Tess von den d’Urbervilles
Zusammenfassung zu “Tess von den d’Urbervilles”
Die junge Tess Durbeyfield entstammt der adeligen Familie of the d’Urbervilles – doch in ihrer Familie herrscht seit ihrer frühesten Kindheit Armut. Tess’ Vater ist dem Alkohol verfallen, dennoch erlebt sie ihr Zuhause als Nest, das ihr Geborgenheit verleiht. Als sie erwachsen ist, wünschen sich ihre Eltern, dass sie eine gute Stellung bekommt und dafür die Wirkung der adeligen Herkunft nutzen soll. Als sie vermeintliche Nachkommen des früheren Adelsgeschlechts aufspüren, gelingt es, Tess eine Stellung als Hausmädchen in Trantridge zu vermitteln. Dort trifft sie auf Alec Stoke-d’Urbervilles, den Sohn einer reichen Witwe. Er verschafft ihr auf dem gleichnamigen Gut eine Stelle, wo sie fortan für das Geflügel verantwortlich ist. Die junge und außergewöhnlich schöne Tess reizt den windigen, verschlagenen Alec, der ihr fortan den Hof macht und schließlich auch zudringlich wird.
Tess, die ohne jede Erfahrung ist, fällt ihm zum Opfer und wird schwanger. Verzweifelt sucht sie bei ihren Eltern Zuflucht, doch die sind nicht bereit, sie zu unterstützen. Als ihr Sohn Sorrow, ein krankes, schwächelndes Kind zur Welt kommt, muss sie ihn sogar selbst taufen, weil sich der örtliche Reverend weigert, die Taufe vorzunehmen. Das Kind stirbt, und zwei Jahre später macht sich Tess auf den Weg, um eine neue Anstellung in einem Ort zu suchen, an dem sie niemand kennt. In Talbothays kann sie als Milchmädchen arbeiten – hier begegnet sie ihrer Jugendbekanntschaft Angel Clare wieder. Die beiden verlieben sich ineinander und Angel macht ihr einen Heiratsantrag. Tess fällt es schwer, sich zu entscheiden und wagt nicht, ihm von ihrer unseligen Vergangenheit zu erzählen. Als sie ihm am Tag der Heirat doch davon erzählt, trifft Angel eine folgenschwere Entscheidung.
Wichtige Charaktere
- Tess of the d’Urbervilles
- Joan und Jack, ihre Eltern
- Alec Stoke-d’Urberville
- Angel Clare
Interpretation
Thomas Hardys Roman lässt sich nicht exakt in eine literarische Gattung einordnen – er trägt sowohl naturalistische Züge, als auch Elemente der klassischen Tragödie. Zahlreiche symbolträchtige Metaphern und bilderreiche Schilderungen kennzeichnen den Roman ebenso wie Hardys Intention, immer wieder Zufälle in die Handlung einzuflechten, um das Ende des Romans anzudeuten. Der Naturalismus, der darauf beruht, den Menschen als Bestandteil der Ordnung der Natur zu betrachten, zeigt den Menschen als von Vererbung und Einflüssen seiner Umwelt geprägt. Geprägt vom Viktorianischen Zeitalter, muss sich Tess den moralischen Bestimmungen fügen, obwohl die Doppelmoral der Romanfiguren mehr als einmal offenbar wird. Selbst kirchliche Vertreter wie jener Reverend, der in Tess’ Heimatort die Taufe ihres Kindes verweigert, ist nur ein Täter des Wortes und stellt sich moralisch über die Menschen, denen er doch göttliche Barmherzigkeit erweisen soll. Auch ihr Elternhaus erweist sich nicht als der Zufluchtsort, den Tess braucht, als sie in Not gerät. Selbst die schwärmerische Liebe Angel Clares droht, nachdem er über Tess’ Vergangenheit Bescheid weiß, zu zerbrechen.
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Persönliche Bewertung
Thomas Hardy zeigt mit diesem Roman eindrucksvoll die Unaufrichtigkeit der Doppelmoral
Die Romanhandlung um die junge, zauberhafte, aber auch naive Tess fesselt die Leser vom ersten Moment an. Die Chance, dass auf das arme Mädchen dank ihrer adligen Vorfahren eine bessere Zukunft wartet, wird durch immer neue Hindernisse gestört und verhindert. Der Leser fühlt mit Tess und wünscht sich, dass ihr Menschen begegnen, die ihr Vertrauen nicht missbrauchen. Doch Egoismus und falsche, moralische Auffassungen durchkreuzen ihre Pläne und machen ihr das Leben schwer. Thomas Hardy verstand es ausgezeichnet, die verschiedenen Charaktere und ihre oft überraschende Handlungsweisen zu schildern. Ob die ablehnende Haltung von Tess’ Eltern, nachdem ihre Tochter einen unehelichen Sohn zur Welt bringt, oder Angel Clares mangelndes Rückgrat, als er von Tess’ Vergangenheit erfährt – die Figuren geben dem Roman oft überraschende Wendungen. Jede der Figuren übt sich in moralischer Haltung, die am Ende dann doch wahres Christentum vermissen lässt und Tess schließlich in eine Verzweiflungstat treibt. Thomas Hardy stellt die viktorianisch geprägten Wertvorstellungen schonungslos auf den Prüfstand. Er zeigt aber auch die unaufhaltsamen Veränderungen des gesellschaftlichen Lebens, das mehr und mehr unter den Einfluss der Industrialisierung gerät – sowohl in den Städten, als auch im Landleben. Sein Roman enthält zahlreiche literarisch wertvolle Landschaftsbeschreibungen, die vor dem geistigen Auge der Leser ein lebendiges Bild des damaligen England entstehen lassen. Als der Roman erschien, musste sich der Autor einer harschen Kritik stellen, die, so scheint es, die Moral seiner Figuren widerspiegelte.
Fazit
Thomas Hardys Roman „Tess“ ist auch nach über einhundert Jahren des Erscheinens ein äußerst lesenswertes Buch in der Reihe englischer Klassiker. Der Autor verstand es, die Entwicklung einer jungen, aufgeschlossenen Frau zu schildern, die an den damaligen gesellschaftlichen Zwängen litt. Freunde der englischen Literatur kommen mit „Tess“ auf ihre Kosten und erhalten ein vielfältiges Bild verschiedener Charaktere, aber auch einer anziehenden Landschaft des Englands im 19. Jahrhundert.
- Originaltitel
- Tess of the d'Urbervilles
- ISBN10
- 3423141883
- ISBN13
- 9783423141888
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2013 (1895)
- Taschenbuchausgabe
- 592 Seiten