Hexengesicht

Autoren
Verlag
Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag

Zusammenfassung zu “Hexengesicht”

Der Klassenfahrt in das kleine historische Städtchen Walnik kann der Großteil der Klasse nichts abgewinnen. Nur die Außenseiterin Tamara freut sich, über das geschichtsträchtige Gemäuer, in dem die Klasse untergebracht ist. Damit steht sie jedoch alleine da: Vor allem die verwöhnte Josephine wäre lieber bei ihrem Freund oder in einem Ort, wo mehr los ist. Zu allem Unglück gibt es statt der versprochenen Vierbettzimmer nur Dreibettzimmer und so landen die beiden ungleichen Mädchen, Josephine und Tamara, in einem Zimmer. Tamara trägt Zöpfe, eigenwillige Kleidung und eine bunte Reisetasche voller Buttons, Federn und Perlen, sie räuchert gern, kennt sich mit Kräutern aus, kann Parties nichts abgewinnen und lässt sich von der Meinung ihrer MitschülerInnen nicht beeindrucken. Die eher intolerante Josephine dagegen hat einen riesigen Koffer voller Kleidung und eine Louis Vitton Handtasche dabei, trägt nur modische Kleidung und legt großen Wert auf Make-up und die Meinung anderer. Unterschiedlicher könnten zwei Menschen kaum sein, doch in den kommenden Tagen entdecken die beiden Mädchen gemeinsam ein düsteres Geheimnis, das sie ergründen.

Während einer Führung setzen sich beide Schülerinnen von der Gruppe ab und entdecken in einer kleinen Kirche das Gemälde eines Mädchens, das während der Zeit der Hexenverfolgung gefoltert und ermordet wurde. Plötzlich wendet das Mädchen Tamara und Josephine den Kopf zu. Was Jo als Sinnestäuschung abtut, nimmt Tamara, die für übersinnliche Phänomene offen ist – wesentlich ernster. Bald schon scheint das Mädchen vom Gemälde mit ihr Kontakt aufzunehmen, Tamara taucht in die Vergangenheit ein und kann die schauderhaften Ereignisse spüren. Zusammen mit Josephine geht sie der Geschichte des Mädchens nach und enthüllt ein grausames Geheimnis, das bis in die Gegenwart reicht…

Wichtige Charaktere

  • Tamara
  • David
  • Josephine, „Jo“
  • Friederike von Heinen
  • Kilian
  • Bero von Kreutzmarck
  • Michelle, Chloé und Svenja

Zitate

„Vorsichtig hielt Tamara die Feuerzeugflamme an die Räucherkohle. Sekunden später sprühten kleine Fünkchen auf, die sich unter Tamaras Pusten rasch durch die Kohletablette fraßen. Ehe die Glut ihre Fingerspitzen erreichte, legte sie die Kohle auf ein Messingschälchen, das sie zuvor mit Quarzsand gefüllt hatte. Nun noch ein paar Körnchen Styrax in die kleine Mulde der Tablette und schon stiegen dünne Rauchfäden auf. Mit einer Straußenfeder verteilte Tamara den Rauch, der nach und nach seinen Duft entfaltete. Ihre feine Nase machte Vanille aus, eine Spur Zimt, dazu Amber und sogar einen Hauch Sandelholz. Sie staunte aufs Neue, wie viele verschiedene Aromen sie wahrnehmen konnte, je nachdem, an welchem Ort sie das Räucherharz verbrannte. Hier gesellte sich der erdige Atem des Gemäuers hinzu, die Leichtigkeit der Bäume, die durch die Fensterritzen drang, und die erwartungsvolle Spannung des herannahenden Gewitters, das bereits jetzt die Luft mit Feuchtigkeit schwängerte.“

„Jo dachte an das junge Mädchen auf dem Gemälde. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, wie schön es vor seiner Krankheit gewesen war. Gernot musste sich sofort verliebt haben, aber in dem Alter zählte die Optik nun mal mehr als die inneren Werte, da waren die Jungs damals nicht wesentlich anders als die von heute. Und hatte sie, Josephine, dieses Spiel nicht immer bereitwillig akzeptiert und mitgespielt? War es für sie nicht auch wichtig, gut auszusehen und den Jungs was zu bieten? Jeden Abend stand sie vor ihrem gut gefüllten Kleiderschrank und plante bis ins Detail ihr Outfit für den Tag. Alleine schon, wie viel Geld sie ins Kosmetikstudio, zur Maniküre oder in den Friseursalon schleppte. Oder ins Fitnessstudio, dabei hasste sie Sport. Es war für sie einfach undenkbar, ungepflegt herumzulaufen oder sich gehen zu lassen, und sie war bisher fest davon überzeugt gewesen dass sie das nur für sich und ihr persönliches Wohlbefinden tat. Aber in Wirklichkeit tat sie es auch, um den hippsten Jungs ins Auge zu stechen. Aber was war daran so falsch? Ihr eigenes Beuteschema war ja ähnlich. Niemals hätte sie einen von den Nerds mit Pottschnitt und abgekauten Fingernägeln interessant gefunden. War das verwerflich, dass man jemanden suchte, der gut aussah?
Aber wie war es, wenn jemand, den man liebte, plötzlich entstellt wurde, durch einen Unfall oder eine Krankheit? Würde sie Kilian auch dann noch lieben, wenn ihm von heute auf morgen überall Beulen im Gesicht wachsen und es grotesk deformieren würden? Sie konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen.“

Persönliche Bewertung

Spannender historisch-phantastischer Roman, im Anspruch manchmal etwas zu gewollt

4 von 5

„Hexengesicht“ fällt zunächst durch die besondere Covergestaltung auf: Der Titel ist in Golddruck auf das fast samtige Cover aufgedruckt. Davon abgesehen fügt sich das Titelbild mit dem düsteren, geschminkten, von Ornamenten umrankten Mädchengesicht in andere aktuelle Fantasy-Jugendbücher für Mädchen und junge Frauen ein. Angesichts des recht grausamen Hintergrundes der Geschichte wäre ein etwas gruseligeres Cover vielleicht passender gewesen, hätte jedoch vermutlich die primäre Zielgruppe (jugendliche Mädchen) abgestoßen. Sehr künstlerisch ist auch das Innere des Buches mit schwarzen Tropfen gestaltet.

Die Autorin Heike Schulz hat mit „Hexengesicht“ ihren Debütroman veröffentlicht und beweist, dass man die Schriftstellerkarriere nicht in jungen Jahren beginnen muss. An ihrem Schreibstil gibt es rein gar nichts auszusetzen, authentisch, ausdrucksstark und zum Teil poetisch beschreibt die Autorin Kulissen und Szenen so gut, dass sie der Geschichte Leben und Realismus verleiht. Interessant ist der zweigeteilte Fokus der Handlung auf die beiden ungleichen Mädchen Tamara und Jo, denen der Erzähler abwechselnd folgt. Die Hauptperson Tamara mit ihren Interessen (Räucherwerk, Traumreisen und Kräuterheilkunde) beschreibt die Autorin so gut, dass sich vermuten lässt, Heike Schulz kennt sich selbst mit diesen Themen gut aus. Es wäre erfreulich, wenn die jungen Leser durch dieses Buch ihren Horizont erweitern und sich zum Beispiel mit der Heilkraft von Kräutern (im Gegensatz zur bekannteren Schulmedizin) beschäftigen. Und natürlich regt „Hexengesicht“ dazu an, sich mit einem grausamen, aber wenig thematisierten Kapitel der Geschichte dieses Landes auseinanderzusetzen, an dem die hierzulande machthabende Religion einen erheblichen Anteil hatte.

Die Auflösung der Handlung offenbart reale historische Grausamkeiten und vermischt diese mit einer rein fiktiven und phantastischen Handlung. Als Hauptperson wählt die Autorin eine sympathische Außenseiterin, der sie eine recht oberflächliche Mitläuferin an die Seite stellt. Zwar wird die Handlung von einem übergeordneten Erzähler dargestellt, doch ist er keineswegs neutral. In einigen Passagen kommt klar zum Ausdruck, wie kritisch die Autorin zu Oberflächlichkeit und aufgebrezelten Mädchen steht. Diese Meinung kommt durch den Erzähler zum Ausdruck und soll vermutlich die jungen Leser nachdenklich machen und dazu bringen, ihre eigenen Prioritäten zu überdenken.

Und hier liegt auch ein wesentlicher Kritikpunkt: Manchmal wirkt es einfach zu plakativ – das positive Beispiel der Außenseiterin, durch die die „Tussi“ der Geschichte eine positive Wandlung erfährt. Sicherlich werden sich Leserinnen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, gut mit Tamara identifizieren können und sich darüber freuen, wie aus den zwei ungleichen Mädchen Freundinnen werden. Für den älteren Leser scheint Jos Wandlung etwas zu einfach. Ähnlich klischeehaft wirkt das Ende, denn natürlich darf in einem Roman für Mädchen eine kleine Liebesgeschichte am Rande nicht fehlen, die selbstverständlich mit einem Happy End abschließt. Für die Handlung ist die Love Story nicht unbedingt notwendig, ist jedoch vermutlich dem realistischen Hintergrund der Teenagermädchen und ihrer realen Probleme geschuldet.

Fazit

In ihrem Debutroman erzählt Heike Schulz eine fesselnde Geschichte mit einem realen historischen Hintergrund, die an eine wichtige und finstere geschichtliche Epoche erinnert. Eine bildreiche Sprache und ein ausgefallener Hauptcharakter sorgen für ein abwechslungsreiches Leseerlebnis.

ISBN10
3862651819
ISBN13
9783862651818
Dt. Erstveröffentlichung
2012
Gebundene Ausgabe
256 Seiten
Empfohlenes Lesealter
Ab 12 Jahren