Interpretation
Das geschilderte Ereignis in dieser Novelle hat sich – bis auf den tödlichen Abschluss – wie geschildert zugetragen. Thomas Mann hat in einem Brief davon berichtet. Viele Literaturforscher haben versucht, das Stück lediglich auf die Zeit der Nationalsozialisten zu reduzieren. Dem ist aber nicht so. Vielmehr geht es um die Willensfreiheit generell beim Menschen. Dies zeigt der Text in verschiedenen Ansätzen. So kann sich der Ich-Erzähler nicht dazu durchringen, trotz der Demütigungen den italienischen Urlaubsort zu verlassen. Weiterhin zwingt der Zauberer Cipolla mehreren Zuschauern seinen Willen auf. Eine Gegenwehr scheint für alle Beteiligten unmöglich. Am Ende ist es Mario, der Kellner aus einfachen Verhältnissen, der sich zur Wehr setzt. Über den Erfolg (ein Mord) ließe sich sicherlich streiten. Der Ich-Erzähler jedenfalls bezieht klar Stellung: Er hält die Ermordung nicht nur für denkbar, sondern sogar für ein „befreiendes Ende“. Damit wird der eigene, der freie Willen zum höchsten Gut erklärt. Und es wird aufgezeigt: Es sind nicht die Bürgerlichen und auch nicht die Bessergestellten, die den Schwindel um den Künstler Cipolla erkennen. Mario, der Mann aus dem einfachen Volke, ist der einzige, der es wagt aufzubegehren. Damit ist die Novelle auch ein Aufruf zu mehr eigenem Denken und freien Handeln.
Zitate
„Es sei herrlich beim Zauberer, klagen sie, wir wüssten nicht, was noch kommen solle, man müsse wenigstens abwarten, womit der nach der Pause beginnen werde, sie schliefen gern zwischendurch ein bisschen, aber nur nicht nach Hause, nur nicht ins Bett, während der schöne Abend hier weitergehe!“
Persönliche Bewertung
Eine verwirrende Novelle um die Frage nach der Willensfreiheit.
Bei dem vorliegenden Werk handelt es sich um eine sehr kurze Novelle. Dennoch wirkt der Schreibstil mit seinen vielen Nebensätzen und ausufernden Beschreibungen zuweilen anstrengend beim Lesen. Doch man liest gern. Schließlich ist die Sprache geschliffen und sehr wohlklingend. Auch das Thema reizt den Leser, das Buch nicht aus der Hand zu legen. Wer möchte nicht gern wissen, was an diesem so seltsam anmutenden Abend noch alles passieren kann? Wer möchte nicht gern wissen, mit welchen Mitteln ein zwielichtiger Zauberkünstler den Willen seiner Mitmenschen zu brechen vermag? Die verschachtelten Sätze nimmt man somit gern in Kauf (siehe Zitate) Es ist unstrittig, dass das Büchlein die Willenlosigkeit vieler Menschen anprangert. Mit diesem Hintergrund gehört „Mario und der Zauberer“ zu den klassischen Werken, das unbedingt jeder gelesen haben sollte. Dass der Text zuweilen dem Leser das Urteilen abnimmt und seine Intention bereits offen ausspricht, muss nicht als hinderlich angesehen werden. Thomas Mann wusste, wovon er schrieb. Und er tat dies sehr nachdrücklich und sehr geschickt. Ein zeitloses Buch ist entstanden.
Fazit
„Mario und der Zauberer“ ist ein ausgezeichnetes Stück Literatur, um die Menschen und ihre Eigenschaften zu parodieren. Diese Trägheit, diese Willenlosigkeit – Zauberer Cipolla hat dies erkannt und für seine Bühne zu nutzen gewusst. Lediglich Kellner Mario aus dem Volke begehrt auf. Das Haltbarkeitsdatum der Novelle dürfte niemals ablaufen – das Thema wird zu keiner Zeit an Aktualität einbüßen.
- ISBN10
- 3596293200
- ISBN13
- 9783596293209
- Dt. Erstveröffentlichung
- 1989 (1930)
- Taschenbuchausgabe
- 112 Seiten