Die letzte Delikatesse
Zusammenfassung zu “Die letzte Delikatesse”
Ein weltberühmter Gourmet und Restaurantkritiker erfährt von seinem Arzt, dass er nur noch zwei Tage zu leben hat. Er lässt sein Leben Revue passieren, erinnert sich an die Genüsse seines Lebens und versucht sich an einen ganz bestimmten Geschmack zu erinnern, den er vor seinem Tod unbedingt noch einmal verspüren möchte. Er ist ein skrupelloser Mensch, ein echter Genussmensch, der für seine Familie wenig übrig hat und einzig für das Essen eine echte Leidenschaft verspürt. Er rühmt sich damit, Restaurants zum Triumph verholfen und anschließend in den Ruin getrieben zu haben. Für seine Mitmenschen hat er oft nur Arroganz und Verachtung übrig, sogar seine Frau ist eher ein schönes Objekt seiner Sammlung für ihn als eine Lebenspartnerin. Einzig seinem Enkel Paul bringt er einen gewissen Respekt und eine Art von Zuneigung entgegen.
In verschiedenen Kapiteln erinnert er sich an die Genüsse des Fleisches, des Fisches, des Rohen, an die Freuden des Gemüse- und Kräutergartens seiner Tante Martha, an den Genuss guten Brotes, einfachen aber guten Essens, an einen vorzüglichen Toast, seinen Vorliebe für guten Whiskey, an die Freuden einer guten Eiscreme und eines exzellenten Sorbets sowie einer einfachen Mayonnaise, um am Ende überraschend das Geheimnis nach dem gesuchten Geschmack zu lüften.
Dazwischen kommen die Menschen in seiner Umgebung zu Wort, charakterisieren ihn als Gourmet, als Familienvater, als Ehemann, als Geliebten, als Kritiker, als Mensch allgemein. Seine Ehefrau Anna, seine Tochter Laura, sein Sohn Jean und sein Enkel Paul, sogar sein Hund oder eine Kunstfigur in seinem Arbeitszimmer berichten aus ihrer Sicht über einen außergewöhnlichen, wenn auch wenig sympathischen Mann, tragen jeder ein kleines Teil zu einer besonderen Charakterstudie bei, die sowohl aus der Innensicht des Gourmets selbst als auch aus der Außensicht durch die Augen seiner Umgebung entsteht.
Wichtige Charaktere
- der Gourmet und Restaurantkritiker
- seine Frau Anna
- seine Tochter Laura
- sein Sohn Jean
- sein Enkel Paul
- Georges, auch Restaurantkritiker
Zitate
„Zusammengesunken auf der Bank unter der Linde, erfüllt vom sanften Singsang der Blätter, erwachte ich von einer wollüstigen Siesta, und unter diesem Vordach aus süßem Honig biss ich in die Frucht, biss ich in die Tomate.
Als Salat, am Backofen, als Ratatouille, als Konfitüre, gebraten, gefüllt, eingelegt, klein wie Kirschen, groß und weich, grün und sauer, mit Olivenöl verfeinert, mit Grobsalz, Wein, Zucker, Paprika, zerquetscht, gehäutet, als Sauce, als Mus, als Schaum, als Sorbet sogar: Ich dachte, ich hätte sie in all ihren Varianten probiert, und glaubte bei mehr als einer Gelegenheit, ihr Geheimnis ergründet zu haben, in Artikeln, die von den Speisekarten der Größten inspiriert waren. Wie idiotisch, wie armselig … ich habe Mysterien erfunden, wo es keine gab, und um ein gar klägliches Geschäft zu rechtfertigen. Was ist denn Schreiben schon, und mögen es auch brillante Artikel sein, wenn diese nichts über die Wahrheit sagen, weil sie so wenig ums Herz bemüht, so sehr der Lust zu glänzen unterworfen sind. Dabei kenne ich die Tomate seit jeher, seit Tante Marthas Garten, seit jenen Sommern, die das kleine kümmerliche Gewächs mit einer immer glühenderen Sonne sättigten, seit damals, als ich mit meinen Zähnen eine Öffnung in ihre Haut riss, um meine Zunge mit einem lauwarmen, gehaltvollen Sarft zu benetzen, dessen großzügige Natur durch die Kälte des Eisschranks, den Angriff des Essigs und den falschen Adel des Öls überdeckt wird. Zucker, Wasser, Mark, flüssig oder fest? Die rohe Tomate, kaum gepflückt, im Garten verschlungen – das ist das Füllhorn der einfachen Empfindungen, ein im Mund zerstiebender Wasserfall, der ihre ganzen Freuden vereint. Der Widerstand der Haut, der sich gerade ein bißchen, gerade ausreichend spannt, das schmelzende Gewebe, diese kernhaltige Flüssigkeit die aus den Mundwinkeln fließt und die man abwischt ohne Angst, sich damit die Finger fleckig zu machen, diese fleischige kleine Kugel, die einen Schwall von Natur in uns ergießt: Das ist die Tomate, das ist das Abenteuer.“
Persönliche Bewertung
Eine außergewöhnliche Charakterstudie und ein anspruchsvoller kulinarischer Roman
Muriel Barbery erlangte durch ihren zweiten Roman „Die Eleganz des Igels“ weltweite Bekanntheit, doch ihr erster Roman ist mindestens genauso bemerkens- und lesenswert. In einer anspruchsvollen und sehr poetischen Sprache entwirft sie das Bild eines ungewöhnlichen Mannes, der sei Leben dem Genuss verschrieben hat, dessen Leidenschaften sich aber einzig auf das Kulinarische beschränken und der für seine Familie und Bekannten wenig Zuneigung aufbringt. Durch die außergewöhnliche Erzählform, bei der sich Kapitel aus Sicht des Ich-Erzählers, des Gourmets, mit Kapiteln aus Sicht seiner nächsten Menschen abwechseln, erhält der Leser ein ganz besonderes Bild dieses Mannes, der fazinierend und abstoßend zugleich wirkt. Daneben locken den Feinschmecker die serh ausschmückend erzählten Passagen über die kulinarischen Genüsse des Lebens, von einem anspruchsvollen Gericht bis hin zum schlichten Genuss einer Tomate oder einer einfachen Scheibe Toast mit Butter. Ein anspruchsvolles Lesevergnügen der ganz besonderen Art!
- Originaltitel
- Une gourmandise
- ISBN10
- 3423137592
- ISBN13
- 9783423137591
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2009
- Taschenbuchausgabe
- 160 Seiten