Schachnovelle

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Insel Verlag
Anspruch
5 von 5
Lesespaß
5 von 5
Schreibstil
5 von 5
Spannung
4 von 5

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Zusammenfassung zu “Schachnovelle”

Stefan Zweigs Kurzprosa mit dem Titel „Schachnovelle“ erschien kurz vor seinem Tod und hat einen festen Platz in der Weltliteratur. Zweig setzte sich darin mit den Repressalien durch die Gestapo an der Figur des Dr. B. auseinander. Dieser ist zuständig für die Verwaltung verschiedener Klöster und deren Vermögen. Um über Dr. B. an das Kirchenvermögen heranzukommen, sperren sie ihn in Isolationshaft. Vier Monate muss Dr. B. bereits darin ausharren, als er eines Tages die Gelegenheit ergreift, ein Buch an sich zu nehmen. Zurück in seinem Haftraum, hofft er, anhand des Buches die ersehnte Abwechslung in der psychisch extrem belastenden Isolation zu erhalten. Doch es stellt sich als eine Ansammlung von Schachpartien heraus, was zunächst eine große Enttäuschung ist. Dennoch beschäftigt er sich intensiv mit dem Nachspielen der Schachpartien. Nach einiger Zeit jedoch bricht er zusammen – die nervliche Belastung wurde zu hoch für ihn. Mit Hilfe eines Arztes wird er nach einem Jahr freigelassen. Er erhält die Auflage, das Land zu verlassen und emigriert nach Argentinien. Die Novelle beginnt aus der Sicht des Erzählers vom Zeitpunkt der Schiffsreise an. Der Erzähler, ein Journalist aus Wien, ist mit seinem Begleiter McConnor auf dem Schiff, wie auch Dr. B. und ein prominenter Passagier: Der Schachweltmeister Mirko Czentovic. Der aus einfachen Verhältnissen stammende Czentovic ist mittlerweile durch seinen prominenten Status zu einem eitlen Charakter geworden. Der Journalist kann Dr.B. dazu überreden, gegen Czentovic in einer Schachpartie anzutreten. Czentovic lässt sich – ohne B.s Wissen – dafür bezahlen. Dr. B. verblüfft alle durch sein unglaubliches Können, doch dann holt ihn seine Vergangenheit ein.

Wichtige Charaktere

  • Dr. B., ein bekannter Wiener Anwalt
  • ein Journalist, der als Erzähler fungiert
  • McConnor, ein mitreisender Amerikaner
  • Mirko Czentovic

Interpretation

In der Zeit, in der Stefan Zweigs Buch entstand, war die Welt von den Schrecken des Nationalsozialismus geprägt. Jeder, der nicht damit konform ging, wurde unter Druck gesetzt, verfolgt oder inhaftiert. Zweig, der selbst jüdische Wurzeln hatte, lernte die dunklen Seiten dieser Gewaltherrschaft am eigenen Leib kennen. In der Novelle tritt die große Diskrepanz zwischen der Intelligenz und den intellektuellen Fähigkeiten des Dr.B. auf der einen Seite, und dem erstaunlichen Können des Schachweltmeisters Czentovic auf der anderen, zutage. Beide verfügen über ein großes Können – doch bei Czentovic beschränkt sich dieses vor allem auf das Schachspiel. In den Gesprächen zwischen dem Erzähler und seinem Begleiter McConnor gibt der Autor genau beobachtete Charakterstudien wieder. Czentovic ist, im Gegenzug zu Dr. B., ein überheblicher, eitler Mann, der sich nur dann auf eine Partie einlässt, wenn ihm ein stattliches Honorar dafür geboten wird. Der Erzähler hat Czentovic schnell durchschaut – so versucht er zunächst, ihn zu einer Partie zu überreden, indem er ihm ein fiktives Interview in Aussicht stellt, um Czentovic an seiner Eitelkeit zu packen. Dr. B. wäre Czentovic weit überlegen, doch seine psychische Vorbelastung steht ihm im Weg und macht ihm schwer zu schaffen. Dieser Leidensweg des Dr. B. beeinflusst die Handlung der Novelle auf entscheidende Weise.

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Leseprobe beim Verlag

Persönliche Bewertung

Ein psychologisch-subtiles Werk von höchstem Rang

5 von 5

Obwohl der Novelle keine spannende Handlung zugrunde liegt, ist es Stefan Zweig dennoch gelungen, Höchstspannung aufzubauen. Sowohl in jenem Moment, als Dr. B. Czentovic in der ersten Schachpartie bezwingt, als auch, als Czentovic ihn zur Revanche fordert und sich in dieser zweiten Partie die nervliche Anspannung seines Gegners zunutze macht, indem er jeden nächsten Spielzug absichtlich in die Länge zieht. Dass Czentovic damit jegliche Fairness außer Acht lässt, zeigt einmal mehr seine charakterliche Schwäche und zugleich seine ihm ganz eigene Art der Raffinesse und Intelligenz. Stefan Zweig zeigte auf meisterliche Art die Unterschiede der verschiedenen Figuren in seiner Novelle auf und schilderte die Begegnungen untereinander mit Nachdruck und höchstem literarischen Können. Dazu bedurfte er keiner komplizierten, verstrickten Handlung – die wenigen Ereignisse sind jedoch von großer Tragweite. So wäre Dr. B. ohne die bedrückende Erfahrung der Isolationshaft, die ihm seine Gesundheit ruinierte, nie auf die Idee gekommen, seine bisher geringen Schachkenntnisse derart zu perfektionieren. Sehr interessant lesen sich weiterhin die Figuren des McConnor, einem Ölmillionär, der sich dem aus einfachen Verhältnissen stammenden Czentovic gegenüber provokant zeigt, um den Mitreisenden zu beweisen, wie gut er selbst Schach spielen kann, und es sogar wagt, den Weltmeister herauszufordern. Als die beiden Männer gegeneinander spielen, erzeugt alleine diese Szene eine knisternde Spannung, die der Leser förmlich spüren kann. Indem sich Dr. B. in der Revanche-Partie mit einer kurzen, aber wirkungsvollen Bemerkung einmischt, wendet sich das Blatt und der Autor erzeugt damit weitere Neugier beim Leser – sowohl, was die Schachpartie zwischen McConnor und Czentovic, als auch die folgende zwischen Dr. B. und dem eitlen Schachweltmeister betrifft.

Fazit

Dieses Prosawerk von Stefan Zweig erfährt bis zum heutigen Tag ungebrochene Beliebtheit. Ohne die grausamen Verbrechen der Nationalsozialisten ausführlich zu thematisieren, gelang es Zweig, die schwerwiegenden seelischen Belastungen, die sie in einem Menschen zurückließen, zu schildern. Zweigs subtile Art und Weise, Charaktere und deren unterschiedliche Lebenswege zu schildern, kommt in dieser Novelle auf eindrucksvolle Weise zum Ausdruck.

ISBN10
345835901X
ISBN13
978-3458359012
Dt. Erstveröffentlichung
(2013) 1943
Gebundene Ausgabe
115 Seiten