Interview mit Stefan Bachmann

Interview mit Stefan Bachmann

Stefan Bachmann hat uns im Buchhexe-Interview einige Fragen zu seinem im Schweizer Diogenes Verlag erschienenen Debütroman "Die Seltsamen" beantwortet, u.a. was für ihn einen guten Fantasyroman ausmacht.

In der Früh­lings­vor­schau des Dio­ge­nes-Ver­lags war uns ein Buch beson­ders auf­ge­fal­len. Es hat­te eine Dio­ge­nes-unüb­li­che rot­far­be­ne Auf­ma­chung und es war ein Roman, der Steam­punk und Fan­ta­sy ver­mischt: „Die Selt­sa­men“. Als wir dann noch lasen, dass die­ses Buch von einem damals erst 16-Jäh­ri­gen Schwei­zer geschrie­ben wur­de, der in Ame­ri­ka damit bereits zum Best­sel­ler-Autor wur­de, war unse­re Neu­gier­de ent­gül­tig ent­fes­selt. Da das Buch uns nach­hal­tig beein­druckt hat, freu­en wir uns umso sehr, Ste­fan Bach­mann für ein Inter­view gewon­nen zu haben.

Mein Schreib­stil in „Die Selt­sa­men“ stammt von den Büchern, die ich als Kind ger­ne las.“

Buch­he­xe: Du bist noch sehr jung. Wie erklärst du dir, dass du schon so früh ein so beein­dru­ckend aus­ge­präg­tes Sprach­ge­fühl ent­wi­ckelt hast, das ande­re Autoren ihr gan­zes Leben nicht erreichen?

Ste­fan Bach­mann: Also erst­mal vie­len Dank, dass Du es so siehst! Mein Schreib­stil in „Die Selt­sa­men“ stammt von den Büchern, die ich als Kind ger­ne las. Die­se waren oft recht alt­mo­di­sche Wer­ke mit schö­ner Spra­che und Atmo­sphä­re, und als ich dann anfing, sel­ber zu schrei­ben, woll­te ich auch ver­su­chen, etwas in einem Stil zu schrei­ben, den ich sel­ber ger­ne lesen würde.

Buch­he­xe: Wo bekommst du dei­ne Ideen? Wann schreibst du am liebsten?

Ste­fan Bach­mann: Ich weiss nicht, wo ich mei­ne Ideen her­neh­me, aber mei­ne Inspi­ra­tio­nen haben oft gar nichts mit dem End­re­sul­tat zu tun, das dann im Buch steht. Ich sehe z.B. eine Roll­trep­pe, die ein schar­fes, knat­tern­des Geräusch macht, und dann zehn Minu­ten und eine sehr wir­re Gedan­ken­ket­te spä­ter ist dar­aus etwas ganz ande­res gewor­den. Die Ideen, die ich am bes­ten fin­de, kom­men aber sehr spon­tan beim Schreiben.

Wann ich schrei­be: Ich habe im Moment lei­der wenig Zeit, schrei­be also fast immer am Abend und in der Nacht.

Buch­he­xe: Wel­chen Cha­rak­ter aus dei­nem Buch fin­dest du beson­ders interessant?

Ste­fan Bach­mann: Die Frau im pflau­men­far­be­nen Kleid ist recht tra­gisch, fin­de ich. Und obwohl sie nur etwa drei Sät­ze im gan­zen Buch spricht, ist sie für mich doch eine inter­es­san­te Schlüsselfigur.

Ich den­ke, dass Teil­chen von mir in allen mei­nen Figu­ren ste­cken, sonst könn­te ich sie nicht wirk­lich schreiben.“

Buch­he­xe: Wie­viel von dir selbst steckt in Bar­tho­lo­mew Kett­le – oder iden­ti­fi­zierst du dich eher mit Mr. Jelliby?

Ste­fan Bach­mann: Ich den­ke, dass Teil­chen von mir in allen mei­nen Figu­ren ste­cken, sonst könn­te ich sie nicht wirk­lich schrei­ben. Ich iden­ti­fi­zie­re mich aber schon mehr mit Mr. Jel­li­by, als mit Bartholomew.

Buch­he­xe: War Mr Jel­li­by von Anfang an zum Hel­den bestimmt oder hat die Figur ein Eigen­le­ben entwickelt?

Ste­fan Bach­mann: Ich wuss­te vor­her schon, was aus ihm wer­den muss. Ich woll­te, dass er am Anfang fast ein biss­chen nervt mit sei­nem pri­vi­le­gier­ten Leben und ego­is­ti­schen Dasein, und dann woll­te ich, dass er nach und nach merkt, dass er auch eine Ver­ant­wor­tung hat, und wenn er ein Held wer­den will, genau­so selt­sam wie Bar­tho­lo­mew sein muss. Detail­liert im Vor­aus geplant war aber nicht vie­les im Buch, ein gewis­ses Eigen­le­ben hat er also schon entwickelt.

Ich fin­de, das soll­te jedem ein­zel­nen Leser über­las­sen sein, was er aus dem Buch herausliest.“

Buch­he­xe: Inter­pre­tie­ren wir zu viel in „Die Selt­sa­men“ hin­ein, wenn wir dem Buch poli­ti­sche Anspie­lun­gen unter­stel­len? (Z.B. durch die Kon­flik­te zwi­schen Feen und Men­schen im Rat oder die Stel­lung der Mischlinge)?

Ste­fan Bach­mann: Also, ich fän­de es cool, wenn die Leu­te neben der Geschich­te etwas dar­aus gewin­nen kön­nen, aber ich den­ke, die Geschich­te soll­te im Vor­der­grund ste­hen. Ich fin­de, das soll­te jedem ein­zel­nen Leser über­las­sen sein, was er aus dem Buch her­aus­liest. Für mich ent­hält das Buch schon bestimm­te The­men und Par­al­le­len zur ech­ten Welt, die mich inter­es­sie­ren und bewe­gen, aber nicht unbe­dingt politische.

Buch­he­xe: Hast du eine Lieb­lings­sze­ne in dei­nem Buch?

Ste­fan Bach­mann: Hmm. Viel­leicht als Mr Jel­li­by und Bar­tho­lo­mew zum ers­ten Mal auf­ein­an­der stos­sen? Oder auch die Sze­ne, wo Mr Jel­li­by von sei­nem Haus atta­ckiert wird.

Ich kom­po­nier­te jeden Satz sehr vor­sich­tig und es ging daher seeeeehr lang­sam vor­an, dafür aber recht präzise.“

Buch­he­xe: Gibt es noch viel Roh­ma­te­ri­al, das es nicht ins Buch geschafft hat?

Ste­fan Bach­mann: Eigent­lich nicht. Ich schrieb damals ganz anders als jetzt. Ich kom­po­nier­te jeden Satz sehr vor­sich­tig und es ging daher seeeeehr lang­sam vor­an, dafür aber recht prä­zi­se. Jetzt schrei­be ich eher schnell und polie­re nach­her, denn ich den­ke, in einem Buch ist der Zusam­men­hang wich­ti­ger als die ein­zel­nen Tei­le, und wenn der Zusam­men­hang sitzt, dann kann man nach­her gut noch die Details ver­bes­sern. Das Resul­tat ist, dass ich jetzt beim Über­ar­bei­ten sehr viel weg­schnei­de. Bei „Die Selt­sa­men“ war das nicht so.

Buch­he­xe: Eine ent­schei­den­de Rol­le in dei­nem Buch spielt ein mecha­ni­scher Vogel, zudem gibt es ein Luft­schiff. Woher kommt dei­ne Fas­zi­na­ti­on für „Steam­punk“?

Ste­fan Bach­mann: Das Steam­punk-Ele­ment kommt meis­tens von Fil­men und viel­leicht 2-3 Büchern. Vor allem bei Dis­ney fin­de ich super, wie sie Steam­punk in ihre Fil­me ein­ge­baut haben (Atlan­tis z.B. oder Tre­a­su­re Planet).

Wenn ich gestresst bin, dann koche ich mir immer etwas.“

Buch­he­xe: Was machst du, wenn du nicht gera­de schreibst oder auf einem dei­ner fünf Instru­men­te musizierst?

Ste­fan Bach­mann: Ins Kino gehen, lesen, wan­dern, nichts­tun mit Freun­den, kochen. Wenn ich gestresst bin, dann koche ich mir immer etwas. Das ist irgend­wie sehr beru­hi­gend für mich.

Buch­he­xe: Was macht für dich ein gutes Fan­ta­sy­buch aus?

Ste­fan Bach­mann: Für mich braucht es einen Plot und Ein­falls­reich­tum, und das Gefühl, dass man etwas ent­deckt, das man nie zuvor gese­hen hat.

Buch­he­xe: Hast du lite­ra­ri­sche Vorbilder?

Ste­fan Bach­mann: Nicht wirk­lich, aber ich bewun­de­re sehr vie­le Autoren, und von ein paar bin ich tota­ler Fan. J.R.R. Tol­ki­en zum Bei­spiel. Ich schrei­be lei­der nicht wie er, aber wie er Tie­fe und eine aus­ge­präg­te Melan­cho­lie in sei­ne Welt hin­ein­schweisst, fin­de ich wahn­sin­nig gut.

Buch­he­xe: Wie sam­melst Du dei­ne Ideen? Hast du immer Stift und Notiz­buch dabei?

Ste­fan Bach­mann: Nein, ich ver­ges­se lei­der immer sie mit­zu­neh­men. Ich ver­su­che, neue Ideen im Kopf zu behal­ten, bis ich zu mei­nem Com­pu­ter oder Note­book komme.

Im Moment emp­feh­le ich allen „Die Pup­pen­kö­ni­gin“ von Hol­ly Black.“

Buch­he­xe: Ver­folgst du ande­re Autoren? Wel­che Bücher wür­dest du uns und den Buch­he­xe-Lesern empfehlen?

Ste­fan Bach­mann: Ja! Ich habe in letz­ter Zeit so vie­le gute Bücher gele­sen. Im Moment emp­feh­le ich allen „Die Pup­pen­kö­ni­gin“ von Hol­ly Black. Es ist eine schö­ne und trau­ri­ge und ein klein biss­chen dunk­le Geschich­te. In den USA hat es gera­de den New­be­ry Honor gewon­nen, was es total ver­dient hat, fin­de ich.

Buch­he­xe: Im Herbst erscheint beim Dio­ge­nes Ver­lag bereits die über­setz­te Fort­set­zung zu „Die Selt­sa­men“. Auf wie vie­le Bän­de ist die Rei­he ausgelegt?

Ste­fan Bach­mann: Zwei. Dann ist sie fer­tig. Ich habe lei­der nicht die Geduld, eine Geschich­te über 4-7 Bücher aus­zu­spin­nen, denn ich will unbe­dingt vie­le ande­re Cha­rak­te­re und Ideen aufschreiben.

Buch­he­xe: Wor­an arbei­test du aktuell?

Ste­fan Bach­mann: Har­per­Col­lins hat drei wei­te­re Bücher von mir unter Ver­trag genom­men, alle Stan­da­lo­nes, also nicht Teil einer Serie. Ich schrei­be gera­de am drit­ten von die­sen Büchern, und polie­re das zwei­te. Ich schrei­be jetzt an mei­nem fünf­ten Buch.

Buch­he­xe: Wenn du magst, schreib uns spon­tan den fol­gen­den Geschich­ten­an­fang weiter:

Der Gesichts­aus­druck des Mäd­chens im Kos­tüm einer jun­gen Buch­he­xe wech­sel­te im Bruch­teil einer Sekun­de von belus­tig­tem Unglau­ben zu sprach­lo­sem Entsetzen…

Ste­fan Bach­mann: …denn was vor ihr auf dem Boden sass, war nicht mehr ihr alter ver­beul­ter Kes­sel, son­dern ein selt­sa­mer eiser­ner Frosch mit auf­ge­ris­se­nem Maul, der offen­bar gera­de dar­an war, an dem sma­ragd­grü­nen Schleim zu ersti­cken. „Das war wohl der fal­sche Zau­ber­spruch,“ sag­te die Buch­he­xe lei­se, und krem­pel­te die Ärmel hoch…

Porträt - Stefan Bachmann

© Ger­ry Nitsch

Wir war­ten nun unge­dul­dig auf die im Herbst erschei­nen­de Fort­set­zung der Selt­sa­men und wer­den gespannt die wei­te­re Lauf­bahn Ste­fan Bach­manns ver­fol­gen, dem wir alles Gute wün­schen und ihm herz­lich für das inter­es­san­te Inter­view danken.