Das Leben ist kurz

vita brevis

Autoren
Übersetzer
Gabriele Haefs
Verlag
Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv)

Zusammenfassung zu “Das Leben ist kurz”

Jostein Gaarders Roman beginnt mit einer Vorgeschichte, in der er selbst in einem Antiquariat in Buenos Aires einen sehr alten Brief, den er dem Antiquar für eine hohe Summe abkauft. Bei der Brief handelt es sich um einen langen Brief einer Frau namens Floria, die lange Jahre mit Kirchenvater Augustinus unehelich zusammen lebte und mit diesem ein Kind zeugte, bevor sie dieser verstieß und sich seinem Glauben widmete. Floria schrieb den Brief, nachdem sie Augustinus Bekenntnisse gelesen hatte und das Bedürfnis verspürte ihrem früheren Geliebten darauf zu antworten und seinen Glauben, der schon einem Wahn gleicht, zu hinterfragen. Dieses Buch nun enthält Gaarders Übersetzung des Briefes mit zahlreichen Anmerkungen angereichert, um das Lesen verständlicher zu machen.

Floria wird als intelligente Frau dargestellt, die zahlreiche Zitate und Anspielungen auf griechische Mythen und philosophische Zitate in ihren Brief einbaut. Sie arbeitet Augustinus‘ Bekenntnisse von vorn bis hinten durch, kommentiert diese mit ihrer Seite der Geschichte, ihren Gefühlen und Ansichten dazu. Sie präsentiert Augustinus als einen Mann, der durch den Einfluss seiner Mutter und seiner immer stärker aufkommenden eigenen Interpretation des christlichen Glaubens als eine Verneinung aller irdischen Genüsse, sogar aller menschlichen Sinne als „Sünde“ zu einem gänzlich anderen Menschen wurde, der letzten Endes sogar seine einstige Geliebte brutal schlägt, da er sie stellvertretend für seine eigenen, ihm verhassten Sinne und gelüste verantwortlich macht.

Wenn auch ausführlich und mit zahlreichen Zitaten aus seinen Bekenntnissen angereichert, sind Florias Kernaussagen im Wesentlichen: kann es Gottes Wille sein, dass die Menschen seine Schöpfung verneinen und sich von ihr abwenden oder ist das nicht eher Gotteslästerung, sein Werk nicht mit allen Sinnen zu genießen und wertzuschätzen? Gibt es überhaupt einen Gott oder ist womöglich das Leben nach dem Tod zu Ende, sodass alle Selbstkasteiungen und Entsagungen letztendlich völlig unnötig waren?

Wichtige Charaktere

  • Kirchenvater Augustinus
  • seine Geliebte Floria
  • ihr gemeinsamer Sohn Adeodatus
  • Augustinus‘ Mutter Monika

Zitate

Ich fröstle, denn ich fürchte, es wird eine Zeit geben, in der die Kirchenmänner Frauen wie mir das Leben nehmen werden. Und warum soll diesen Frauen das Leben genommen werden, gnädiger Bischof? Weil sie euch daran erinnern, dass ihr eure eigene Seele und euren Leib verleugnet. Und wieso tut ihr das? Für einen Gott, sagt ihr, für ihn, der den Himmel über euch und dazu eine Erde geschaffen hat, auf der ihr doch tatsächlich von uns Frauen geboren werdet.
Wenn es Gott gibt, möge Er euch vergeben. Aber vielleicht werdet ihr eines Tages verurteilt werden, weil ihr allen Freuden des Lebens den Rücken gekehrt habt. Ihr verleugnet die Liebe zwischen Mann und Frau. Vielleicht kann das verziehen werden. Aber ihr verleugnet sie im Namen Gottes.“

Persönliche Bewertung

hochinteressante Auseinandersetzung mit Glaube und Wahn des Kirchenvaters Augustinus

5 von 5

Auch wenn Gaarder Floria vielleicht etwas zu sehr wie eine aufgeklärte Frau des 20. Jahrhunderts klingen lässt, die in der Lage ist sich kritisch mit dem damals vorherrschenden christlichen Glauben auseinanderzusetzen und seine Grundsätze in Frage zu stellen, ist es dennoch eine bemerkenswerte Lektüre, die Augustinus‘ Bekenntnisse von einer anderen Seite beleuchtet, seine Widersprüche aufdeckt und seine lebensverneinende Haltung scharf kritisiert. Sehr anspruchsvoll geschrieben, mit zahlreichen Fußnoten, Zitaten aus den Orignalbekenntnissen und Anspielungen auf Mythen und philosophische Zitate der alten Griechen versehen, ist dieses Buch definitiv keine leichte Lektüre, kann jedoch trotzdem auch von gebildeten Jugendlichen gelesen und verstanden werden. Nicht nur für Kirchenkritiker, auch für moderne Christen, hat Gaarder einen anregenden Roman verfasst, der auf intelligente Weise den Glaubenswahn in seiner Absurdität offenlegt und am Ende zu dem Schluss kommt: das Leben ist zu kurz, um es nicht zu genießen und auch wenn es einen Gott geben sollte, so kann es kaum dessen Wille sein, dass die Menschen seiner „Schöpfung“ so den Rücken zukehren und sich allen Genüssen entsagen!

Originaltitel
Vita brevis
ISBN10
3423127112
ISBN13
9783423127110
Dt. Erstveröffentlichung
1999
Taschenbuchausgabe
136 Seiten