Spieltrieb
Zusammenfassung zu “Spieltrieb”
Nachdem die hochbegabte Ada nach einer Prügelei von ihrer alten Schule geworfen wurde, bekommt sie auf dem Ernst-Bloch-Gymnasium eine letzte Chance. Zunächst scheint es, als würde sich für die chronische Außenseiterin auch auf der neuen Schule nicht viel ändern. Unterricht und Mitschüler langweilen Ada die meiste Zeit. Freunde findet sie keine, hat aber nach eigener Einschätzung weder Bedürfnis danach noch ist sie gefühlstechnisch zu Freundschaften in der Lage. Eines Tages kommt jedoch ein neuer Mitschüler in ihre Klasse und Ada ist vom ersten Augenblick an fasziniert von ihm.
Auch der heimatlose Alev hat sich sein Leben lang seinen Mitmenschen überlegen gefühlt, so nun auch gegenüber seinen neuen Lehrern und Mitschülern. So dauert es nicht lange und die beiden hochbegabten Schüler verbindet eine innige Beziehung, die zwischen Freundschaft und Liebe, zwischen Freiheit und totaler Abhängigkeit pendelt.
Nach vielen philosophischen Gesprächen und durch Alevs Überredungskünste lässt sich Ada schließlich auf ein Spiel mit ihm ein. Kein Gesellschaftsspiel im herkömmlichen Sinne sondern ein Spiel im echten Leben mit realen Menschen als Spielfiguren. Ein Spiel, in dem Alev die Fäden in der Hand hält, Figuren nach seinem Willen über das Spielfeld zieht und die Geschehensabläufe nach seinen Vorstellungen manipuliert.
Hauptfigur ist neben Ada ihr gemeinsamer Deutschlehrer Smutek – heimlicher Schwarm aller Schülerinnen. Dessen Leben möchte Alev durch seine perfiden, perfekt geplanten Spielzüge nach und nach der Normalität entheben und zerstören. Gemeinsam mit Ada beginnt er diesen Plan umzusetzen…
Wichtige Charaktere
- Ada
- Alev
- Ssymon Smutek
Zitate
„Vielmehr war Ada hinter etwas her, dass Alev gehörte. Vielleicht war ein Irrtum unterlaufen in den jahrtausendeweiten Vorausberechnungen der Menschheit, vertauschte DANN, ein Pfusch am Kunden, und nun besaß Alev jene geheimnisvolle Aura, jene nicht unmenschliche, nicht übermenschliche, aber gewissermaßen antimenschliche Fehlerlosigkeit in allen seinen Bewegungen, die Ada gleich in erster für sich selbst reklamiert hatte. Rings um ihn lag ein Territorium, das ihr den einig möglichen Platz zum Leben versprach. Wofür sie einen solchen brauchte, begriff sie selber nicht. Wer keinen Baum pflanzte, brauchte keine Erde, und wer kein Haus baute, keinen Stein. Fest stand allein, dass sie etwas wollte, das Alev sein Eigen nannte. Das war nicht Liebe, sondern Annexionsbestreben auf den ersten Blick.“
„Als er weitersprach, war seine Stimme weich geworden, wickelte Ada ein und wiegte sie wie etwas Zerbrechliches. Kleinchen, das darfst du nicht. Du bist hart und kalt. Tu mir das nicht an. Du bist doch nicht wie die anderen.
Sie roch gut, diese Stimme, nach dem eigenen Körper, als man noch ein Kind war, nach gebrauchtem Kopfkissen und dem Stück Raufasertapete neben dem Heizungsrohr. Wie Soldaten marschierten die Silben über Adas Trommelfell, bis sie einzusinken begannen, eine Armee im Moor, eine Armee im Ohr, du bist nicht wie die anderen, du gehörst doch zu mir, und als sie eingedrungen waren, ließ Ada alle Waffen fallen und beruhigte sich.
‚Die Nerven. War ein bisschen viel in den letzten Tagen. Dazu die kalte Jahreszeit‘, sagte sie ironisch. ‚Schon gut‘, sagte Alev fröhlich. ‚Schön, dass du wieder da bist. Ich rufe wegen des Gefangenendilemmas an. Kannst du dich an Delahaye und Mathieu erinnern? Ich gab dir ihren Artikel.‘
‚Natürlich kann ich mich erinnern.‘
Jetzt klang Adas Stimme völlig normal, vielleicht ein wenig sauberer als sonst, und die Gedanken erzeugten ein eigenes, melancholisches Nebengeräusch.“
Trailer zum Film
Links
http://www.randomhouse.de/content/edition/excerpts/162_73369_3769.pdf
Persönliche Bewertung
Spannende Romanidee, die in polarisierendem Schreibstil umgesetzt wurde.
„Spieltrieb“ ist ein sehr ambivalenter und dementsprechend wahrscheinlich auch polarisierender Roman. Die Grundidee: Zwei Schüler erpressen ihren Lehrer, indem sie ihn zum Sex zwingen. Inszeniert ist das ganze als großes Spiel, mit einem Schüler als Spielleiter. Ihre Motivation besteht zum einen aus einem ausgeprägten Spieltrieb, zum anderen aber auch einfach aus Langeweile. Denn beide Schüler sind als hochbegabte von ihrem Alltag, der Schule und ihrem Leben unterfordert. Klingt nach einer ungewöhnlichen und spannenden Idee. Ist es auch, nur die Umsetzung dieser Idee fällt innerhalb des Romas sehr unterschiedlich aus.
Parallel zur Handlung lässt Juli Zeh Alev und Ada häufig und ausgiebig philosophische Gespräche auf höheren Ebenen führen. Diese Diskussionen nehmen der tatsächlichen spannenden Handlung ihres diabolischen Spiels leider manchmal fast komplett die Spannung. Einige dieser Dialoge lesen sich wie ein philosophisches Lehrbuch und sind daher für den Durchschnittsleser ohne besondere Vorkenntnisse schwerfällig zu lesen. Diese Stellen des Romans erfordern also viel Durchhaltevermögen. Philosophie-Fans mögen aber gerade von diesen Abschnitten des Buchs gefesselt sein. Vielleicht wollte Zeh über diese Dialoge die Spannung der Handlung und Gedanken der Figuren auch auf einer psychologisch-philosophischen Ebene erzeugen, in meinen Augen ist aber genau das Gegenteil erreicht worden.
Trotzdem lohnt es sich durchzuhalten, denn das Ende des Romans überzeugt mit viel Spannung und überraschenden Wendungen.
Interessant an „Spieltrieb“ ist auch Zehs Wahl der Hauptfiguren. Es fällt dem Leser schwer in den ersten zwei Dritteln des Buches auch nur eine von ihnen ins Herz zu schließen. Weder die gefühlskalte, dafür so hochbegabte Ada, noch der mysteriöse Alev und auch nicht ihr Lehrer Smutek vermögen es, wirkliche Sympathien zu wecken. Auch dies ändern sie erst gegen Ende der Geschichte. Aber diese „Nicht-Sympathie“ ist ein Stilmittel, dass Zeh so geschickt einsetzt, dass es dem Leser über so manche schwerfällige Stelle des Romans hinweghilft.
Fazit
Erfahrende Leser mit Durchhaltevermögen und/oder Interesse an philosophischen Denkansätzen, sind mit diesem Roman durchaus gut beraten und werden Freude am Lesen haben. Leser, die einfach auf einen durchweg spannenden Roman hoffen, werden aber wohl eher enttäuscht werden. Gerade für die beschriebene Generation wird der Lesespaß wohl häufig schon durch die vielen Fremdwörter und den zum Teil komplizierten Schreibstil erschwert.
- ISBN10
- 3442733693
- ISBN13
- 9783442733699
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2004
- Taschenbuchausgabe
- 576 Seiten