Das Geheimnis der Lady Audley

Ein viktorianischer Krimi

Autoren
Übersetzer
Anja Marschall
Verlag
Dryas Verlag
Anspruch
5 von 5
Humor
4 von 5
Lesespaß
5 von 5
Schreibstil
5 von 5
Spannung
5 von 5

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Zusammenfassung zu “Das Geheimnis der Lady Audley”

Sir Michael Audley verliebt sich in eine junge Gouvernante und heiratet sie. Die junge Frau scheint ein Geheimnis zu umgeben, ihre Vergangenheit vor ihrer Anstellung ist unbekannt. Als Sir Michaels müßiggängerischer Neffe Robert, ein Advokat, seinen alten Freund George Talboys wiedertrifft, der nach Jahren in Übersee zurückgekehrt in der Zeitung vom Tod seiner Frau erfahren muss, nimmt er ihn mit zum Landsitz seines Onkels. Doch George verschwindet spurlos, angeblich um mit Hilfe eines Schiffes zurück nach Australien zu fahren. Doch Robert ist misstrauisch und geht der Sache nach. Schon bald kristallisiert sich ein Verdacht heraus: Die junge und schöne Lady Audley könnte etwas mit Georges Verschwinden zu tun haben. Und nicht nur das, Robert vermutet ein Gewaltverbrechen.

Die Situation ist nicht angenehm für Robert, der seinem Onkel nicht das Eheglück zerstören, aber trotzdem den Tod seines Freundes aufklären und ihm zur Gerechtigkeit verhelfen möchte. Er darf Sir Michael also keinesfalls mit seinem Verdacht konfrontieren, bevor er sich nicht absolut sicher ist, dass Lady Audley nicht die ist, die sie zu sein scheint. Um seinen Onkel zu schützen, äußert Robert sogar Mylady gegenüber seinen Verdacht, um ihr die Gelegenheit zur Flucht zu geben, doch sie lässt sich nicht einschüchtern. Und so taucht Robert tief in George Talboys Vergangenheit ein, lernt seinen kleinen Sohn kennen und spürt der vermeintlich verstorbenen Helen Talboys, Georges Ehefrau, nach, immer auf der Spur von Lady Audleys düsterem Geheimnis…

Wichtige Charaktere

  • Lady Audley, vorher Miss Lucy Graham
  • Robert Audley
  • Sir Michael
  • Helen Talboys
  • George Talboys
  • Miss Alicia Audley
  • Phoebe, die Zofe Lady Audleys
  • Clara Talboys
  • der kleine George

Zitate

„Das erste Jahr von George Talboys‘ Leben als Witwer war verstrichen. Der dunkle Trauerflor an seinem Hut war braun und moderfleckig geworden. Und während der letzte heiße Tag im Monat August zur Neige ging, saß er wieder in den friedlichen Räumen im Fig Tree Court. Er hatte sein Leid nun schon um zwölf Monate überlebt. Äußerlich mochte er sich nicht verändert haben, doch der Himmel wusste, welche verzehrenden Höllenqualen der Reue und Selbstvorwürfe sein aufrichtiges Herz marterten, wenn er nachts wach in seinem Bett lag und an die Frau dachte, die er für seine dumme Jagd nach Reichtum im Stich gelassen hatte.“

„Warum verfolge ich diese Sache überhaupt noch?, fragte er sich. Ich weiß doch, dass sie mich Schritt für Schritt jener Schlussfolgerung näher bringt, die ich vor allem meiden sollte. Sollte ich recht haben, wird diese Angelegenheit meinen Onkel in schwerste Seelennot bringen. – Könnte ich nicht heute Abend hier sitzen und sagen: ‚Ich habe meiner Pflicht gegenüber meinem Freund Genüge getan und habe nach ihm gesucht. Doch leider vergebens.‘ Ja, bin ich denn überhaupt verpflichtet herauszufinden, wo George ist? Ob er noch lebt oder ob er tot ist?
So in Zweifel mit sich und dem vor ihm liegenden Weg, stützte Robert Audley die Ellenbogen auf seine Knie und verbarg das Gesicht in den Händen. An diesem Abend, da er so allein bei dem Kamin saß und an George Talboys dachte, sprach er vielleicht sein erstes, wirklich tief empfundenes Gebet.
Als er nach langer und stummer Versunkenheit schließlich den Kopf aufrichtete, sah er die Dinge anders. Er hatte einen Entschluss gefasst. ‚Zuerst Gerechtigkeit für die Toten‘, sprach er leise zu sich, ‚und dann Gnade für die Lebenden.'“

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Persönliche Bewertung

Ein kluger Roman im Stil von Jane Austen und ein faszinierendes Zeitdokument

5 von 5

Im Untertitel wird dieser Roman als „viktorianischer Krimi“ bezeichnet und das ist sicherlich zutreffend, doch „Das Geheimnis der Lady Audley“ ist weit mehr als das. Unter ihre Kriminalgeschichte rührt Mary Elizabeth Braddon eine große Portion Romantik, genauso kann ihr Roman als Charakterstudie gelesen werden: Nicht nur der Charakter der Lady Audley enthüllt sich als Teil des Geheimnisses, das es aufzuklären gilt, vor allem vom Hauptcharakter Robert Audley zeichnet die Autorin ein psychologisch interessantes Bild: So kann der Leser mitverfolgen, welche Wandlung Robert durchlebt, vom trägen privilegierten Sohn aus reichem Haus, der kein Geld verdienen muss zu einem ambitionierten jungen Mann, der sich mit Leidenschaft einem Fall widmet.

Passend dazu fokussiert der auktoriale Erzähler weitgehend auf Robert Audley, doch ändert Braddon gelegentlich auch die Perspektive, um Lady Audley zu folgen und einen kleinen Einblick in ihre Gedanken zu geben, ohne dabei ihre Mysteriösität zu gefährden. Mit Lucy Graham, nun Lady Audley, setzt die Autorin auf ein interessantes Frauenbild: hübsch und bezaubernd, doch weit davon entfernt, das hilflose naive weibliche Rollenklischee zu verkörpern; im Gegenteil: Lady Audley ist äußerst berechnend und intelligent, wenn auch bisweilen an ihrer Zurechnungsfähigkeit gezweifelt werden muss.

„Das Geheimnis der Lady Audley“ vermittelt wunderbar die Atmosphäre der viktorianischen Zeit. Der Übersetzerin Anja Marschall ist dabei das Kunststück gelungen, die weit über 100 Jahre alte Geschichte authentisch und dabei doch nicht altbacken zu übersetzen. Die Sprache wirkt ebenso zeitlos wie passend für die historische Kulisse. So kann dieser Roman auch als Zeitdokument verstanden werden, das einen Eindruck einer wichtigen und faszinierenden Epoche vermittelt. Aber natürlich steht im Fokus die Aufklärung von George Talboys‘ Verschwinden und die Suche nach einem Täter oder einer Täterin sowie den Hintergründen und Motiven. Das große Geheimnis ist dabei nicht, ob Lady Audley und Helen Talbot ein und dieselbe Person sind, diese Frage ist nicht der wichtigste Aspekt, der für die fesselnde Spannung der Geschichte sorgt. Vielmehr ergründet der Leser gemeinsam mit Robert das Geheimnis der Lady Audley, das nicht allein in ihrer Identität liegt, sondern düsterer und tragischer ist als das. Und gleichzeitig ist es spannend zu beobachten, ob es Robert gelingt, seinem Onkel eine große Blamage zu ersparen und welches Schicksal Lady Audley erwartet…

Fazit

Romantik, Spannung und Psychologie vermischt Mary Elizabeth Braddon zu einem beeindruckenden Roman vor viktorianischer Kulisse. Für alle Leser, die Krimis und Jane Austen lieben, ein Muss!

Originaltitel
Lady Audley's Secret
ISBN10
3940855472
ISBN13
9783940855473
Dt. Erstveröffentlichung
2013 (1862)
Broschierte Ausgabe
333 Seiten