Im Reich der Toten
Eine Kulturgeschichte der Beinhäuser und Ossuarien
Zusammenfassung zu “Im Reich der Toten”
Der großformatige Bildband „Im Reich der Toten“ unterteilt sich in sechs Kapitel. Diesen vorangestellt ist eine Einführung unter der Überschrift „Dialog mit dem Tod“, in der der Autor einen ersten Einblick in die historische und religiöse Bedeutung der Ossuarien und des Todes in unserer Gesellschaft gibt. Jedes der nachfolgenden Kapitel unterteilt sich in mehrere Seiten Text sowie einen zweiten Teil mit großformatigen Farbfotos, manchmal auch Schwarz-Weiß-Fotos. Kapitel eins erklärt die Ursprünge der Ossuarien und die Entstehung der ersten Beinhäuser in griechisch-orthodoxen Klöstern bis ins frühe Mittelalter. Das zweite Kapitel widmet sich den katholischen Ossuarien seit dem Mittelalter und deren Ablehnung durch die Protestanten. Kapitel drei stellt Ossuarien des 19. Jahrhunderts bis hin zu ihrer Popularität in der Romantik vor. Neben der Beschreibung verschiedener Beinhäuser und ihrer Sammlungen an Schädeln, Mumien und Skeletten wird außerdem die Praxis der Schädelbemalung erklärt. Das vierte Kapitel befasst sich mit der Spiritualität und Mythologie rund um die Ossuarien, verschiedene damit verbundene Glauben und Kulte sowie Legenden. Kapitel fünf beleuchtet die Beinhäuser als Gedenkstätten und Mahnmale, während das sechste Kapitel schließlich dokumentiert, welche Bemühungen zu Erhalt und Wiederherstellung der Ossuarien in verschiedenen Ländern unternommen werden. Den Anhang bilden eine Liste der vorgestellten Beinhäuser nach Ländern sowie Anmerkungen, Quellen und ein alphabetisches Register.
Zitate
„Ende des 19. Jahrhunderts begann man, die Schädel aus Beinhäusern zu entfernen – in erster Linie, weil man nicht mit fantastischen und abergläubischen Vorstellungen in Verbindung gebracht werden wollte. Manchen Schädeln wurden magische Kräfte zugesprochen, etwa bei der Heilung von Krankheiten, oder man versprach sich einen materiellen Vorteil von ihnen. Insbesondere bei der Vorhersage der Lottozahlen sollten diese Schädel helfen. Sowohl in den Beinhäusern von Adriach als auch von Maria Wörth in Österreich waren Schädel, passend zu der dort stattfindenden Lotterie, mit den Ziffern 1 bis 90 bemalt. Wie genau die auf die Krania gemalten Gewinnzahlen dann als solche erkannt wurden, bleibt ein Rätsel, doch in den Städten der Umgebung war es nicht unüblich, Schädel aus dem Beinhaus zu stehlen und sie mit in sein Bett zu nehmen, da man hoffte, die Geister der Verstorbenen würden einem im Schlaf die Lottozahlenkombinationen preisgeben.“
„Auch die Frage nach der Herkunft der Schädel hatte die Fantasie der Menschen beflügelt. Wie bereits erwähnt, stammen die meisten der Knochen, mit denen Ossuarien ausgestattet waren, von den Friedhöfen der Umgebung, doch offensichtlich war diese etwas prosaische Erklärung nicht immer spektakulär genug. So wurde behauptet, die Gebeine des Ossuariums im Schweizer Nater seien die Überreste einer gigantischen Armee von Hexen, die schließlich auf dem Scheiterhaufen endeten. Einige aufgeklärte Dorfbewohner, die wussten, dass viele der verurteilten Hexen unschuldige Frauen waren, reinigten ihre Knochen und reihten sie an einer Wand gegenüber der Kirche auf, als ewige Erinnerung an die Kirchenoberen, dass sie unschuldiges Blut vergossen hatten.“
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Persönliche Bewertung
Schaurig-faszinierender und hochinteressanter Bildband mit reichhaltigen kulturhistorischen Informationen
Manch einem mag es zu beklemmend vorkommen, sich seitenweise Fotos von Totenköpfen, Mumien und Skeletten anzusehen, vielleicht sogar makaber angesichts der reichhaltigen Ausstaffierung einiger Verstorbener. Tatsache ist jedoch, dass die Beinhäuser wertvolle historische Erkenntnisse liefern und man nicht umhin kommt, das handwerkliche Geschick und den erheblichen Aufwand, der mit dem Bau und der Gestaltung der Beinhäuser betrieben wurde, zu bewundern. Sie sind eine Erinnerung an die Vergänglichkeit, an den Tod, aber auch ein Hinweis auf den Versuch, sich der Toten zu erinnern und sie zu ehren, ihre Individualität zu bewahren oder zumindest ihre Herkunft oder die Umstände ihres Todes zu würdigen. Und dies ist unheimlich und wunderschön zugleich, wie die Fotos hervorragend unterstreichen.
Die Einteilung der Kapitel wirkt sehr übersichtlich. Die langen Textabschnitte werden durch Zitate, Zusammenfassungen und andere Auszüge aufgelockert, die ungeduldigen Lesern das Überfliegen oder das Finden der gewünschten Informationen vereinfachen. Die Beschreibung der Beinhäuser und ihrer Hintergründe ist erfreulich objektiv, religiöse Bezüge werden sachlich erklärt. Beeindruckend sind, wie in einem Bildband zu erwarten, vor allem die Fotos. Eindrucksvoll setzen sie die Ruhestätten in Szene, zeigen wie kunstvoll viele Ossuarien errichtet wurden und mit welcher Liebe zum Detail die Überreste der Verstorbenen arrangiert und teilweise in die Architektur eingearbeitet wurden. Wer sich davon nicht abgeschreckt fühlt, wird die Liste der Ossuarien im Anhang zu schätzen wissen, die dabei hilft, eines oder mehrere Beinhäuser zu besuchen. Die vielen Verweise und Belege laden zudem zur weiteren Lektüre ein.
Bedauerlich ist, dass bei unserem Exemplar mehrere Seiten zusammenkleben, eine Doppelseite sich gar nicht lösen ließ und damit nicht gelesen werden kann. Es ist zu hoffen, dass dies ein Einzelfall ist. Davon abgesehen ist die Aufmachung des Buches sehr hochwertig als großformatiges Hardcoverbuch mit Schutzumschlag. Die Gestaltung ist ansprechend: Die textlastigen Seiten in weiß mit schwarzer Schrift und sepiafarbenen Fotos (die fortlaufend numeriert sind und auf die der Text Bezug nimmt). Einziges Manko: Die Schrift ist sowohl in den Bildunterschriften als auch in den Textabschnitten sehr klein gehalten. Sicherlich ist dies dem Umfang an Informationen geschuldet, doch ist der Text für ältere Menschen oder Leser mit Sehschwäche ohne Lupe kaum komfortabel zu lesen. Vielleicht wäre die Aufteilung in zwei Bände oder die Beschränkung der Informationen angesichts der Lesefreundlichkeit die bessere Wahl gewesen.
Fazit
Ein Bildband voller hochwertiger Fotografien und umfangreicher Informationen. Für kulturhistorisch Interessierte ein faszinierendes Geschenkbuch und ein Blickfang für das Bücherregal für alle, die sich nicht von Fotos von Skeletten oder Mumien abschrecken lassen.
- ISBN10
- 3848007126
- ISBN13
- 9783848007127
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2014
- Gebundene Ausgabe
- 224 Seiten