Die Seiten der Welt
Zusammenfassung zu “Die Seiten der Welt”
Furia Faerfax wächst fernab der Außenwelt auf einem Landsitz auf, ihre einzige Gesellschaft ihr Bruder, ihr bücherliebender Vater, die Bediensteten – und ihre Bücher. Furia gehört, genau wie ihr Vater, zu den Bibliomanten, die Kraft und Magie aus Büchern schöpfen. Furia hat jedoch ihr Seelenbuch noch nicht gefunden, und so sind ihre Fähigkeiten noch sehr begrenzt. Aufgrund eines uralten Konfliktes zwischen den vier Häusern der Bibliomanten müssen die Faerfax sich vor der Adamitischen Akademie verstecken. Furias Vater vertreibt sich seine Zeit damit, die „Leeren Bücher“ zu suchen und zu zerstören, die Jahrhunderte zuvor ein Bibliomant schuf und versteckte, um zu einem bestimmten Zeitpunkt die „Entschreibung“ und damit die Vernichtung aller Bücher einzuleiten, also das Ende der Bibliomantik zu erzwingen.
Als die Feinde der Faerfax sie aufgespürt haben, müssen Furia und ihr Bruder fliehen. Pip gerät in die Gefangenschaft der „Umgarnten“, während sich Furia auf Empfehlung ihres Vaters nach Libropolis begibt, eines von mehreren bibliomantischen Refugien. Auch hier zieht sie jedoch schnell die Aufmerksamkeit der Obrigkeiten auf sich. In dem Mädchen Cat, das über den Dächern in einer einfachen Behausung wohnt und seinen Lebensunterhalt durch Diebstahl verdient, und Finnian, dem Gärtnerjungen, der den Rebellen angehört, findet Furia zwei Verbündete. Sie wird jedoch mächtigere Hilfe brauchen, um ihren Bruder aus den Fängen der „Umgarnten“ zu befreien…
Wichtige Charaktere
- Furia Salamandra Faerfax
- ihr Bruder Pip
- ihr Vater Tiberius Faerfax
- Severin Rosenkreutz
- Cat
- Finnian
- Isis Nimmernis
- Mater Antiqua
- die „Umgarnte“
- Puck und Ariel
- das Schnabelbuch
Zitate
„Während sie die Stufen zur Bibliothek hinablief, konnte Furia die Geschichten schon riechen: den besten Geruch der Welt.
Neue Bücher rochen nach Druckerschwärze, nach Leim, nach Erwartungen. Alte Bücher dufteten nach Abenteuern, ihren eigenen und jenen, von denen sie erzählten. Und gute Bücher verströmten ein Aroma, in dem all das steckte, und dazu noch ein Hauch von Magie.“
„Viele Läden waren hochspezialisiert. Sie begrenzten ihr Angebot auf obskure Themengebiete oder vergangene Epochen, auf kunstvolle Buchgestaltungen oder gewisse Haarfarben der Protagonisten. Irgendwo in diesem Gassenlabyrinth gab es ein Geschäft, in dem jedes Buch vierhundertvierundzwanzig Seiten besaß, nicht eine mehr oder weniger. Einige Läden verkauften ausschließlich Bücher, die der Kunde als Kind gelesen hatte, und boten eine Geld-zurück-Garantie, wenn sie ihm nicht mehr so gut gefielen wie damals. Es gab Händler handgeschriebener Tagebücher und rätselhafter Folianten aus Alraunenpapier, Beschwörer von Bücherflüchen, die jeden Dieb oder säumigen Entleiher verdammten, eine Manufaktur mit Buchgerüchen für den eitlen Bibliomanten; und angeblich wurden irgendwo sogar Bücher verkauft, die sich die Kunden nur erträumten.“
Video zum Buch
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Persönliche Bewertung
Ein Geschenk an Buchliebhaber, geschrieben von einem fabelhaften Geschichtenerzähler
Schon vor der ersten Seite verheißt das edle Cover in schwarz mit Goldprint magische Lesestunden. Eine Erwartung, die sich schon mit den ersten Sätzen des Buches erfüllt (siehe erstes Zitat). „Die Seiten der Welt“ stellt sich schnell als das ideale Buch für Bücherliebhaber heraus. Schon die Kulissen der Handlung lassen bibliophile Herzen höher schlagen: die unterirdische Bibliothek, die Refugien, das Gewächshaus, in dem Lesebändchen auf Bäumen wachsen, der Wald der toten Bücher und natürlich Libropolis (dessen Parallelen zum Moers’schen Buchhaim sich geradezu aufdrängen). Eine ganze Stadt voller Buchhandlungen, darunter absurde Spezialläden mit ausgefallener Lektüre, und natürlich die „Exlibris“, die Charaktere aus Büchern, die Assoziationen mit Cornelia Funkes Tintenwelt wecken. Dank Kai Meyers wortgewandtem deskriptivem Schreibstil erwachen Figuren und Szenen zu farbenfrohem Leben und beflügeln die Fantasie.
Die Geschichte ist jedoch nicht nur magisch und mitreißend, dank des frechen Schnabelbuchs weist sie auch einige humorvolle Anteile auf. Wer sich den zahlreichen Anspielungen auf gesellschaftliche Phänomene nicht verschließt, die im Buch angelegt sind, findet zudem so einige Gedankenanregungen, die auch anspruchsvolle Leser und Leserinnen zufriedenstellen. Die Kämpfe zwischen den (durchaus leidensfähigen) magischen Büchern erinnern an Tierkämpfe, die Exlibris und der Umgang mit ihnen symbolisieren Vorurteile und Diskriminierungen und vermitteln die Botschaft: Es kommt nicht darauf an, was jemand ist, wo er oder sie herkommt, sondern dass er/sie denken, fühlen, leiden kann! Durch Furias Augen (der Fokus des auktorialen Erzählers liegt klar auf ihr als Hauptfigur) erleben die Leser die Diktatur, die Macht und Machtkämpfe einer Elite, die unbequeme Charaktere rücksichtslos zu Terroristen erklärt und zum Abschuss freigibt. In diesem Zusammenhang ist Isis aufgrund ihrer Wandlung eine besonders interessante Figur: Was passiert, wenn jemand zu dem wird, das er vorher verabscheut und bekämpft hat? Überhaupt verzichtet Kai Meyer weitgehend auf klischeehafter Darstellung der Charaktere, denn die meisten von ihnen haben sowohl gute als auch fragwürdige Seiten und wirken damit sehr lebensnah und realistisch.
Eines muss angemerkt werden, denn die „Seiten der Welt“ ist ein Buch, dessen Zielgruppe alle Geschlechter umfasst: Es scheint sich zu Beginn des Buches eine Liebesgeschichte anzubahnen. Wer damit nichts anfangen kann, darf jedoch beruhigt sein, denn Romanzen spielen in der Geschichte kaum eine Rolle. Vielmehr fängt Furias besondere Brieffreundschaft über die Jahrhunderte hinweg den Zauber vergangener Zeiten ein. Mit Tinte und Papier unternimmt sie so eine schriftliche Zeitreise, die ihre eigenen Schwierigkeiten birgt – beispielsweise die Gefahr, die Vergangenheit und damit auch die Gegenwart zu beeinflussen. Die Vorstellung, sich auf so intime Weise mit einer längst vergangenen Zeit auszutauschen, ist so magisch und faszinierend, dass sie keiner expliziten romantischen Komponente bedarf.
„Die Seiten der Welt“ enthält so viele Ideen, dass die Seitenanzahl des Buches absolut gerechtfertigt ist. Kai Meyer erschafft eine eigene Welt, die es sich in weiteren Bänden zu entdecken lohnt. Dieser erste Band bleibt bis zum Ende spannend, weckt Vorfreude auf die Fortsetzung, verzichtet jedoch auf nennenswerte Cliffhanger. Wer dem Autor auf Facebook folgt, weiß, dass die Veröffentlichung des zweiten Bandes für den Herbst 2015 geplant ist. So darf man noch ein gutes halbes Jahr gespannt sein und sich in Geduld üben, wie es mit Furia und ihren Freunden und Verbündeten, aber auch mit ihren Feinden, weitergehen mag…
Fazit
Kai Meyer hat eine Welt erschaffen, die zwar einige Assoziationen mit Werken anderer großer Autoren und Autorinnen zulässt, aber dennoch alle bibliophilen Menschen in Begeisterung versetzen dürfte. Eine beeindruckende Fantasygeschichte über Macht allgemein, die Macht der Bücher im speziellen, über Gleichberechtigung, Gerechtigkeit und Loyalität, deren Fortsetzung man zwar nicht schmerzlich (dank eines zumindest großteils abgeschlossenen Endes von Band 1) aber dennoch voller Vorfreude erwarten darf.
- ISBN10
- 3841421652
- ISBN13
- 9783841421654
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2014
- Gebundene Ausgabe
- 560 Seiten