Küche totalitär

Das Kochbuch des Sozialismus

Autoren
Illustrator
Vitali P. Konstantinov
Verlag
Goldmann Verlag
Anspruch
3 von 5
Humor
5 von 5
Lesespaß
3 von 5
Schreibstil
4 von 5
Spannung
3 von 5

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Zusammenfassung zu “Küche totalitär”

Tatsächlich vermutet der unbedarfte Leser hinter diesem Buch des „Russisch für Deutsche-Experten“ Wladimir Kaminer zuerst einmal einen der üblich unterhaltsamen Romane. Doch schnell wird klar, dass Kaminer dieses Mal auf eine kulinarische Reise durch ein untergegangenes Reich entführt. Nach einer kurzen Einführung, die um das Thema russische Restaurants in Deutschland kreist, und eher weniger als mehr gelungen ist, werden die regionalen Küchen der fünfzehn Ex-Sowjetrepubliken bereist. Ansatzpunkt der Küchengeschichten ist immer ein persönliches Erlebnis Kaminers, das immer irgendwo auch einen Bezug zum Essen, zumeist aber auch zum Trinken hat – typisch russisch eben. Und doch gelingt es Kaminer, ein Gefühl für die vielfältige Charakteristika der kulinarischen Gewohnheiten des Vielvölkerstaates Sowjetunion zu vermitteln – zumindest ein klein wenig, und manchmal etwas mehr und manchmal eben auch etwas weniger. Wirklich herausragend an diesem Buch sind dieses Mal wohl nicht Kaminers (recht kurze) Geschichten, sondern die Rezepte, die seine Frau Olga beisteuerte, die in dieser Zusammenstellung einzigartig wirken. Und sich unheimlich lecker lesen! Im Anhang I bis III kommt Wladimir Kaminer dann noch mal zu Wort und äußerst sich recht prägnant zu küchenergänzenden Themen wie „Russen mögen keinen Kaviar“, zur Rolle von „Mutters Küche“ und natürlich ganz zum Schluss zum „Wodka“ – ohne den in diesem Buch gar nichts gegangen wäre.

Zitate

„Zum Verwöhnen war bei uns die sowjetische Küche bestimmt, dieser Gaumenkitzel des Totalitarismus. Systematisch hatte sie ein halbes Jahrhundert lang aus allen fünfzehn Republiken der Sowjetunion die besten Kochrezepte herausgelutscht, um all diese Küchen zu einer zu bündeln: die scharfe kaukasische, die milchige ukrainische, die exotische asiatische, die gesunde baltische und ein Dutzend anderer dazu. Diese Küche würde bestimmt großen Erfolg in Deutschland haben, wenn die Russen nicht so faul wären.“

Echte Russen mögen keinen Kaviar. Das in aller Welt verbreitete Klischee, Wodka und Kaviar seien typisch russische Leckereien, ist falsch. Wie jeder vernünftige Mensch würde der Russe zum Wodka viel lieber Salzgurke essen und sich den Kaviar für Silvester aufheben. …In den Kühlschränken der Bevölkerung war Kaviar eher selten. Intern favorisierte die Sowjetmacht andere Produkte: den Schmelzkäse ‚Freundschaft‘ in Metallfolie sowie ‚Sarja im eigenen Saft‘ und ‚Jungbulle in Tomatensauce‘, beides sehr spezielle sowjetische Fischkonserven, dem Rest der Welt unbekannt. Mit solchen Konservenbüchsen waren die Schaufenster aller Lebensmittelläden zugemauert. Kaviar dagegen war ein Politikum, das von allen Seiten instrumentalisiert wurde. Die Anhänger der Monarchie behaupteten, vor der Revolution gab es Kaviar für Arm und Reich in großen Mengen, aber die Kommunisten hätten alle Vorräte aufgegessen. Die Stalinisten meinten wiederum, unter Stalin lag der Kaviar in jedem Lebensmittelladen auf der Theke. Später wurde Gorbatschow von den Nationalisten bezichtigt, den ganzen Kaviar an den Westen verkauft zu haben. Es war immer der Feind, der unseren Kaviar aufgegessen hatte.“

Auszug aus den Rezepten

Auberginen-Saziwi
Rudelki
Lammkükü
Fisindjan
Brotsuppe
Fleischsolyanka
Karottenpudding

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Persönliche Bewertung

Interessantes Kochbuch der russischen Küche zu dem Wladimir Kaminer kulinarische Anekdötchen verfasste!

4 von 5

Beginnt man die Einleitung Kaminers zu seiner Reise durch die Küche des Sozialismus zu lesen, ist man fast geneigt ausgiebig zu gähnen – allzu sehr strapaziert der Autor Klischeevorstellungen vom Leben der Russen in Deutschland. Auch die erste regionale Geschichte zum „Kottbusser Lamm“ im Kapitel Armenien macht diesen ersten Eindruck nicht besser. Leicht gelangweilt wendet man sich den Rezepten zu und siehe da, man ist gefesselt. Der Rezensentin lief sofort das Wasser im Mund zusammen. Olga Kaminer ist es gelungen echte, wahrscheinlich fast vergessene Küchenklassiker zu sammeln und schlicht und unaufdringlich zu präsentieren. Wladimirs Kaminers Texte sind nur nette Beigabe. Dieses Büchlein gehört in jede gute Kochbuchsammlung!

Fazit

Ausgesprochen interessantes Kochbuch der russischen Küche zu dem Wladimir Kaminer kulinarische Anekdötchen verfasste! Belletristisch belanglos!

ISBN10
344254257X
ISBN13
9783442542574
Dt. Erstveröffentlichung
2006
Taschenbuchausgabe
224 Seiten