Berlin – Vergewaltigte Stadt

Besiegt – Besetzt – Eingemauert. Die Geschichte Berlins

Autoren
Verlag
Schikkus Verlag

Zusammenfassung zu “Berlin – Vergewaltigte Stadt”

Tom Buchwald will mit seinem Berlin-Buch den Leser und Betrachter weit in die grausige Entstehungsgeschichte Berlins entführen. Gestartet wird mit einem Vorwort, dass sich mit den seelischen Verheerungen auseinandersetzt, welche die Nazizeit, der Zweite Weltkrieg, die Mauer  und das Eingemauert-Sein in den Berlinern hinterließen. Danach setzt ein rasanter Ritt durch die jüngere Geschichte der Stadt ein. Er beginnt bei den Hinterlassenschaften der Nazis, begleitet die Stadt beim „Auferstehen aus den Ruinen“, widmet ein Kapitel der Zeit zwischen dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Jahr 1949, als sich die beiden deutschen Staaten gründeten, dass passenderweise die Überschrift „Völker der Welt! Schaut auf diese Stadt!“ trägt. Weiter geht es mit dem Leben und Leiden im Osten Berlins. Beschrieben und bebildert werden hier unter anderem sowohl die Flüchtlingsströme als auch die Sprengung des Stadtschlosses. Go West – Leben auf der „Insel“ zeigt dann die andere Seite der Stadt, in der am 28. August 1953 schon die erste jüdische Synagoge eingeweiht wurde und am 06.Juni 1951 die ersten Internationalen Filmfestspiele eröffneten. Weiter geht es mit dem Mauerbau unter dem Titel „Was am 13. August 1961 wirklich geschah“. Hier sieht man die Menschen aus dem Fenster springen – letzter Weg in den Westen. Die Stadt ist gespalten: in „Die Eingemauerten“ und die „Menschen auf der Insel“, denen jeweils die nächsten beiden Kapitel gewidmet werden, dabei wirft der Autor einen interessanten Blick auf die Väter der Wirtschaftswundergeneration, die nachdem sie auch in Westberlin ordentlich mit angepackt haben, recht zufrieden mit sich sind, aber mit ihrer selbstgefälligen, spießig konservativen Haltung die „Wut der Söhne“ … weckten – eine interessante Betrachtungsweise, der ein weiterer Abschnitt und interessante Fotos gewidmet sind. Endlich wankt die Mauer („Die Mauer wankt“) und sie fällt wegen eines „Zettels, der die Weltgeschichte veränderte“. „Eine rasende Zeitreise“ fasst die Geschichte der Stadt noch einmal zusammen. Im letzten Kapitel fragt der Autor nach der „Zukunft Berlins“ und äußerst fundiert seine ganz subjektiven Vorstellungen.

Zitate

„Es war einmal …Nur wenige wissen etwas von der ungeheuerlichen Entstehungsgeschichte dieser Stadt, die in den Niederungen eines Urstroms der Eiszeit entstand, dieser Stadt, in der sehr später Menschen in tiefster Not und aus blinder Verzweiflung die Galgen plünderten, um sich am Fleisch der Gehenkten satt zu essen …Berlin als Weltstadt lag noch in weiter Ferne. Und doch so nah…“

„Die Zukunft Berlins? Die Ängstlichen werfen ein, dass alle Bemühungen, den „Neuberliner“ unsere Wertvorstellungen zu vermitteln, kläglich scheitern. Und greifen zu Aphorismen, sagen: auch eine Brücke verringert nicht den Abstand zweier Ufer. …Das Unterschiedliche muss dem Verständnis zugänglich sein, denn die Wurzel allen Übels sind Unwissenheit und Angst. Auch die in Immigrantenkreisen fallenden Hemmschwellen, die steigende Kriminalität und eine unter dem Deckmantel religiöser Überzeugungen und obskurer Ehrbegriffe sich rasend schnell verbreiternde Brutalisierung, erlaubt keine andere Sichtweise.“

Persönliche Bewertung

Unbedingt empfehlenswerte, historisch fundierte, engagiert geschriebene, ausdrucksstark bebilderte Zeitreise durch die Geschichte Berlins

4 von 5

Ein fast berauschendes Buch. Als Berliner ist man schnell geneigt, die wechselvolle Geschichte dieser Stadt aus dem Auge und damit auch aus dem Sinn zu verlieren. Diesem engagierten, klugen, mit reichhaltigem historischem Foto – und Quellenmaterial bestückten Buch gelingt es, die Erinnerung daran wieder zu erwecken. Dabei ist der Text von Tom Buchwald weit entfernt von dem ganzen Berlin- ist-Chic-und-Kreativ und Berlin-hat-Immigrantenghettos-Hype, der derzeit durch die Buchlandschaft grassiert. Geliefert wird einfach eine faszinierend detailreiche Zeitreise durch die jüngste Geschichte der Stadt, die auch einen Blick auf die Zukunft zulässt, geschrieben mit dem Herzen und aus der Feder eines Berliners, der seine Stadt kennt und liebt – und vor allem auch ihre Konfliktlinien. Unbedingt zu empfehlen, will man sich der Geschichte etwas abseits von der offiziellen Geschichtsschreibung nähern, ein Thema, dem der Autor auch so manchen Seitenhieb versetzt. Punktabzug gibt es nur, weil dieses Buch es verdient hätte, etwas kostbarer verpackt zu werden und die Bilder auf dem Hochglanzpapier dann doch an Ausdruckskraft leiden.

Fazit: Unbedingt empfehlenswerte historisch fundierte, engagiert geschriebene Zeitreise durch die Geschichte Berlins von der Nazizeit bis heute. Verfasst von einem Berliner, der keine Kompromisse an den Zeitgeist zulässt.

ISBN10
3938815000
Dt. Erstveröffentlichung
2005
Gebundene Ausgabe
192 Seiten