Geschichten zur Weihnachtszeit
Zusammenfassung zu “Geschichten zur Weihnachtszeit”
In dieser Geschichtensammlung wurden zwölf Geschichten von Selma Lagerlöff zusammengetragen, die zum überwiegenden Teil bereits in anderen Voröffentlichungen erschienen sind, zum Beispiel in ihren „Christuslegenden“. Die Autorin teilt weihnachtliche Anekdoten aus ihrem eigenen Leben und erzählt alte Überlieferungen nach. Man erfährt vom einfachen und zum Teil sehr entbehrungsreichen Leben der Landbevölkerung im schwedischen Värmland. Selma Lagerlöff lässt alte nordische Mythen neu aufleben und verflechtet in ihre Geschichten christliche Legenden und Bräuche. Da geht es um die Legende des Luciatages (der bis heute in Schweden gefeiert wird), um den Pfaffer, dessen Orgel von Trollen befallen ist, um den fürchterlichen Schneesturm, in dessen wildem Treiben sich eine arme Mutter mit ihren zwei Kindern auf den Weg zum reichen Schwager macht, um einmal im Jahr an einem richtigen Festmahl teilzuhaben und sich satt zu essen, von der armen Räuberfamilie im Wald, die Barmherzigkeit erfährt, oder um den Brauch des „Traumpfannkuchens“, der von drei Menschen schweigend und ernst aus drei Löffeln Mehl, drei Löffeln Wasser und drei Löffeln Salz zusammengerührt werden muss und die Zukunft offenbaren soll…
Zitate
„Und ich erinnere mich, daß wir Kinder hingeführt wurden, um die Hand der Toten zu küssen. Und wir hatten Angst, es zu tun, aber da sagte uns jemand, daß wir nun zum letztenmal Großmutter für all die Freude danken könnten, die sie uns gebracht hatte. Und ich erinnere mich, wie Märchen und Lieeder vom Hause wegfuhren, in einem langen schwarzen Sarg gepackt, und niemals wiederkamen.
Ich erinnere mich, daß etwas aus dem Leben verschwunden war. Es war, als hätte sich die Tür zu einer ganzen schönen, verzauberten Welt geschlossen, in der wir früher frei aus und ein gehen durften. Und nun gab es niemand mehr, der sich darauf verstand, diese Tür zu öffnen.“
(aus: „Die heilige Nacht“)
„Es war zu der Zeit, da Augustus Kaiser in Rom war und Herodes König in Jerusalem.
Da geschah es einmal, daß eine sehr große und heilige Nacht sich auf die Erde herabsenkte. Es war die dunkelste Nacht, die man noch je gesehen hatte; man hätte glauben können, die ganze Erde sei unter ein Kellergewölbe geraten. Es war unmöglich, Wasser von Land zu unterscheiden, und man konnte sich auf dem vertrautesten Weg nicht zurechtfinden. Und dies konnte nicht anders sein, denn vom Himmel kam kein Lichtstrahl. Alle Sterne waren daheim in ihren Häusern geblieben, und der Mond hielt sein Gesicht abgewendet.“
(aus: „Die Vision des Kaisers“)
Persönliche Bewertung
Nostalgische, historisch interessante Weihnachtsgeschichten mit sehr christlichem Einschlag
Selma Lagerlöff erzählt ihre Geschichten mit unvergleichlichem Charme und in ihrer altmodisch anmutenden Sprache, die mancher als verstaubt ansehen mag, für die sie jedoch völlig zu Recht mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Einige ihrer Erzählungen regen zum Schmunzeln an, andere erwärmen das Herz und passen damit genau zur Weihnachtszeit. Mit viel Einfühlungsvermögen weckt die Autorin Mitgefühl mit ihren Charakteren, lässt ihre Leser mitleiden oder mitbangen. Während einige Geschichten eher der angenehm leichten Unterhaltung zuzuschreiben sind, enthalten andere einen tiefgründigen ernsten Kern wie die Erzählung um den immer wiederkehrenden Krieg auf der Welt. Es geht um Armut, um Menschen mit schweren Schicksalen, die sich mit Mut und Ausdauer ihrem Leben stellen. Kein Wunder, dass Selma Lagerlöff so fesselnd und authentisch erzählt: Vieles beruht schließlich auf den Erlebnissen in ihrem eigenen Leben.
Der zum Teil aus heutiger Sicht recht altmodische und naive christliche Glaube, der in vielen der Geschichten durchscheint, ist der Zeit geschuldet, in der Selma Lagerlöff sie aufschrieb und vor allem der Zeit, in die die Legenden zurückdatieren. Als historisches Zeugnis und nostalgische Geschichtensammlung sind die „Geschichten zur Weihnachtszeit“ wunderbar zu lesen. Ein echtes Manko ist jedoch die allerletzte Geschichte: Eine Legende um einen heiligen fast eingetrockneten Brunnen und die drei Weisen. Die drei weisen Bettler werden als alter Mann, als mit dem Aussatz behafteter Mann und als „schwarzer Neger mit wulstigen Lippen“ bezeichnet. Doch damit nicht genug: Später wird der alte Mann auf mysteriöse Weise wieder jung, der Kranke gesund – und der Äthiopier? Er wird zu einem „schönen, weißen Mann“. Eine Rassismus sondergleichen, der in einer Neuauflage nichts verloren hat und nicht zu entschuldigen ist. Selbst wenn es sich um eine alte Legende handelt, gehört mindestens eine Fußnote in den Text, der die fürchterliche Botschaft des Textes (es sei besser, ein hellhäutiger Mann zu sein) geraderückt.
Fazit
Selma Lagerlöff verhilft den alten Legenden und Mythen rund um das Weihnachtsfest zu neuem Leben, und das wirkt ebenso nostalgisch wie bezaubernd. Fragwürdig ist in dieser Zusammenstellung die rassistisch anmutende letzte Geschichte, die in einer Neuauflage mit einer Anmerkung versehen oder aus der Sammlung entfernt werden sollte.
- ISBN10
- 3485009962
- ISBN13
- 9783485009966
- Dt. Erstveröffentlichung
- 1967
- Gebundene Ausgabe
- 208 Seiten