Interview mit Jérôme Eckmeier
Die Buchhexe war zu Gast beim gelernten Koch und Kochbuchautor Jérôme Eckmeier in Leer und hat ihn zu diesem Anlass mit Fragen über Essen, Veganismus und Freizeit gelöchert.
Auf Jérôme Eckmeier wurden wir 2012 sowohl durch sein Rock’n’Roll Veganer Kochbuch, als auch durch seine Kochshow bei YouTube aufmerksam. Rock’n’Roll und vegan – allein diese Kombination machte uns als vegane Rock’n’Roll Fans neugierig! Als gelernter Koch und Lebensmitteltechniker hat Jérôme Eckmeier vielen veganen Kochbuchautoren und -autorinnen die klassische Ausbildung voraus, und auch seine Rezepte überzeugen durch Bodenständigkeit und Alltagstauglichkeit. Diesen Herbst erschien sein zweites Kochbuch „Vegan: Tut gut – schmeckt gut!“ im Dorling Kindersley Verlag. Grund genug, dem ehemaligen Chefkoch des Vegetarierbundes, der sich langjährig im GV-nachhaltig Projekt engagiert, einige Fragen zu stellen. Da das Interview vor Ort in Leer stattfand (wo wir sehr herzlich empfangen und mit köstlichem Smoothie und „Butter“kuchen bewirtet wurden!), ist es deutlich länger geworden als unsere anderen Interviews, doch der Aufwand hat sich gelohnt, wie wir finden. Aber lest selbst!
Buchhexe: Welches veganisierte Gericht war bisher die größte Herausforderung für dich? Gibt es vielleicht sogar ein Gericht, dessen Veganisierung dich vor unlösbare Schwierigkeiten gestellt hat?
Jérôme Eckmeier: Schwierige Frage. Wo ich am längsten drangesessen habe, waren meine Rouladen, wo ich ganz lange mit Seitan experimentiert hab, bis ich nachher auf die einfachste Lösung mit Big Steaks gekommen bin. Sauerbraten hat auch ziemlich lange gedauert. Wie ihr schon merkt, bin ich der Spezialist für Fleischalternativen. Aber ich denke: 2011 gab es laut einer Studie einen Fleisch-Pro-Kopf-Verbrauch von 90 Kilo und ich denke, da sind Fleischalternativen völlig legitim.
Buchhexe: Vegan ist derzeit eine Riesenwelle. Viele probieren es aus. Erlebst du es als Trend oder meinst du, dass es eine Bewegung ist, die anhält? Oder geht es wieder rückwärts?
Jérôme Eckmeier: Vielleicht geht der Trend-Veganismus ein bisschen zurück, aber ich denke, das hat sich vermischt. Das erlebe ich selbst immer auf den veganen Festen, dass Trend-Veganer sich mit politisch-ethisch motivierten Veganern vermischen. Ich bin fest davon überzeugt, dass in 10 Jahren vegan überhaupt kein „Problem“ mehr sein wird in Deutschland, dass man noch einfacher Sachen bekommt, noch einfacher Sachen gelabelt werden.
„Ich bin ein totaler Bärlauch-Freak.“
Buchhexe: Welche Zutaten sind in der täglichen Küche für dich unverzichtbar? Für uns sind das z.B. gutes Olivenöl und Soja-Reis-Milch.
Jérôme Eckmeier: Bei mir ist es auch die Soja-Reis-Milch, für mich gehört die mit in den Kaffee. Wenn ich die morgens nicht bekomme, dann fängt mein Tag nicht gut an. Die gehört für mich immer dazu. Und was für mich immer noch mit in meine Küche gehört ist irgendwas mit Bärlauch, ich bin ein totaler Bärlauch-Freak. Und ich sammel auch Öle.
Buchhexe: Was ist dein Lieblingsöl?
Jérôme Eckmeier: Mein Lieblingsöl? Ich mag eigentlich alle. Ich find aromatisierte Öle gut, mit Wildkräutern, da fahr ich grade total drauf ab. Wildkräutergewürze find ich schon echt cool. Manchmal der Preis, da ist immer die große Kritik man könnte alles selber machen. Ich finde es halt cool, z.B. ein Bärlauch-Salz mit handgepflücktem Bärlauch kostet natürlich um die 5 Euro, aber man muss auch sehen, wie oft verwende ich das? Dann hält das vielleicht ein Jahr. Da finde ich das in Ordnung. Ich rauche nicht, ich trinke nicht, von daher ist es für mich legitim. Bei uns hat Ernährung einen höheren Stellenwert als wahrscheinlich in anderen Haushalten.
Buchhexe: Sollte ja auch eigentlich überall so sein. Wenn man mal so überlegt…
Jérôme Eckmeier: In ein Auto packt man ja auch gutes Öl, da willst du ja auch nicht ein Billig-Öl. Aber das ist halt nicht dein Auto, sondern dein Körper.
Buchhexe: In deinen Videos sieht man, dass du viel mit Bio-Produkten kochst. Worauf legst du sonst noch Wert, wenn du Zutaten kaufst?
Jérôme Eckmeier: Ich gucke immer, dass ich möglichst regionale und saisonale Zutaten kaufe. Ich probiere, immer alles in Bio-Qualität zu kriegen. Nicht weil es besser schmeckt, sondern weil ich denke, dass es gesünder für uns ist, wenn keine Herbizide oder Pestizide drauf sind. Auf konventionellen Gewürzen beispielsweise sind sogar Fungizide.
„Wenn man zufrieden mit seinem Leben ist, dann hat man unglaublich viel Energie.“
Buchhexe: Du bist sehr umtriebig. Kochbuch, Messen, Videos, neue Rezepte, Kochkurse usw. Was ist dein Geheimnis?
Jérôme Eckmeier: Ich glaube ich bin hyperaktiv. Wenn ich noch dünner wäre, wäre es noch schlimmer. Ich glaube, wenn man etwas macht, wenn man zufrieden mit seinem Leben ist, dann hat man unglaublich viel Energie, wenn man was wieder kriegt. Mich erfüllt das, was ich mache. Ich habe eine echt gute Beziehung, wir stehen füreinander ein. Es gibt auch Tage, wo ich einfach nur faul bin, wo ich auch mal mir die Ruhe gönne, einen Film gucke oder ein Buch lese.
Buchhexe: Du hast also noch Zeit für Hobbys?
Jérôme Eckmeier: Ja, ich lese total gerne. Ich gehe gerne zum Karate und Kickboxen und zum Fitness-Training.
Vorbilder? – „Elvis Presley natürlich!“
Buchhexe: Wer oder was inspiriert dich? Hast du Vorbilder?
Jérôme Eckmeier: Ja klar. Bezogen aufs Kochen große Köche wie Paul Bocuse, das waren meine Vorbilder, weshalb ich Koch werden wollte. Ansonsten habe ich eigentlich keine großen Idole oder Vorbilder. Aus dem Familienkreis wohl meine Eltern, aber ansonsten? Elvis Presley natürlich!
Buchhexe: Und woher holst du dir neben deiner umfassenden Kochbuchsammlung Inspiration für deine Kochbücher?
Jérôme Eckmeier: Vieles entsteht einfach, wenn ich im Supermarkt was entdecke, was ich nicht kenne, bin ich gezwungen das zu kaufen. Im Internet gucke ich dann auch als Koch, was man damit macht. Gerade jetzt, wo die schnellen Verkehrswege immer neue Sachen möglich machen, gucke ich z.B., was man mit einer Kochbanane macht. Ich gucke mir auch gerne an, wo die vegane Küche schon länger vertreten ist, z.B. in Indien, gucke ich mir gerne die Blogseiten an, was es da für tolle Gerichte gibt. Manchmal sehe ich ein Gericht und denke, da würde das und das besser passen und passe sie dem europäischen Geschmack an. Die größte Inspiration ist für mich das Einkaufen. Ich gehe gerne einkaufen. Ich habe fünf Töchter und gehe gerne mit denen einkaufen.
Buchhexe: Was würdest du für eine Hexenparty kochen oder backen?
Jérôme Eckmeier: Wenn die Kinder eine Hexenparty machen, würde ich auf jeden Fall Nudeln machen, die aussehen wie Spinnen, also durch Würstchen ziehen und würde wahrscheinlich einen coolen Kürbiskuchen backen. Was ich mal für eine Hexenparty gemacht habe: Ich habe eine Torte gemacht, mit Sauerkirschen angedickt als Blut drüber und aus gelatinefreier Götterspeise eine blaue Hand gemacht, die da raus kommt. Man muss die Hand ein- und anfrieren, dann kann man die Finger umknicken, dann kann man den Handschuh abmachen und hat eine Eishand. Löffelbiscuit als Finger mit einer Mandel drauf. Oder Äpfel, die in Spalten geschnitten werden und da kommen Mandelsplitter rein. Das sieht dann aus wie Pac-Man mit Zähnen.
„Absolut jeder, der mal in einer Schlachterei war, weiß: Es ist Unrecht am Tier und es ist auch Unrecht am Menschen.“
Buchhexe: Erzähl uns bitte kurz von deinen Werdegang zum veganen Koch.
Jérôme Eckmeier: Während ich meine Meisterprüfung gemacht habe, da war ich Vegetarier. Das ist zu den Ausbildungsleitern der Hotelfernschule in Frankfurt durchgedrungen. Da hatte ich wirklich Probleme. Ich musste auch Fleischgerichte zubereiten und abschmecken, da kommt man nicht drum rum. Zwischenzeitlich habe ich auch Fleisch gegessen in der Ausbildung, aber minimal. Auch beim Studium, als ich schon vegan gelebt habe, habe ich als vegetarischer Mietkoch gearbeitet, weil wir von dem Geld, was wir bekommen haben, nicht leben konnten. Deshalb war ich auch froh, als es irgendwann mit den veganen Projekten so weit vorangegangen ist, dass man auch teilweise seinen Lebensunterhalt damit bestreiten konnte.
Buchhexe: Wie siehst du die Perspektive für eine vegane oder vegetarische Kochausbildung in der Zukunft?
Jérôme Eckmeier: Die Strukturen allgemein sind noch zu verbohrt. Ich kann es mir eher vorstellen als Zusatzqualifikation, das ist in naher Zukunft greifbar, dass man, wenn man Koch traditionell gelernt hat, den vegan-vegetarischen Koch als Zusatzqualifikation anbietet. Das wird kommen, definitiv.
Ich bin der festen Überzeugung, man muss Strukturen aufbrechen, deshalb bin ich auch seit Jahren im GV Nachhaltigkeitsprojekt aktiv. Man muss den Leuten zeigen: Vegan ist nichts schlimmes, es hat nichts mit Verzicht zu tun, es ist auch nicht teurer, wie es in den Köpfen immer noch ist. Weil wir in so ’ner Billig Gesellschaft leben, bei uns hat Essen wenig Wert. Ein Diensthund der Polizei hat einen höheren Tagessatz als ein Hartz IV Empfänger. Ab dem Punkt braucht man einfach nicht mehr weiter diskutieren. So sieht‘s aus in Deutschland. Da muss man auch mal das System hinterfragen. Da läuft doch irgendwas schief. Ich finde, Essen muss nicht unbedingt billig sein, essen muss qualitativ hochwertig sein und vor allem gesund.
Wenn ich das einmal kurz sagen darf, ich stell mir das immer so vor: Wenn wir uns einmal zurückversetzen und nachdenken, dann denken wir immer: Mein Gott, wie haben die damals gelebt, mit Kutschen, weite Wege, man hatte vielleicht kein warmes Wasser. Ich denke einfach, in 300 bis 400 Jahren wird das so sein, dass die Leute sagen: Gott, was für Barbaren, die haben da noch Fleisch gegessen. Das wird kommen, da bin ich so fest von überzeugt.
Absolut jeder, der mal in einer Schlachterei war, weiß: Es ist Unrecht am Tier und es ist auch Unrecht am Menschen. Die Menschen, die da arbeiten… deshalb freue ich mich, dass die ganzen Berichte über die furchtbaren Bedingungen rausgekommen sind, wie auch die Menschen da arbeiten. So was Grausames zieht auch grausame Arbeitsbedingungen nach sich.
„Für die Köche, die ich schule, bin ich erst total doof, aber nach einer halben Stunde bin ich einer von ihnen.“
Buchhexe: Als gelernter Koch unterscheidest du dich von den meisten anderen bekannten veganen Köchen und Kochbuchautoren und -autorinnen. Wo hilft dir deine Kochausbildung bei deiner Arbeit jetzt?
Jérôme Eckmeier: Im GV Nachhaltigkeitsprojekt zum Beispiel. Wenn ich da hinkomme, haben die Köche schon acht, neun Stunden gearbeitet. Die haben ihre Küche gerade sauber, und dann müssen die noch drei, vier Stunden ein Seminar belegen. Jetzt ist für die schon ein vegetarischer Koch unerträglich. Und dann kommt noch ein veganer Koch. Und da hilft mir einfach die Empathie, ich weiß, wie die sich fühlen, aber auf der anderen Seite hilft mir auch einfach mein Handwerk, die sehen an der Schnitttechnik, dass ich mit meinem Werkzeug umgehen kann. Das hilft mir total viel. Ich kenne die Abläufe in der Küche, ich weiß wie die ihre Sachen lagern, das hilft mir unheimlich weiter. Für die bin ich erst total doof, aber dann so nach einer halben Stunde bin ich einer von denen, weil ich als Gastkoch einen halben Tag mit denen kochen darf, und meistens gibt es noch eine Folgeschulung.
Buchhexe: Woher kommt der Name Rock’n‘Roll Veganer? Welche Musik hörst du beim Kochen?
Jérôme Eckmeier: Ich bin mit Elvis aufgewachsen. Mein Vater hat ganz viele Rock’n‘Roll Platten. Wenn ich koche, da höre ich am liebsten Radio, weil ich Nachrichten höre, aber schon einen rockigen Sender.
Buchhexe: Hast du schon in deiner Kindheit / Jugend angefangen zu kochen oder wann hat sich das entwickelt?
Jérôme Eckmeier: Ich kann mich daran erinnern, mit 12, 13, hat mein Vater erzählt, da hat es angefangen, da habe ich die Mädels mit nach Hause gebracht und zu Hause immer Pizza für die gemacht. Oder Nudeln, halt einfache Gerichte. Das kam immer echt gut an, weil andere Jungs wahrscheinlich eher Kino oder Film gucken angeboten haben.
Buchhexe: Und wo kam nun der Name her?
Jérôme Eckmeier: Ach so, genau. Wir haben die Rock‘n‘Roll Veganer Kochshow und der Name hat sich aus mir und Stefan, einem Koch bzw. Bäcker zusammengesetzt, denn er hat eine Rock‘n‘Roll Band und dann dachten wir: Du bist Veganer, wir sind Rock’n‘Roller, dann ist es unsere Rock’n‘Roll Veganer Koch- und Backshow.
Buchhexe: Und der Name ist geblieben?
Jérôme Eckmeier: Genau, den habe ich dann übernommen.
„Ich versuche, immer bodenständig zu sein, immer, immer, immer, immer.“
Buchhexe: Wie gehst du mit Kritik und Anfeindungen um, die doch teilweise sehr heftig und beleidigend ausfällt? Gibt es manchmal auch konstruktive Kritik, die dir in deiner Arbeit weiterhilft?
Jérôme Eckmeier: Also konstruktive Kritik gibt es beinah täglich, schon allein wegen der sozialen Netzwerke. Je nach aktueller Tageslaune / Stimmung gehe ich auf die Anfeindungen ein, manchmal habe ich aber auch kein Problem damit, dann kann ich die ignorieren. Aber manchmal ist es wirklich so persönlich, da bin ich auch selber emotional und will die Anfeindungen zurückgeben, aber eigentlich stehe ich da drüber. Es ist so: Je mehr Leute du hast, die dich gut finden, desto mehr Leute finden dich auch schlecht oder blöd. Die kommen einfach mit. Die finden dich arrogant und schnöselig. Ich versuche, immer bodenständig zu sein, immer, immer, immer, immer. Ich bin immer nett zu allen, egal was ist. Ich beantworte alle Mails, kurz, knapp, auch wenn es manchmal dauert.
Buchhexe: Worauf legst du Wert, wenn du Kochbücher schreibst? Was macht für dich ein gutes Kochbuch aus? Mit mehr als 600 Kochbüchern in deiner Sammlung kannst du das ja wahrscheinlich beurteilen?
Jérôme Eckmeier: Erst mal muss ein Rezept funktionieren, das ist ganz wichtig. Für mich persönlich macht es Sinn, dass man nicht in 30 Läden gehen muss. Klar, exquisite Zutaten gehören dazu, überhaupt keine Frage. Aber für mich ist ein bodenständiges Rezept mehr wert, als wenn ich überspitzt in 30 Läden muss, um mir meine Zutaten zusammen zu suchen, da hab ich persönlich gar keine Lust drauf. Eine bodenständige ehrliche Küche finde ich persönlich lockerer. Und es muss funktionieren. Und dann muss es ansprechend fotografiert werden, um den Leuten, die nicht kochen können zu zeigen, so kann es aussehen – muss nicht so aussehen, aber könnte. Und wenn das dann bei den Leuten so aussieht, freue ich mich immer und denke: Ok, alles richtig gemacht.
Buchhexe: Könntest du dir vorstellen, mal ein eigenes veganes Restaurant zu eröffnen?
Jérôme Eckmeier: Nein, seit wir uns dagegen entschieden haben eigentlich nicht mehr. Dafür sind unsere Kinder einfach noch zu klein und ich denke, wenn die groß sind, bin ich zu alt, um die 16 Stunden am Tag zu überstehen. Ein eigenes Restaurant ist viel Arbeit. Ich glaube einfach, ich erreiche die Leute über meine Projekte.
Buchhexe: Was können wir 2014 von dir erwarten? Was würdest du dir für die Zukunft wünschen.
Jérôme Eckmeier: Es geht natürlich weiter mit spannenden Rezepten, noch mehr Kochshows. Es gibt bestimmt noch das dritte und auch das vierte Kochbuch, solange sich ein Käufer oder eine Käuferin findet oder ein Verlag sich dafür interessiert, meine Bücher zu verlegen, auch wenn er noch so klein oder groß ist!
Danke für das interessante Interview, das nette Gespräch und den leckeren Kuchen. Wir sind mehr als gespannt auf das nächste Kochbuch und wünschen Jérôme für alle seine Projekte ganz viel Erfolg!