Dunkelkammer
Zusammenfassung zu “Dunkelkammer”
Rilke, ein vierzigjähriger homosexueller Auktionator, seit fünfundzwanzig Jahren angestellt bei Bowery Auction, wird in ein herrschaftliches Haus gerufen. Sogleich erkennt er den Wert des zu versteigernden Hab und Gut und fragt sich, was der Haken wäre, wenn ausgerechnet das kleine Bowery Auction die Auktion zugesprochen bekäme. Und die Auktion wird zugesprochen, von einer alten Dame, der Schwester des Verstorbenen. Rilkes erhält einen speziellen Job: er soll den Dachboden, vielmehr das Arbeitszimmer des Verstorbenen ausräumen und entdeckt dabei nicht nur echte Raritäten der erotischen Hardcore-Literatur, sondern auch ausgesprochen altertümliche Snuff-Fotos. Diese bringen den alternden Auktionator vom Eigentlichen ab, nämlich der Vorbereitung der Auktion. Er muss der Geschichte der Snuff-Fotos nachspüren. Was ist mit der Frau darauf passiert? Auf den Boden des Auktionatorlebens bringt ihn immer wieder Rose, die Chefin von Bowery Auction zurück, zu der Rilke, in dem Vierteljahrhundert, dass er mit Rose verbrachte, eine liebevoll, distanziert, spöttische Beziehung unterhält, die ebenfalls bis zum überraschenden Ende des Romans trägt (und unterhält). Weitere Zutaten: Submilieus von Glasgow, insbesondere die Transvestiten-Szene und die Möglichkeiten einen Handel mit Sex aufzuziehen. Alles betrachtet mit den Augen des hageren, schon etwas verstaubten Rillkes.
Zitate
„In der Riege der nüchternen TVs ist Les die Ausnahme. Für manche besteht das bis zur Neige auszukostende Leben aus Bergwandern, Dichterlesungen und Bungee-Jumping im Dienste wohltätiger Einrichtungen. Für Les heißt das, die Klamotten zu tragen, die ihm gefallen, und sich regelmäßig zuzudröhnen.“
„Die Schmökerer schmökerten weiter. Jemand blätterte eine Seite um, ein Student entfaltete das knifflige Origami-Kunstwerke seiner Leseliste, ein älterer Herr beugte sein knirschendes Knie und näherte sich behutsam einem schmuddligen Buch, wobei ihm ein leiser Furz entfuhr.“
„Babyface Drummond, der sich wünscht, in einer anderen Zeit geboren zu sein. Der sich wünscht, nicht erwachsen werden zu müssen und hart daran arbeitet. Der in Geschirr und Besteck aus den Fünfzigern Picasso erblickt und Bakelit Gott. Babyface Drummond, berühmt in Ramschläden von hier bis Govan. Dern den über Dreißigjährigen Ironie verkauft.“
Persönliche Bewertung
Großartig! Louise Welsh eröffnet einen faszinierenden Jahrmarkt der Eitelkeiten und Perversionen
Ein großartiger Roman, der die Rezensentin beinahe ehrfürchtig Seite um Seite, Satz um Satz genießen ließ. Und sie an längst vergessene Bücher erinnerte. Da entblättert sich mitten im grauen, verregneten Glasgow, im den schmuddligsten Sexshop, unter Typen, die selten nüchtern das Tageslicht erblicken, im schäbigen Flohmarkt- Ramschmilieu, sozusagen am Bodensatz der Gesellschaft, wir es als Bezeichnung gewohnt sind, ein „Jahrmarkt der Eitelkeiten“ – und Perversionen, der seinesgleichen in der Literatur sucht. Man könnte fast meinen, man befände sich im „Bauch von Paris“ und nicht im kleinen Glasgow. Allein die Typen anzureißen, die Louise Welsh in ihrem Erstlingswerk!!! auf das Papier wirft, würde den Rahmen hier sprengen – aber sie alle zusammen lassen eine Welt lebendig werden, von der man eigentlich glaubt zu wissen, dass es sie nicht mehr geben kann, und doch ahnt, dass sie immer noch da ist und nie verschunden war. Einfach lesen! Den Krimi – mit überraschendem Ende – flicht Louise Welsh sozusagen als Beigabe in ihr „Antiquitätenkabinett“ ein.
- Originaltitel
- The Cutting Room
- ISBN10
- 3888973481
- ISBN13
- 9783888973482
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2004
- Gebundene Ausgabe
- 302 Seiten