Interview mit Irmela Erkenbrecht
Wir haben der Kochbuch- und Gartenbuchautorin und Übersetzerin Irmela Erckenbrecht Fragen zu ihrem neuesten Buch, zur Veggieszene und zu ihren Inspirationen gestellt.
Wer sich mit dem pala Verlag, mit vegetarischen und veganen Kochbüchern beschäftigt, dem wird der Name Irmela Erckenbrecht ein Begriff sein. 2013 war ihr Buch „Teenager auf Veggiekurs“ für das Kochbuch des Jahres des Vegetarierbundes nominiert. Die vielseitige Autorin von Kochbüchern (zum Beispiel „American Veggie“) und Gartenbüchern (zum Beispiel „Der Spielgarten“) und Übersetzerin (die zum Beispiel die beliebte Reihe um „Anne auf Green Gables“ ins deutsche übersetzte) kocht seit Jahren in einem Göttinger Nachbarschaftsheim und sammelt hier viel Praxiserfahrung, besonders was vegetarische und vegane Festmenüs betrifft. Eine Auswahl veganer Festtagsrezepte, zu jahreszeitlichen Menüs zusammengestellt, gibt es in ihrem neuen Kochbuch „Vegane Menüs“ aus dem pala Verlag zum Nachkochen und Ausprobieren. Uns hat das Buch so gut gefallen, dass wir die sympathische Autorin um ein Interview gebeten haben.
„Sowohl die breite Gesellschaft als auch die Veggie-Szene sind offener und durchlässiger geworden.“
Buchhexe: Das Thema Vegetarismus/Veganismus beschäftigt Sie ja schon einige Jahre. Wie kam es dazu, dass Sie sich damit befassen und anfingen, vegetarische (und nun sogar vegane!) Kochbücher zu schreiben?
Irmela Erkenbrecht: Als ich 1990 Vegetarierin wurde, gab es noch nicht so viel zu dem Thema, und ich wurde ernstlich vor die Frage gestellt: „Was koch ich denn nun?“ Bekocht hatte ich schon immer alle Menschen in meiner Umgebung, und ich habe immer in Wohngemeinschaften oder Familien gelebt, in denen täglich gekocht und gegessen wurde – ein echter Glücksfall für mich! Also mussten neue – oder manchmal auch vegetarisch umgestrickte alte – Rezepte her. Ab sofort habe ich emsig herumexperimentiert. Und da ich außerdem gern gärtnere, entstand daraus irgendwann mein erstes Kochbuch bei dem von mir hochgeschätztem pala-verlag: Querbeet – vegetarisch kochen rund ums Gartenjahr. Ganz stolz bin ich darauf, dass es seit 1996 immer wieder aufgelegt wurde und auch heute noch im Buchhandel zu haben ist.
Buchhexe: Sehen Sie eine Veränderung in der Vegetarier- und Veganer-„Szene“ (die der Einfachheit halber hier in einem Atemzug genannt werden sollen)? Wie beurteilen Sie die erstaunlich große Anzahl an veganen Kochbüchern, die derzeit auf den Markt kommt? Nur ein Trend oder ein nachhaltiges Umdenken in der Gesellschaft?
Irmela Erkenbrecht: Ja, es gibt eine echte Veränderung in der Veggie-Szene, in der ich mich ja nun schon etliche Jahre tummele, als Leiterin der Göttinger VEBU-Regionalgruppe, als Mitglied im Beirat der Stiftung Vegeterra und am Beratungstelefon des VEBU zum Thema Kinderernährung. Aus der Nische der asketischen Sonderlinge sind wir immer mehr in die Mitte der Gesellschaft gerückt, deshalb glaube ich auch, dass diese Veränderungen nachhaltig und nicht mehr wirklich umkehrbar sind. Sowohl die breite Gesellschaft als auch die Veggie-Szene sind offener und durchlässiger geworden. Vor allem braucht sich, wer sich heute für vegane oder vegetarische Ernährung interessiert, nicht mehr gleich zwischen „ganz“ oder „gar nicht“ zu entscheiden. Aktionen wie der Veggietag haben deutlich gemacht, dass jede und jeder etwas für Tiere, Klima, Umwelt und die eigene Gesundheit tun kann, ohne sofort sein ganzes Leben umkrempeln zu müssen – auch wenn das bei manchen dann anschließend vielleicht doch noch ganz von allein kommt. Nur vor diesem Hintergrund ist meiner Meinung nach das heutige große Interesse an veganen Kochbüchern zu verstehen. Viele Käuferinnen und Käufer dieser Bücher essen nicht unbedingt rund um die Uhr vegan. „Nicht immer, aber immer öfter“, lautet ihre Devise. Diese Offenheit gefällt mir!
Buchhexe: Mit Ihrem Buch „Teenager auf Veggiekurs“ waren Sie dieses Jahr sogar für das Kochbuch des Jahres beim VEBU nominiert. Wie waren die Reaktionen auf Ihr Buch außerhalb der vegetarischen Szene?
Irmela Erkenbrecht: Die Reaktionen waren ausgesprochen positiv. Viele Eltern, deren Kinder plötzlich vegetarisch oder vegan leben wollen, sind ja erst einmal ratlos. Auch in punkto Ernährung gibt es immer mehr Patchwork-Familien, weil sich Familienmitglieder (oft auch ein Elternteil) vom „Veggie-Virus“ anstecken lassen. Mein Buch geht ganz pragmatisch an die Sache heran und stellt eine Vielzahl von Gerichten vor, die Jugendlichen Spaß machen, aber auch der ganzen Familie schmecken. So kann unter vergnüglichen Vorzeichen in der Küche wieder zusammenwachsen, was zusammengehört.
„Ich versuche, mit offenen Augen und Ohren durchs Leben zu gehen…“
Buchhexe: Wo sammeln Sie die Anregungen zu Ihren Rezepten, zu Ihren Kochbuch- und Gartenbuchthemen?
Irmela Erkenbrecht: Ich versuche, mit offenen Augen und Ohren durchs Leben zu gehen und meine Antennen für in der Luft liegende Themen und Bedürfnisse aufzustellen. Außerdem koche ich ganz viel mit anderen, im privaten Kochclub ebenso wie in eigenen Kochkursen oder bei offenen Kochabenden. Zur Vorbereitung des Buches „Teenager auf Veggiekurs“ habe ich mit Jugendlichen gekocht, zur Zeit koche ich viel mit Vegan-Neugierigen und Vegan-Neulingen. Kurz: Ich suche den Kontakt zu meiner Zielgruppe, frage viel und oft nach ihren Wünschen und komme so auch selbst auf neue Ideen.
Buchhexe: Ihr neues Kochbuch hat uns auf den ersten Blick durch seine vorbildliche Praxistauglichkeit (Checklisten, Zeitpläne, Einkaufslisten) begeistert. Was ist Ihnen bei einem Kochbuch wichtig? Lesen Sie selbst andere Kochbücher und haben Sie vielleicht sogar ein Lieblingskochbuch?
Irmela Erkenbrecht: Vielen Dank für das schöne Lob, das mindestens zur Hälfte meiner hervorragenden Lektorin Babara Reis vom pala-verlag gebührt! Bei dem Buch stand der Wunsch vieler Kochbegeisterter Pate, mit veganen Rezepten etwas wirklich Festliches zu zaubern, ohne dabei in Stress zu geraten. Wenn wir zur Erfüllung dieses Wunsches beitragen konnten, bin ich sehr zufrieden.
Ja, ich gehe gern im Buchladen Kochbücher stöbern und habe mittlerweile viele davon auch in meinem Küchenregal. Mein Lieblingskochbuch ist allerdings das Kochbuch meiner Mutter, die eine gewiefte Köchin und gelernte Hauswirtschafterin war. Es ist ein altes, schon ganz fleckiges Ringbuch mit unendlich vielen, handgeschriebenen Seiten, das ich im Zweifelsfall immer wieder mit Gewinn zu Rate ziehe.
Lieber streue ich mir fein gehackte und mit Salz und Hefeflocken gewürzte Cashewnüsse auf die Spaghetti als ein Kunstprodukt mit Parmesangeschmack aus einem Lebensmittellabor.
Buchhexe: Wie stehen Sie zum Thema Fleischalternativen und andere nachgemachte vegane Produkte? Ihr Kochbuch kommt ja weitgehend ohne Alternativprodukte aus und setzt eher auf Gemüse, Getreide, Nüsse und Hülsenfrüchte.
Irmela Erkenbrecht: Genau! Ich halte nicht so viel von diesen Fertigprodukten, die zwar am Ende vielleicht verblüffend nach echtem Fleisch oder Käse schmecken, dafür aber häufig eine endlose Zutatenliste haben und alles andere als vollwertig sind. Ich versuche eher, die Leute daran vorbeizulotsen und neue Geschmackskombinationen zu finden, die mindestens ebenso lecker und auch einfach ehrlicher sind. Lieber streue ich mir fein gehackte und mit Salz und Hefeflocken gewürzte Cashewnüsse auf die Spaghetti als ein Kunstprodukt mit Parmesangeschmack aus einem Lebensmittellabor.
Buchhexe: Was würden Sie für eine Hexenparty kochen oder backen?
Irmela Erkenbrecht: Zum Aufwärmen nach winterlichen Hexenritten würde ich den Hexen meinen Teepunsch Krambambuli zusammenbrauen. Hier das Rezept:
Teepunsch Krambambuli
150 g Kandiszucker
1/8 l Rum (nach Belieben; ersatzweise auch eine ausgepresste Mandarine)
2 unbehandelte Orangen
1 unbehandelte Zitrone
4 TL Assam-Tee
1 l kochendes Wasser
1 Zimtstange
5 Gewürznelken
700 ml Weißwein oder Apfelsaft
Kandis, Rum, Saft und Schale von Orangen und Zitrone in einer Schüssel verrühren und mindestens 1 Stunde durchziehen lassen.
Wenn die Gewürzmischung durchgezogen ist, Teeblätter in einen Teefilter füllen, in eine große Teekanne geben und mit 1 l kochendem Wasser übergießen. Vier Minuten ziehen lassen und Teefilter entfernen.
Weißwein oder Apfelsaft in einem Topf erhitzen (nicht kochen!) und zu dem Tee gießen. Zuletzt die Kandismischung einrühren. Den Teepunsch je nach Wunsch heiß oder noch warm servieren.
„Um auch mal auf ganz andere Gedanken zu kommen, habe ich aber auch noch ein etwas ausgefalleneres Hobby: Ich spiele Dudelsack…“
Buchhexe: Sie sind Übersetzerin (zum Beispiel haben Sie mit „Anne auf Green Gables“, eines meiner absoluten Lieblingsbücher, übersetzt), probieren neue Rezepte aus, schreiben Koch- und Gartenbücher. Was macht Ihnen davon am meisten Freude? Bleibt neben den vielen beruflichen Herausforderungen überhaupt noch Zeit für Hobbies oder andere Interessen?
Irmela Erkenbrecht: Hey, das freut mich ja sehr, dass Ihnen „Anne“ so ans Herz gewachsen ist! Ebenso wie mir selbst übrigens und offenbar vielen anderen, denn es ist ein weiterer Longseller von mir, der seit 1986 nach vielen Auflagen heute immer noch sehr gut läuft. Genau das macht mir an meinen Büchern – seien es Übersetzungen oder eigene Werke – am meisten Freude: Es ist einfach toll, wenn sie in so reger Benutzung sind. Wenn ich von Leserinnen und Lesern höre, dass sie mit meinen Büchern ein tolles Festessen kochen, eine schöne Kräuterspirale bauen oder mit Anne auf Green Gables spannende Abenteuer erleben, ist das ist eine schöne Bestätigung und befeuert die eigene Motivation.
Trotz meines beruflichen Bücherwurm-Daseins habe ich zum Glück noch keine Buchstaben-Allergie und freue mich immer, wenn ich mal richtig Zeit zum Schmökern habe. Um auch mal auf ganz andere Gedanken zu kommen, habe ich aber auch noch ein etwas ausgefalleneres Hobby: Ich spiele Dudelsack – keinen großen, schottischen, dazu bräuchte ich ein dickeres Trommelfell. Aber einen kleinen, wohnzimmerverträglichen und nachbarfreundlichen, wie ihn die von Ort zu Ort ziehenden Spielleute im Mittelalter bei sich hatten. Viel schwieriger zu lernen, als ich ursprünglich dachte, aber es macht großen Spaß und hält die Gehirnzellen in Schwung.
Buchhexe: Was gibt es bei Ihnen zu Weihnachten? Lassen Sie sich zu den Feiertagen auch einmal selbst bekochen?
Irmela Erkenbrecht: Mit Verwandten und Freunden koche ich gern das Weihnachts-Festessen aus „Vegane Menüs“. Es heißt „Weihnachten ganz ohne Gans“. Am meisten freue ich mich schon jetzt auf den Nachtisch: „Brownies mit gefüllten Datteln und süßer Vanillecreme“!
Buchhexe: Was können wir 2014 von Ihnen erwarten? Woran arbeiten Sie gerade – sofern Sie das schon verraten dürfen?
Irmela Erkenbrecht: Es wird etwas leckeres Veganes … Mehr möchte ich noch nicht sagen. Aber vielleicht merken Sie ja, wie es schon aus der Küche duftet …?
Im kommenden Frühjahr erscheint im pala Verlag das neue Buch von Irmela Erckenbrecht: Probier’s vegan.
Vielen herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, unsere Fragen zu beantworten und viel Erfolg für Ihre kommenden Projekte!