Die Kinderfrau

Ein Fall für Kostas Charitos

Autoren
Übersetzer
Michaela Prinzinger
Verlag
Diogenes Verlag
Anspruch
5 von 5
Humor
5 von 5
Lesespaß
5 von 5
Schreibstil
5 von 5
Spannung
4 von 5

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Zusammenfassung zu “Die Kinderfrau”

Endlich heiratet Katarina, die Tochter des sehr typisch griechischen Kommissars Kostas Charitos. Doch zum Entsetzen ihrer Eltern will Katarina nur standesamtlich und nicht kirchlich heiraten. Ein Schock für die Eltern, besonders für Adriani, Katarinas Mutter. Um darüber hinwegzukommen und erste Einkäufe für die Hochzeit und den zukünftigen Hausstand zu erledigen, und damit Kostas endlich einmal Urlaub macht, beschließt das Ehepaar Charitos, eine Reise nach Istanbul zu buchen. In Istanbul wird Kommissar Charitos vom griechischen Schriftsteller Markos Vassiliadis angesprochen, der sich nach dem Verbleib seiner alten Kinderfrau Maria Chambou – einer Pontusgriechin – erkundigt, die eigentlich in der Reisegruppe sein sollte. Da der griechische Kommissar sowieso wenig Lust hat, die Sehenswürdigkeiten von Istanbul zusammen mit einer Reisegruppe zu erkunden, stürzt er sich in die Ermittlungen um den Verbleib der Kinderfrau, die mittlerweile neunzig Jahre alt ist. Als Charitos die Polizei in Drama anruft, um sich erkundigen, ob Maria Chambou noch in Griechenland ist, erfährt er, dass der Halbbruder der ehemaligen Kinderfrau an einer vergifteten Käsepitta verstorben ist und dass Maria tatsächlich eine Busfahrkarte nach Istanbul gekauft hat – nach dem Tod ihres Halbbruders, dem sie, wie sich für eine Griechin gehört, den Haushalt führte. Auch in Istanbul taucht nun eine Leiche auf, die an einer vergifteten Käsepitta verstarb. Kostas Charitos wird nun ganz offiziell zum Vermittler zwischen der türkischen und griechischen Polizei ernannt und versucht zusammen mit dem türkischen Polizisten Murat, der seinerseits in Deutschland groß geworden ist, die mysteriösen Mordfälle, denen noch weitere folgen werden, aufzuklären. Ganz nebenbei lernt der Kommissar die Stadt Istanbul und die Geschichte der griechischen Gemeinde dort kennen – die mittlerweile sehr geschrumpft ist, denn das Verhältnis zwischen Griechen und Türken hat im Zwanzigsten Jahrhundert bekanntermaßen sehr gelitten. Zwischendurch nimmt der Kommissar, wegen des lieben Ehefriedens, immer wieder am Programm der Reisegruppe teil. Auch die Annäherung zwischen dem recht weltoffenen türkischem Polzisten, der unter den Dogmen seiner Vorgesetzten leidet, und dem eher vorurteilsbeladenen griechischen Kommissar, nimmt einen breiten Raum ein, der sehr schön die moderne Weiterentwicklung griechisch – türkischer Beziehungen in Zeiten der Globalisierung illustriert. Die Ermittlungen zu den Mordfällen führen tief in die Vergangenheit – bis hin zu dem Pogrom gegen die Griechen in der Nacht vom 7. September 1955, dass Maria Chambou, die mittlerweile als Serienmörderin gesucht wird, in Istanbul miterlebte. Handelt es sich um den Rachefeldzug einer neunzigjährigen Frau? Die Aufklärung des Falles führt am Ende den griechischen Kommissar Kostas Charitos, den deutsch-türkischen Polizisten Murat Saglam und den alten griechischen Schriftsteller Markos Vassiliadis zurück an die Schwarzmeerküste, nach Trabzon, in die Vaterstadt von Maria Chambou. Hier erlebte die Greisin als siebenjährige die erste Vertreibung ihres Lebens: Mit ihrer Mutter floh sie auf einem Schiff nach Istanbul.

Wichtige Charaktere

  • Kostas Charitos
  • Adriani, die Frau von Costas
  • Katarina, die Tochter
  • Murat ein türkischer Polizist
  • Maria Chambou und viele der Menschen, die sie in ihrem Leben mit Käsepitta beglückte

Zitate

„Mit einem Mal wird mir klar, worin der Unterschied zwischen Athen und Istanbul liegt. In Athen sind die Sehenswürdigkeiten unsichtbar, hier sind die meisten sichtbar. Gut, wir haben die Akropolis, den Tempel des Olympischen Zeus, den Kerameikos und ein Stückchen außerhalb des Poseidontempel von Sounion. Alles andere ist verborgen, entweder tief in der Erde oder in den Kellergeschossen der Museen. In Istanbul hingegen ist alles dem öffentlichen Anblick preisgegeben, als hätten hier die Leute zu allen Zeiten bei ihrer Abreise alles unverändert liegen- und stehenlassen und sich einfach aus dem Staub gemacht. Und zum Glück hat keiner je daran gedacht, Ordnung zu schaffen. …In Athen fördert man mit jedem Spatenstich etwas Antikes zutage. Hier läuft man in Gefahr, halb Istanbul zum Einsturz zu bringen, sollte man den Spaten ansetzen.“

„Die Einkäufe sind ja nicht für mich, sondern für Katerina. Eine gute Gelegenheit ein paar Dinge zu besorgen, die hier wesentlich günstiger sind. Athen ist ja sündhaft teuer geworden.“

„Doch nun überfällt mich plötzlich die Panik. Dieser Mord wirft alle meine Pläne über den Haufen, vielleicht verpasse ich die Abreise oder kann nur kurz zur Hochzeit bleiben und muss gleich wieder zurück. Meine erste Sorge ist, dass Adriani zur Furie wird. Und in diesem Fall retten mich auch keine gezinkten Karten, denn die hat Chambou für sich reserviert.“

„Erst als ich die Namen von Zoe und Minas hörte. Sie waren unsere Nachbarn als wir noch in Cihangir wohnten. Maria war ihr Dienstmädchen gewesen. Sie war jung damals, vielleicht zehn Jahre älter als ich. Alle mochten sie gern, nicht nur ihre Herrschaften, auch meine Mutter. In jungen Jahren konnte sie herrliche Pitas zubereiten. Meine Mutter, die auch eigenhändig Blätterteig auszog, hat sie immer wieder geneckt. ‚Maria, heute gelingt mir die Pita bestimmt besser als dir‘, sagte sie zu ihr. Und Maria lachte. ‚Ihre ist immer leckerer, Melek Hanim‘, antwortete sie, aber aus reiner Höflichkeit. Den Marias Pita war unübertrefflich.“

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Persönliche Bewertung

Ein Grieche entwirrt in Istanbul die Historie der Vertreibung griechischer Minderheiten.

5 von 5

‚Die Kinderfrau‘ ist einer der besten Kostas-Charitos-Romane von Petros Markaris. Was vielleicht darin liegt, dass der Kommissar einmal das kleine Griechenland verlässt und sich der wechselhaften Geschichte der Vertreibung griechischer Minderheiten stellt. Die Figur der Maria Chambou erlebt ein recht typisches Schicksal, das in griechischen Familien bis heute präsent ist. Vertrieben als Pontu-Griechin aus der Heimat am Schwarzen Meer, in Istanbul nie wirklich heimisch geworden und zum Schluss nach Griechenland ausgewandert. Das verhärtet die Seelen der Menschen. Grandios gelingt es Markaris, in diese Zusammenhänge einzuführen, die den meisten Westeuropäern wenig geläufig sein dürften. Dabei gelingt es ihm dann auch noch, ausgesprochen interessante Parallelgeschichten miteinzuführen. Egal ob man damit auf seine typisch griechisch Ehe zielt, auf die ebenfalls recht typischen Eltern-Kind-Beziehungen oder auf die eher weniger typische Annäherung zwischen dem griechischen und dem türkischen Polizisten. Nicht zu vergessen: auch der traditionell recht untergeordnete Status der Frau wird hier und da unterschwellig benannt. Und ganz nebenbei taucht man auch noch tief in das Stadtleben von Istanbul ein. Einfach grandios! Makaris ist ein Kriminalroman gelungen, der sanft beginnt und eigentlich dahinplätschert, aber unterschwellig einen enormen Spannungssog aufbaut, der da dazu führt, dass der Leser schon fast den Geschmack einer selbst gebackenen Käsepitta auf der Zunge spürt. Quasi gratis gibt es dann noch einen Grundkurs über die wechselhafte Geschichte griechischer Minderheiten, die heute zumeist alle in Griechenland leben. Insofern dann eben doch ein ganz griechischer Roman.

Fazit

Ein Grieche entwirrt in Istanbul die Historie der Vertreibung griechischer Minderheiten und erzählt dazu noch reichlich lebensnahe Geschichten drum herum.

Originaltitel
Palia, poly palia (Παλιά, πολύ παλιά)
ISBN10
3257240414
ISBN13
9783257240412
Dt. Erstveröffentlichung
2009
Taschenbuchausgabe
315 Seiten