Das Lügenhaus

Autoren
Übersetzer
Gabriele Haefs
Verlag
btb Verlag
Anspruch
5 von 5
Humor
3 von 5
Lesespaß
5 von 5
Schreibstil
4 von 5
Spannung
4 von 5

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Zusammenfassung zu “Das Lügenhaus”

„Lügenhaus“ ist der erste Band der Neshov-Familien-Triologie, in der es sich um eine norwegische Familiensaga handelt. Erzählt wird die Geschichte einer Bauernfamilie, die aus dem kleinen Nest Bynset bei Trondheim stammt. Einer der drei Brüder, der Schweinezüchter Tor, führt den Bauernhof der Familie weiter. Vater und Mutter haben mittlerweile das ehrbare Alter von fast 80zig Jahren erreicht, was die Mutter nicht hindert, mit eiserner Sparsamkeit den Haushalt zu führen, wenngleich auch mehr schlecht als recht, was jedoch weder Sohn noch Vater auffällt oder zu stören scheint. Tor gehorcht seiner Mutter blind und ist nicht in der Lage über den Horizont seines Schweinestalls hinaus zu blicken, in dem er Liebe und Wärme sucht, und scheinbar auch findet.

Der zweite Sohn, Margido, hat den Beruf eines Leichenbestatter ergriffen. Den Glauben an Gott hat er längst verloren. Berufliche Professionalität gibt ihm Halt in einem ansonsten wenig ausgefüllten Leben. Mit Frauen und der Liebe hatte Margido nie etwas am Hut. Er ist noch Jungfrau.

Erlend ist der dritte und Jüngste im Bunde. Schon früh, nach dem Tod des Großvaters ist er aus dem extrem homophoben Milieu des Dorfes nach Dänemark, in die Hauptstadt Kopenhagen, geflüchtet. Dort gelingt es ihm, die Liebe seines Lebens, den Chefredakteur Krumme zu treffen, und in seinem Leben zu halten. Erlend lebt für die Liebe und den Genuss, für Schokolade und Svarovski-Figuren und spricht dabei dem Alkohol mehr als reichlich zu.

Der Schlaganfall und darauf folgende Tod der Mutter führt alle drei Söhne wieder auf dem Hof zusammen, mit dabei die uneheliche Tochter von Tor, die Hundetrainerin Torunn, die bis dato kaum jemand aus der Familie kannte, andersherum stellt sich die Sache genauso da. Am Weihnachtsabend, als es an der Zeit ist, die Verteilung des Erbes zu besprechen, das nur aus dem heruntergekommenen Gehöft besteht, kommt der Vater der drei Jungen, angeregt vom Alkohol, den er sonst nie bekam, einmal in seinem Leben zu Wort und enthüllt eine Geschichte, die erklärt, warum die Mutter ihn zeit ihres Lebens mit Verachtung strafte.

Wichtige Charaktere

  • drei Brüder: ein Schweinezüchter, ein Bestattungsunternehmer, ein Schaufensterdekorateur
  • die Mutter, der Opa und der Vater
  • die Tochter des Schweinezüchters

Zitate

„Krumme im Matrixmantel, dass wäre, wie einen Badeball mit einem engen Muff zu überziehen, der Ball würde nach beiden Seiten herausquellen. Der Mann war eins sechzig, sein Kampfgewicht unbekannt, und nackt sah er aus wie eine große Kugel auf zwei Stöckchen mit einer kleineren Kugel, die auf der großen balancierte.“ (S. 54)

„Aber es gab vieles an den Kühen, was er vermisste. Nicht zuletzt zu ihnen in den Stall zu kommen wie jetzt zu den Schweinen. Zu den Gerüchen und Geräuschen der Kühe. …Und zu den Augen der ältesten Milchkühe, es gefiel ihm, wie sie ihn empfingen, weit offen und blankbraun unter den Stirnhaaren, darunter die Wangen waren warm und rau, immer drehte er nach dem Melken eine Runde und begrüßte alle …Er hatte das Gefühl, dass er ihnen etwas zurückgeben sollte, wo er so viel von ihnen bekam.“ (S. 86)

Alle Bücher der Neshov-Triologie:

Band 1: Das Lügenhaus, Erstveröffentlichung 2007
Band 2: Einsiedlerkrebse, Erstveröffentlichung 2008
Band 3: Hitzewelle, Erstveröffentlichung 2009

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Leseprobe

Persönliche Bewertung

Aufregend anregender Roman, der spielerisch in eine versunkene Welt entführt

4 von 5

Schon der erste Band der Trilogie von Anne B. Radge, die 1957 in der Nähe von Trondheim, dem Handlungsort des Buches geboren wurde, war in Norwegen ein Bestseller, wurde mit dem norwegischen Buchhandelspreis und dem Norwegian Language Prize geehrt und inzwischen in mehr als 15 Sprachen übersetzt. Beeindruckend ist der Roman zweifelsohne. Zuerst, weil man kaum glaubt, dass es derart skurrile Gestalten wie diese drei Brüder auf dieser Welt noch geben könnte, und schon gar nicht in einem ihrer reichsten Länder. Sodann ist man überrascht von der Spannung, die eine Erzählung aufrechterhält, die eigentlich nur vom Tod, von erfüllter oder unerfüllter Liebe, und von erbärmlichen Leben auf einem runtergekommenen Bauernhof handelt, nebenbei aber immerhin noch in die durch und durch designte Welt des in Kopenhagen lebenden Erlend entführt. Seitenlange Beschreibungen über das Gefühlsleben von Schweinen oder die Kunst ein Schaufenster zu dekorieren, liest man, als würden einen diese Themen schon immer interessieren. Irgendwann versteht der Leser oder die Leserin, zumindest erging es der Rezensentin so, dass dieser Roman von allgegenwärtigen Konflikten des Lebens erzählt, im Besonderen natürlich von dem Mutter-Sohn-Konflikt, der im Fall der drei Brüder seine Auflösung erst nach dem Tod der dominanten Mutter finden kann. Und auch erst dann finden konnte, denn dem Tod wohnt es inne, Brüche zu erzeugen und Wahrheiten an das Licht bringen. Faszinierend dabei die einfühlsame, detailreiche Sprache der Autorin. Es gelingt ihr mühelos, die absonderlichen Charaktere der Hauptpersonen zum Leben zu erwecken und dabei subtil ihre Botschaft an den Mann zu bringen, die irgendwie von der Weisheit des Lebens handelt – ohne diesen Punkt an dieser Stelle genauer spezifizieren zu wollen. Ein aufregend anregendes Buch, das in einer Welt spielt, die längst versunken scheint, und trotzdem spielerisch den Kern von Lebensfragen, die ein jeder mit sich herumträgt, berührt.

Originaltitel
Berlinerpoplene
ISBN10
3442751934
ISBN13
9783442751938
Dt. Erstveröffentlichung
2005
Gebundene Ausgabe
318 Seiten