Die Blechtrommel

Autoren
Verlag
Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv)

Zusammenfassung zu “Die Blechtrommel”

Günter Grass‘ Roman „Die Blechtrommel“ ist Teil einer Trilogie, die sich aus den zwei weiteren Romanen „Katz und Maus“ und „Hundejahre“ zusammensetzt. „Die Blechtrommel“ gehört zu den Werken der Nachkriegsliteratur und der Schriftsteller erhielt für diesen Roman den Literaturnobelpreis. Die Handlung spielt hauptsächlich in Günter Grass‘ Geburtsort Danzig, zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, wechselt später nach Düsseldorf und Frankreich.

Der Roman umspannt das Leben einer Kleinbürgerfamilie aus Danzig während des Nationalsozialismus und des Krieges, das von Oskar Matzerath, einem dreißigjährigen Mann in einer Heilanstalt in leicht grotesk-surrealer Bildersprache erzählt wird. Mittels der Vorkommnisse wird sowohl gegen das Vergessen angeschrieben, als auch auf die Absurdität dieser Zeit hingewiesen, gerade all die Menschen näher betrachtet, die sich aufgrund ihrer Ignoranz und Verblendung zu Mitläufern und Opfern machten. Auch wird hinterfragt, inwieweit ein Mensch Schuld hat, wenn er sich dem Geschehen entzieht, verweigert oder darin ganz und gar aufgeht.

In der „Blechtrommel“ wird vordergründig der Protest eines Jungen beschrieben, der sich weigert, weiter zu wachsen. Oskar Matzerath kommt seiner Ansicht nach „vollkommen fertig“ zur Welt, rechnet sich zu den Menschen, die schon seit ihrer Geburt ihre geistige Entwicklung abgeschlossen haben. Mit dieser bleibt er ein „Bewohner“ seines kindlichen Körpers, so dass er die Perspektive des Kindes beibehält, jedoch mit dem Geist des Erwachsenen urteilt, den er den Menschen seiner Umgebung auf sehr subtile Art und Weise vorführt. Er beschränkt all das, was er zu sagen hat, auf das Nötigste, stellt sich als zurückgeblieben hin. Mit drei Jahren stürzt er sich mit dem Kopf voran die Kellertreppe hinunter, um seinen Beschluss endgültig zu machen, da ihm durch das Kind-Sein die Möglichkeit vorbehalten bleibt, Geheimnisse und Geständnisse seiner Umwelt anders zu erfassen. Über seine Blechtrommel, die er zu seinem dritten Geburtstag geschenkt bekommt, kann er Ereignisse wahrnehmen und nachvollziehen, die nicht nur in seinem eigenen Leben geschehen, sondern auch in der Vergangenheit. Mittels des Instruments kann er Gedanken und Szenen rhythmisch herbeitrommeln, auch später, als Dreißigjähriger seine Erinnerungen auffrischen. Das Trommeln dient ihm gleichzeitig als Warnung und als Kritik an der Gesellschaft.

Sein Protest gegen die Umwelt, den Betrug, die wechselnden Beziehungen zwischen den Menschen in seiner Umgebung und Familie, die kriegsbedingten Vorgänge und die nationalsozialistische Bedrohung richtet sich auch gegen sich selbst, da er die Menschen zu manipulieren beginnt. Als der Nationalsozialismus seinen Höhepunkt erreicht, Oskar mittels seiner Trommel Verwirrung auf einer der Versammlungen der Nazis stiftet, sein eigener Vater Mitglied der NSDAP wird und seine Mutter an einer Fischvergiftung stirbt, verliebt sich Oskar in Maria, die schwanger wird und seinen Vater heiratet. Er glaubt sich als den Vater des Kindes. Am Ende wird Oskar der Tod seiner Schwester vorgeworfen, die ermordet wurde.

Wichtige Charaktere

  • Anna Bronski (Großmutter)
  • Joseph Koljaiczek (Großvater)
  • Jan Bronski – Cousin und Geliebter von Anges Koljaiczek (Mutter Oskars)
  • Alfred Matzerath (Vater Oskars)
  • Maria Truczinski (zweite Frau des Vaters und erste Liebe Oskars)
  • Kurt (Stiefbruder oder Sohn Oskars)
  • Musikclown Bebra (Liliputaner)
  • Roswitha Raguna (Zwergin)
  • Sigismund Markus (Spielzeugladenbesitzer)
  • Fajngold (jüdischer Kaufmann)

Interpretation

Das Kind Oskar ist in vielerlei Hinsicht von einem sehr hellsichtigen, klugen Charakter geprägt, ist ein Narr und Schelm, der manchmal auch ins krankhaft Bösartige und Zynische abdriftet. Grass hat seine Figur nicht festgelegt und sie ist schon gar nicht unschuldig.

Oskar ist ein Verweigerer in vielerlei Hinsicht. Das Beharren Oskars, ein Kind bleiben zu wollen, lässt sich auch als Flucht vor der Verantwortung verstehen. Er will nicht handeln, nur hinweisen. Er ist die Instanz zwischen dem Geschehen, ein Warnender und Beobachter, der nur andeutet, nicht hilft. Er verweist auf sexuelle Untreue, auf Betrug und Korruption, zeigt auf den politischen Wahn vor der Tür, während die Erwachsenen so sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt sind, dass sie all das nicht wahrnehmen und nicht auf „das Kind“ hören, das wiederum mit dieser Rolle spielt. Nur Oskar allein erkennt die Gefahr der Manipulation, während sich seine gesamte Familie nach und nach auflöst. All das, was er durch die Trommel anklagt, wendet er bald auch selbst an, wird seinerseits Manipulator. Er genießt die Macht des Unscheinbaren.

Die Rolle des Kindes verweigert sich dabei dem Annehmen der Schuld. Die Froschperspektive und die Trommel, durch die Oskar aufrütteln will, versinnbildlichen den Widerspruch zwischen dem Übergangen-Werden und dem Unüberhörbaren. Ebenso die Fähigkeit Oskars, mit dem Schrei Glas zu zersprengen, die er mehrfach anwendet und als Gabe wieder verliert, um zu verdeutlichen, wann sich der innere Wandel in ihm vollzieht. Der Leser hat durch die feinen Nuancen der Erzählung die Möglichkeit, sich über die Schuldfrage in vielerlei Hinsicht klarzuwerden.

Zitate

„Da sagte, da entschloss ich mich, da beschloss ich, auf keinen Fall Politiker und schon gar nicht Kolonialwarenhändler zu werden, vielmehr einen Punkt zu machen, so zu verbleiben – und ich blieb so, hielt mich in dieser Größe, in dieser Ausstattung viele Jahre lang.“

„Unter Glühbirnen geboren, im Alter von drei Jahren vorsätzlich das Wachstum unterbrochen, Trommel bekommen, Glas zersungen, Vanille gerochen, in Kirchen gehustet, Luzie gefüttert, Ameisen beobachtet, zum Wachstum entschlossen, Trommel begraben, nach Westen gefahren, den Osten verloren, Steinmetz gelernt und Modell gestanden, zur Trommel zurück und Beton besichtigt, Geld verdient und den Finger gehütet, den Finger verschenkt und lachend geflüchtet, aufgefahren, verhaftet, verurteilt, eingeliefert, demnächst freigesprochen, feiere ich heute meinen dreißigsten Geburtstag und fürchte mich immer noch vor der Schwarzen Köchin – Amen.“

Persönliche Bewertung

Mischung aus leichtfüßiger Poesie und grausamen, gar ekelerregenden Schreckensszenen

4 von 5

Günter Grass hat seinen eigenen Stil, der sich als groß angelegtes Puzzlespiel zwischen Realismus und Fantasiewelt bewegt. Das Buch enthält drei Teile, der erste spielt vor dem Zweiten Weltkrieg, der zweite währenddessen, der dritte nach dem Krieg. Häufig ist der Roman mit komplizierten und ab und an auch langatmigen Szenen konzipiert, durch die der Leser schon einmal den Faden verlieren kann. Er ist keinesfalls leichte Kost. Manche Szenen geraten ins Absurde, sind schwierig nachzuvollziehen. Zwischen dem, was vor den Augen des Kindes geschieht und dem Blick, wie es die Welt versteht, zwischen seiner Weigerung und seinem Hass wechselt die Sicht beständig.

„Die Blechtrommel“ ist eine Collage von verschiedenen Geschichten mit vielen Handlungsebenen und Charakteren, während der Erzähler Oskar Matzerath häufig auch von der Ich-Perspektive in die dritte Person verfällt, manchmal sogar mitten im Satz, um so eine Distanz zu seinem Erzählen zu gewinnen. Der Leser hat kaum die Möglichkeit, sich mit diesem Protagonisten zu identifizieren, zu fremdartig wirkt der ambivalente Charakter. Das wiederum erschwert, die Welt durch Oskars Augen zu betrachten. Andererseits wird der Leser mit außergewöhnlichen Situationen belohnt und hat durch den Wechsel zwischen Realität und Absurdität viel Gelegenheit, die Bedingungen zu durchdenken und zu interpretieren.

Da Günter Grass sein Leben in einer Biografie bereits beschrieben hat, lassen sich auch Verbindungen zwischen dem Protagonisten seines Werkes und ihm selbst knüpfen. Da ist zum einen der Geburtsort Danzig, seine Eltern, die Ausbildung zum Steinmetz, dennoch ist „Die Blechtrommel“ kein autobiografisches Werk. Vielmehr soll auf die gesellschaftsbetonte Verdrängung der Schuldfrage verwiesen, die Heuchelei und Verblendung der Menschen aufgezeigt werden, gegen die der von außen unscheinbare, in seinem Inneren aber gewaltige Welten bergende Oskar antrommelt.

Fazit

Grass detaillierter und komplizierter Schreibstil ist nicht jedermanns Sache, dennoch besticht der Autor durch seine wunderbare und klare Sprache, durch das Skurrile, Witzige und Poetische in seinem Werk. Der Leser trifft somit auf eine Mischung aus leichtfüßiger Poesie und grausamen, gar ekelerregenden Schreckensszenen und Schilderungen, die mitunter sogar Übelkeit auslösen können (darunter ein Pferdekopfkadaver, aus dem sich Aale schlängeln).

ISBN10
3423118210
ISBN13
9783423118217
Dt. Erstveröffentlichung
1959
Taschenbuchausgabe
784 Seiten

Eine Antwort zu
Die Blechtrommel

  1. Ludwig Sabine

    Kann nicht verstehen(promovierte Germanistin),dass die­ses Durch­ein­an­der­buch ,das unend­lich langweilt,Weltrang haben soll