Endlich Weihnachten!

Geschichten über die schrecklich-schönste Zeit des Jahres

Verlag
Diogenes Verlag

Zusammenfassung zu “Endlich Weihnachten!”

Die zwanzig Geschichten in dieser Sammlung beschäftigen sich allesamt auf die eine oder andere Weise mit dem Thema Weihnachten. Sei es, weil die Handlung am Heiligabend oder rund um die Weihnachtsfeiertage stattfindet, oder weil sich der Autor auf theoretische Weise dem Weihnachtsfest widmet. Die Länge der Geschichte variiert so sehr wie die versammelten Autoren. Da gibt es auf einer Seite einen Beitrag von Max Frisch, der genau besehen nur aus einem endlosen Satz besteht, und auf der anderen Seite längere Geschichten, die mehr als 20, in einem Fall sogar mehr als 50 Seiten umfassen. Viele der Namen dürften jedem Leser vertraut sein: Erich Kästner, Martin Suter, Max Frisch, Hans Fallada, Nathaniel Hawthorne, Arthur Conan Doyle, Daphne du Maurier, Rafik Schami, O’Henry, Truman Capote oder Ernest Hemingway. Die ausgewählten Geschichten zeigen außer dem Weihnachtsthema kaum Gemeinsamkeiten: Vom etwas schaurigen jährlichen Weihnachtsessen einer Gruppe besonders elendiger Individuen, die die verschiedenen menschlichen Tragödien und Leiden personifizieren, über eine humorvolle „Typologie der Vanillekipferl“ bis hin zu einem klassischen Sherlock Holmes Krimi (sicherlich vielen Lesern schon bekannt) und der Schilderung eines Weihnachtsabends, den ein Paar in einer fremden Stadt verbringt. Am Ende des Buches finden sich Nachweise der abgedruckten Geschichten, auf Kurzbiografien der Autoren wurde verzichtet.

Zitate

„Da gab es einen Mann mit einem empfindlichen Gewissen, der ein Blutmal im Herzen trug, nämlich den Tod eines Mitmenschen, der – eine besonders raffinierte Qual – unter so eigenartigen Umständen erfolgt war, dass jener Mann nicht mit letzter Sicherheit sagen konnte, ob er mit Absicht gehandelt hatte oder nicht. Sein ganzes Leben war nun ein schmerzhafter innerlicher Mordprozess, wobei er die Einzelheiten dieses schrecklichen Unglücks immer wieder aufs Neue hin und her wendete, bis sein Kopf keinen Gedanken und seine Seele keine Gefühle hatte, die nicht damit zusammenhingen.“
(aus: Nathaniel Hawthorne „Das Weihnachtsbankett“)

„Paris im fallenden Schnee. Vor den Cafés die großen, rotglühenden Holzkohlepfannen. An den Cafétischen dicht vermummte Männer mit hochgeschlagenen Mantelkragen, Gläser mit Grog Americain betastend. Zeitungsjungen, die die Abendzeitungen ausrufen.
Die Busse poltern wie grüne Moloche durch den in der Dämmerung rieselnden Schnee, aus dem Gestöber erheben sich weiße Hausfassaden. Schnee ist nie so schön wie in der Stadt. Es ist herrlich, in Paris auf einer Seinebrücke zu stehen und durch den weichen Vorhang des Schnees an der grauen Masse des Louvre vorbei über den von vielen Brücken überspannten und von den grauen Häusern des alten Paris gesäumten Fluss den Blick bis dorthin schweifen zu lassen, wo Notre-Dame in der Abenddämmerung kauert.
Es ist sehr schön in Paris und sehr einsam zur Weihnachtszeit.“
(aus: Ernest Hemingway „Weihnachten in Paris“)

Andere Weihnachts-Anthologien von Diogenes

Lamettaspuk
Lamettaleichen
O du schreckliche…
Alle Jahre wieder
Früher war mehr Lametta
Frher war noch mehr Lametta
Früher war noch viel mehr Lametta
Früher war mehr Bescherung
Früher war Weihnachten später
Früher war Weihnachten viel später
Schöne Bescherung
Nicht schon wieder Weihnachten!
Weißer Weihnachtszauber

Persönliche Bewertung

Vielseitige Zusammenstellung von Weihnachtsgeschichten für jeden Geschmack

5 von 5

Weihnachten polarisiert, und genau dies weiß diese Anthologie wunderbar abzubilden. Harmonie und Nächstenliebe auf der einen Seite, Kriminalität, persönliche Tragödien oder der alljährliche Wahnsinn auf der anderen Seite – von all dem erzählen die Autoren und Autorinnen in dieser Geschichtensammlung. Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis und die vielen großen Namen zeigt, dass mit diesem Buch wenig falsch zu machen ist, denn mit der Bandbreite dürfte wirklich für jeden Geschmack ein Treffer dabei sein. Und wer mit einer Geschichte nicht warm wird, blättert einfach zur nächsten weiter!

Hier und dort muss das Entstehungsjahr der Geschichten berücksichtigt werden. Veraltete Geschlechterrollen oder Begriffe wie „Neger“ zeugen hiervon. Wie sehr man sich daran stört, ist sicher individuell, der kritische erwachsene Leser wird diese Mankos hoffentlich richtig einzuordnen wissen. Davon abgesehen versprechen die Geschichten insgesamt, wie von Diogenes zu erwarten, gehobenen Anspruch. Teilweise sprachlich recht anspruchsvoll (mitunter auch dem Alter der Geschichten geschuldet) kann von seichter Lektüre großteils keine Rede sein. Viele Geschichten laden dazu ein, über zwischenmenschliche Beziehungen nachzudenken, über die Unterschiede in der Welt, darüber, was wirklich wichtig ist, über Loyalität, Prioritäten im Leben und die verschiedenen Arten, das Weihnachtsfest zu verbringen. Leser, die sich nicht zum Nachdenken anregen lassen möchten, können sich ebenso gut damit begnügen, sich von der bunten Sammlung an weihnachtlichen Geschichten unterhalten zu lassen.

(Das Cover des Buches verdient übrigens besonderes Augenmerk, denn es handelt sich um ein typisches (Such-)Bild von Tomi Ungerer, in dem in diesem Fall nach den mehr oder weniger subtil versteckten Büchern gesucht werden darf.)

Fazit

Ob Krimi, neu interpretierte klassische Weihnachstgeschichte, Satire oder Tragik – diese Anthologie hält für jede Gelegenheit etwas dabei. Zur Belustigung der erwachsenen Weihnachtsrunde, zum besinnlichen Beisammensitzen oder als Zeitvertreib während der Feiertage – „Endlich Weihachten!“ bietet die passende Lektüre.

ISBN10
3257243103
ISBN13
9783257243109
Dt. Erstveröffentlichung
2014
Broschierte Ausgabe
288 Seiten