Tage der Toten
Zusammenfassung zu “Tage der Toten”
Dieses Buch ist ein Epos, einen Zeitraum von dreißig Jahren umfassend. Handlungsort ist (vorwiegend) Südamerika und ab und an die Vereinigten Staaten. Es geht um Drogen und Krieg, um Drogenkartelle und Macht. Art Keller, einer der Hauptprotagonisten ist Halblatino und Katholik und er hat sich dem Krieg gegen die Macht der Drogenkartelle verschworen. Als Präsident Nixon 1973 – der Vietnamkrieg ist gerade vorbei – die Drogenbekämpfungsbehörde DEA in das Leben ruft, wechselt Keller, der glücklich verheiratet und Vater zweier Kinder ist, von der CIA zur neuen Behörde. In Mexiko lernt er die Brüder Adan und Raul Barrera kennen, sowie deren Onkel Tio Barrera, der Polizeichef des Bundesstaates ist und als Sonderbeauftragter des Gouverneurs mit der DEA zusammenarbeitet. Keller unterstützt Tio im Rahmen der Operation „Condor“ dabei, eine Bresche in das Imperium des mächtigen Drogenbarons Don Pedro Aviles Perez zu schlagen. Keller, Tio und Spezialagenten des mexikanischen Geheimdienstes Direción Federal de Seguridad lauern Don Pedro und seinen Männern auf. Doch statt einer Verhaftung, wie Keller es erwartet hätte, veranstaltet Tio zusammen mit den Federals ein Massaker. Keller hat also dem Polizeichef Tio Barrera dabei geholfen, die Nachfolge des alten Drogenbarons anzutreten. Sofort beginnt Tio das Drogengeschäft neu zu organisieren, es den veränderten – modernen – Zeiten anzupassen. Die neue Federación setzt nun auf Kokain anstatt auf Heroin wie Don Pedros es zu Bugsy Siegels Zeiten begonnen hatte. Keller hingegen versteht, dass er missbraucht wurde, und schwört Rache an Tio.
Szenenwechsel: Sean Callan und sein gleichaltriger Freund O-Bob sitzen in einer New Yorker Kneipe in ihrem Viertel. Und lästern über einen Mafiamord. Kurze Zeit später steht der Mörder von damals, Friel, vor ihnen und will O-Bob erschießen – weil er es wagte zu lästern. Callan ist schneller – und erschießt Friel. Eigentlich müssen O-Bob und Callan nun so schnell wie möglich fliehen – doch sie wissen nicht wohin, waren sie doch nie außerhalb ihres Viertels. Die Rettung kommt in Form von Big Paulie Calabrese daher, der die beiden, nach etlichen weiteren Morden, unter seinen Schutz stellt. Dafür arbeiten sie nun als Auftragskiller und Geldeintreiber, beziehungsweise was sonst noch so in der Mafia zu erledigen ist. 1981 taucht erstmals Nora Hayden auf, eine Edelprostituierte, in die Callen sich sofort verguckt. 1985, während des Erdbebens in Mexiko, lernt Nora wiederum Pater Juan kennen, mit dem sie in der Folge neun Jahre das Weihnachtsfest verbringt. Unzählige Tote später, und allen Machtverschiebungen zum Trotz, haben in Mexiko mittlerweile Adan und sein Bruder Raul das Geschäft mit den Drogen fest in der Hand. Tio hat sich durch seine Crack-Sucht (und die Sucht nach jungen Frauen) selbst aus der Schussbahn katapultiert. Bei einem der vielen Versuche, das Drogenkartell zu infiltrieren oder zu schwächen, oder was auch immer, wird Art Kellers Freund, Ernie Hidalgo gefoltert und getötet. Von nun an wird Kellers Feldzug gegen die Drogenbarone zur Besessenheit. Seine Frau verlässt ihn. Über Pater Juan lernt er jedoch Nora kennen, die später die Geliebte von Adan wird und zugleich der Schlüssel zur Zerschlagung Drogenkartell sein wird. Aber bis dahin gibt es noch unzählige Leichen. Unter anderem zwei Kinder, die nachdem ihre Mutter geköpft wurde, lebendig von einer Brücke geworfen werden. Am Ende dieses Epos- dreißig Jahre später – erhalten die Barrera-Brüder und auch Tio, der wundersamerweise wieder auftaucht, ihre Strafe. Kellers Rachefeldzug scheint gewonnen zu sein. Nur: „Der Mohn steht in voller Blüte. Knallorange. Knallrot. […] Etwa fünfzehn Minuten lang stockte der Drogenfluss, als Adan gefasst war. Dann war der Nachwuchs zur Stelle, und die Drogen flossen reichlicher als je zuvor. […] Und der Krieg geht weiter. […] Errette meine Seele vom Schwert, mein Leben von den Hunden!“
Wichtige Charaktere
- Art Keller
- Nora
- die Drogenbarone
- die CIA
Zitate
„Wer besitzt die Unabhängigkeit, die Macht, die moralische Autorität, um öffentlich zu enthüllen, dass sich die gesamte Regierung eines Landes von den Drogenkartellen kaufen ließ? Wer?“
„Milliarden werden dafür ausgeben, die Drogen von der durchlässigsten Grenze der Welt fernzuhalten. Vergeblich. Ein Zehntel des Budgets wird für Aufklärung und Therapien verwendet, neun Zehntel gehen in die polizeilichen Maßnahmen. Aber keiner hat das Geld, das Drogenproblem bei der Wurzel zu packen. Dann kommen noch die Milliarden, die es kostet, die Drogenkriminellen hinter Gittern zu halten, in Gefängnissen, die inzwischen so überfüllt sind, dass wir Mörder amnestieren müssen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass zwei Drittel aller ’nichtdrogenbezogenen‘ Straftaten unter Drogen- oder Alkoholeinfluss begangen werden. Unsere Antwort lautet: Noch mehr Gefängnisse, noch mehr Polizei, noch mehr Milliarden, die nicht einmal die Symptome überdecken können, während wir die Krankheit ignorieren. Eine Therapie kann sich nur leisten, wer eine gute Krankenversicherung hat. Aber wer hat die schon? Auf einen öffentlich geförderten Therapieplatz wartet man bis zu zwei Jahren. Wir geben fast zwei Milliarden Dollar aus, um Kokainfelder und die Menschen in Südamerika zu vergiften, aber das Geld für Therapien fehlt. Es ist der reine Irrsinn. Eine Tragödie, eine blutige Farce, mit der Betonung auf blutig.“
Persönliche Bewertung
Spannende Unterhaltungsliteratur ist dieser Thriller nur, wenn man verdrängt, dass Winslow eine wahre Geschichte erzählt.
Fünf Jahre lang hat der Autor Don Winslow, der selbst auf ein bewegtes Leben als Privatdetektiv, Geldschmuggler und Verkäufer von Safaritouren zurückblickt, für dieses Epos recherchiert. Aufgeteilt in fünf Akte, wie die klassische Tragödie, erzählt er die Geschichte des amerikanischen Drogenkrieges: Eine Geschichte von Regierungen, die gekauft werden, von Rebellen, die gekauft werden, von Operationen, die Kartelle zerstören sollen und dabei neue begründen. Von Milliarden an US-Dollars, die irgendwo versickern und von den unzähligen Toten, die dieser Krieg kostete. Es ist ein Roman darüber, dass es kein Gut und Böse gibt, weil jeder der in den Bannkreis dieses Krieges gerät, irgendwann zu sehr in den Strudel gezogen wird. „Wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen“, das ist die eigentliche Botschaft dieses meisterhaften Thrillers, der zugleich ein als Krimi daherkommendes Sachbuch über dreißig Jahre Krieg ist. Und weil die Fronten in diesem Krieg immer recht kompliziert verlaufen, ist es oft schwer, der Handlung zu folgen. Auf den ersten einhundertfünfzig Seiten war die Rezensentin versucht, das Buch beiseite zu legen. Einfach zu viele Leichen, zu viel Folter – alles irgendwie deprimierend! Doch dann beginnt die Farce des Drogenkrieges, die Perversion dieser tatsächlich stattgefundenen Geschichte ihren Bann zu entfalten. Kommt man an die Stelle, als Winslow das Erdbeben in Mexiko beschreibt, begreift man dessen grandiose Erzählkunst. Und dann will man doch wissen, wie es weitergeht. Ob es noch Hoffnung gibt. Obwohl der Padre stirbt. Die Geschichte endet klassisch, fast wie in Voltaires Stück „Candide“. „Und vielleicht das Beste, was wir auf dieser Welt tun können, […] Bestell deinen Garten und bewahre die Hoffnung auf Gott. Gegen jede Wahrscheinlichkeit.“
Fazit: Ein Historienepos über noch gar nicht Vergangenes. Ein Thriller über einen der längsten Kriege der Neuzeit – den Drogenkrieg und all seine vielen Operationen und all seine Grausamkeiten und seine sich wundersam wandelnde Logistik und über die Unzahl von Toten und Vergifteten und Verschollenen und Verzweifelten, denen dieser Krieg das Leben nahm.
- Originaltitel
- The Power of the Dog
- ISBN10
- 3518462008
- ISBN13
- 9783518462003
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2010
- Taschenbuchausgabe
- 690 Seiten