Homo faber

Autoren
Verlag
Suhrkamp Verlag
Anspruch
5 von 5
Lesespaß
5 von 5
Schreibstil
5 von 5
Spannung
3 von 5

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Zusammenfassung zu “Homo faber”

Hinter dem umständlichen Titel verbirgt sich ein aufwühlender Roman über die Liebe und den Verlust des eigenen Kindes. Walter Faber, die Hauptfigur, begibt sich auf eine Reise nach Venezuela. Im Flugzeug trifft er Helmut Hencke, den Bruder von Joachim Hencke, der einst seine Jugendliebe Hanna geheiratet hat. Das Flugzeug gerät in Not, auf der Zwischenlandung entschließt sich Faber, Hencke zu begleiten. Auf einer Farm finden sie den toten Joachim. Er hat sich erhängt. Faber fliegt weiter nach New York, dort trifft er seine Geliebte Ivy. Genervt von ihren Heiratsplänen, begibt er sich auf eine Reise nach Europa. Auf dem Schiff begegnet er Elisabeth. Sabeth erinnert ihn an Hanna, er sucht unentwegt ihre Nähe, macht ihr sogar einen Heiratsantrag. Noch weiß Faber nicht, dass es sich um seine Tochter handelt. Als er sie in Paris wiedertrifft, begleitet er sie spontan nach Athen zu ihrer Mutter. Unterwegs verbringen sie eine Nacht zusammen. Doch die inzestuöse Beziehung endet tragisch, als Sabeth in Griechenland von einer Schlange gebissen wird. Vor Schreck stürzt sie einen Abhang hinunter und verletzt sich am Hinterkopf. Scheinbar können die Ärzte mit einem Gegengift ihr Leben retten. Doch plötzlich stirbt Sabeth an ihrer Kopfverletzung. Faber kündigt seinen Job. Er will bei Hanna in Athen bleiben. Bei einer Kurzreise nach Havanna erkennt er, wie lange er an seinem eigentlichen Leben vorbei gelebt hat. Er möchte das bisschen Zeit, was ihm noch bleibt, sinnvoller als bisher nutzen. Zuvor muss er sich jedoch erst einer Operation unterziehen. Das Magenleiden, unter welchem Faber seit längerem litt, wurde als Magenkrebs diagnostiziert. Der Ausgang bleibt ungewiss. Am Morgen vor der Operation endet das Buch.

Wichtige Charaktere

  • Walter Faber
  • Hanna Piper, seine Jugendliebe
  • Elisabeth (Sabeth) Piper, ihr gemeinsames Kind

Interpretation

Zufall und Schicksal lassen sich nicht bestimmen. Das muss auch Walter Faber erkennen. Sowohl in der zufälligen Begegnung mit seiner bislang unbekannten Tochter als auch im Ablauf der Ereignisse, die schließlich zum Unfall und Tod Sabeths führen. Für Faber ist diese Erkenntnis sehr schwer. Schließlich gab es für ihn in seinem Leben jahrzehntelang nur die Technik und die Wissenschaften. Mit seinem Roman demontiert Max Frisch den Glauben an ein Leben ausschließlich in Formeln. Er setzt auf mehr Menschlichkeit, auf mehr Lebendigkeit. Auch das moderne Leben in der Stadt wird argwöhnisch vom Autor beobachtet. Ständige Flugreisen, Schnelllebigkeit und ein Leben ohne feste Bindungen – das kann Max Frisch nicht gutheißen. Seine Hauptfigur Walter Faber ist sich zwar sicher, dass das Alleinsein der „einzig mögliche Zustand“ für ihn wäre. Aber es ist ihm nicht gelungen, nach zwanzig Jahren seine Jugendliebe Hanna zu vergessen. Elisabeth steht zwischen Walter und Hanna als Bindeglied. Sie besitzt sowohl das technische Verständnis des Vaters als auch Mutters Liebe zur Kunst. Die Spaltung beider Elternteile wird aufgehoben. Elisabeth steht als vollkommener, als ganzer Mensch da. Weder die Mutter, noch der Vater haben ein ausschließliches Recht an ihr. Das Hauptthema des Romans ist also das Finden der eigenen Identität. Walter Faber gelingt dies erst am Ende des Buches.

Zitate

„Wir warteten noch weitere vierzig Minuten draußen auf der Piste, Schnee vor den Scheinwerfern, Pulverschnee, Wirbel über der Piste, und was mich nervös machte, so daß ich nicht sogleich schlief, war nicht die Zeitung, die unsere Stewardeß verteilte, First Pictures Of World’s Greatest Air Crash In Nevada, eine Neuigkeit, die ich schon am Mittag gelesen hatte, sondern einzig und allein diese Vibration in der stehenden Maschine mit laufenden Motoren dazu der junge Deutsche neben mir, der mir sogleich auffiel, ich weiß nicht wieso, er fiel auf, wenn er den Mantel auszog, wenn er sich setzte und sich die Bügelfalten zog, wenn er überhaupt nichts tat, sondern auf den Start wartete wie wir alle und einfach im Sessel saß, ein Blonder mit rosiger Haut, der sich sofort vorstellte, noch bevor man die Gürtel geschnallt hatte. Seinen Namen hatte ich überhört, die Motoren dröhnten, einer nach dem andern auf Vollgasprobe.“

Trailer zum Film

Persönliche Bewertung

Ein intensives Buch über die Frage nach einem versäumten Leben.

5 von 5

Mit seinen rund 200 Seiten ist der Roman überschaubar. Die Sprache ist leicht verständlich und enthält keine Füllwörter, keine überflüssigen Adjekte. Auch die vielen unvollständigen Sätze passen hervorragend zum Technikfan Walter Faber, der erst sehr spät erkennt, dass sein Leben auch hätte anders verlaufen können, wenn er nur gewollt hätte. Diese Einsicht scheint Max Frisch unbedingt an die Leser weitertragen zu wollen. Nichts unversucht lassen. Nichts ungesagt lassen. Alles wagen, alles riskieren. Das Buch ist in der Ich-Perspektive geschrieben. Nicht umsonst, ist man doch somit näher dran an den Figuren. Man identifiziert sich mehr. Man leidet mehr. Nur die Spannung verringert sich ein bisschen aufgrund des zu früh erzählten Faktes, dass Sabeth eigentlich Fabers Tochter ist. Doch kann dies entschuldigt werden, schließlich zittert der Leser mit, wenn Faber und Sabeth ihre inzestuöse Beziehung eingehen und vertiefen wollen. Außerdem ist alles so meisterhaft erzählt, so meisterhaft in Sprache und Ton, dass man unbedingt bis zum Schluss lesen möchte. Nicht umsonst ist „Homo faber“ Schullektüre. Die Schilderung der Beziehungen Fabers zu den Frauen, der gefühlte Schmerz über den Unfalltod seiner Tochter – all dies gipfelt in dem Ringen um die Frage, was eigentlich zählt im Leben. Ist es Geld? Ein guter Beruf (Faber war ein gefragter Ingenieur)? Wunderwerke der Technik? Liebe? Die Antwort erschließt sich beim Lesen: Ja, es ist die Liebe. Es ist nichts weiter als die Liebe.

Fazit

„Homo faber“ ist ein wichtiges Buch. Es zeigt auf, dass sich nicht alles rational lösen lässt. Nicht immer ist die moderne Technik der richtige Wegweiser. Im Falle Fabers hat sie ihn sogar in die Irre geleitet. Die Erzähltechnik mag verwirren, aber die Botschaft ist klar: Der Mensch braucht andere Menschen zum Glücklichsein.

ISBN10
3518368540
ISBN13
9783518368541
Dt. Erstveröffentlichung
1957
Taschenbuchausgabe
208 Seiten