Die namenlosen Töchter
Zusammenfassung zu “Die namenlosen Töchter”
Einer Bauernfamilie in einem der unzähligen armen Dörfer Chinas ist das Leid geschehen, nur sechs Töchter und keinen Sohn zu haben. Nur „Esstäbchen (Mädchen)“ also und keinen einzigen „Dachbalken (Sohn)“. Ein schweres Los für die Eltern, die sich nicht mehr trauen, erhobenen Kopfes durch das Dorf zu gehen. Die Mädchen tragen keine Namen, sondern haben nur Nummern bekommen, denn Mädchen kosten nur Geld und bringen kein Ansehen. Manchmal ersäuft man sie auch direkt noch Geburt. Schwester Nummer Zwei zieht den Freitod der Zwangsverheiratung vor. Schwester Nummer Eins versucht Söhne zu bekommen. Da entscheidet sich Nummer Drei, ihr Glück in der Stadt zu versuchen. Eine ungewöhnliche Entscheidung, denn nur die Männer ziehen zum Arbeiten in die Städte. Drei wird von ihrem Onkel, der schon in der Stadt arbeitet, in ihrem Vorhaben unterstützt. Und siehe da – alles geht gut aus. Schnell findet Drei dank der Vermittlungsstelle „Unter der großen Weide“ eine Arbeit und damit ein Auskommen. Sie kann sogar ihr Talent ausleben und ihr Geld mit dem Dekorieren von Gemüse verdienen. Im Jahr darauf kann Drei ihre Schwestern Fünf und Sechs mit nach Nanjing nehmen. Auch die anderen beiden Mädchen finden sofort eine Arbeit, bei der sich auch noch wohl fühlen und entfalten können. Die eine arbeitet in einem Teehaus, in dem auch viele Ausländer verkehren und die andere Schwester, die Analphabetin ist, bekommt Arbeit in einem Wellnesstempel, wo sie bald eine unverzichtbare Hilfskraft wird. Es geht also bergauf. Wermutstropfen ist das „steinerne Herz“ von Drei, dass sich nicht von einer unglücklichen Verliebtheit zu erholen vermag. Aber, selbst das ist weniger schlimm, als in der Armut und Beschränktheit des Dorfes zu leben, wo die größte Hoffnung auf Ansehen darin besteht, Dachbalken zu gebären und das große Versagen darin, wenn es wieder bloß ein Stäbchen war. Aber: Ende gut, alles gut. Als die drei Mädchen zum Mondfest nach Hause zurückkehren, veranlasst der dicke Packen von Hundert Yuan Scheinen den Vater dazu, mit matter Stimme zu sagen: „Könnte es sein, dass unsere Stäbchen-Mädchen in Zukunft unser Dach tragen?“. Aber: hier ist Vorsicht mit dem Happy End geboten, denn am Schluss des Buches erzählt die Autorin Xinran auch noch die wahre Geschichte der drei Schwestern!
Wichtige Charaktere
- die drei Schwestern: Fünf, Sechs, und Drei
Zitate
„Sie waren zwar besorgt darüber, dass sie sich nach wie vor nicht fürs Heiraten interessierte und ihrem Ruf, ein Herz aus Stein zu haben, gerecht zu werden drohte, aber dass ihr das Stadtleben guttat, war nicht zu übersehen. Sie erschien ihnen wie ein Samenkorn, das sich zu einem Blumenkohl entwickelt hatte, wie eine Seidenraupe, die zu einem Schmetterling geworden war.“
„Auch die Unwissenheit der westlichen Teehausgäste erstaunte sie. Sie hatte in der Schule alles über die Geschichte der westlichen Länder gelernt. Sie wusste Bescheid über die dunkle Kolonialvergangenheit und die Ausbeutung der Sklaven durch die Briten …. Sie hatte sich mit französischen Basreliefs, mit den Ruinen des alten Rom und mit den griechischen Mythen beschäftigt und deshalb angenommen, dass Ausländer alles über Qin-Ziegel, Han-Fliesen, die Lyrik der Tang- und Song-Dynastie, die Vier Großen Erfindungen sowie über die Romane aus der Ming- und Qing-Dynastie wüssten.“
Persönliche Bewertung
Interessanter Roman über das Leben der chinesischen Stäbchenmädchen
Die Autorin, die jahrelang als Radiojournalistin arbeitete, schon mehrere Bücher schrieb, und seit 1997 in England lebt, unternimmt den Versuch, das Schicksal der millionenfach missachteten chinesischen Stäbchen-Mädchen aufzuzeigen. Frauen gelten in China immer noch als Arbeitsgeräte, die man benutzt und irgendwann wegwirft. Zunehmend versuchen diese Mädchen ihr Glück in den großen Städten, wo sie hauptsächlich als Bedienungen und Putzfrauen arbeiten. Xinran ist bewegt von diesem Schicksal und unternimmt erklärterweise den Versuch, für das Schicksal dieser Mädchen zu sensibilisieren. Das gelingt ihr in der ersten Hälfte des Textes zweifelsohne. Spannend erzählt, führt die Geschichte die drei Mädchen in die Stadt. Der Leser hat lebhaft an ihrem Erstaunen beteiligt, über all die –für uns simplen – Dinge, die es in der Stadt zu erleben gibt, wie beispielsweise die Tatsache, dass Frauen geschminkt sind, oder sich sogar an gewissen Stellen rasieren. Ab der zweiten Hälfte kippt das Buch jedoch, und der Text wird irgendwie fad, um nicht fast zu sagen ideologisch. Plötzlich herrscht Friede, Freude, Eierkuchen. Wie kann es sein, dass alle drei Mädchen sofort eine „saubere“ Arbeit bekommen, fernab von Prostitution und Ausbeutung? Als dann noch der Onkel durch Mithilfe der Arbeitgeber der Mädchen aus dem Gefängnis freikommt, kippt die Geschichte absolut in die Unglaubwürdigkeit ab. Warum die Autorin zum Schluss zu einem derart platten, übersteigerten Happy End greift, blieb der Rezensentin völlig verschlossen. Und nahezu vor den Kopf gestoßen fühlte sie sich, als sie von der tatsächlichen Geschichte der drei Mädchen hörte. Da verbleibt als Erklärung für das schematisch-platte, einfallslose Ende der Geschichte nur noch erheblicher Zweifel an der erzählerischen Begabung der Autorin. Oder wollte Xinran ein modernes Märchen schreiben – in der Tradition des europäischen Märchens?
Fazit: Roman über das Leben der chinesischen Stäbchenmädchen: interessant, aber leider mit einem unerträglich platten Happy End versehen, das erhebliche Zweifel an der erzählerischen Begabung der Autorin aufkommen lässt.
- Originaltitel
- Miss Chopsticks
- ISBN10
- 3426197723
- ISBN13
- 9783426197721
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2007
- Gebundene Ausgabe
- 333 Seiten