Gott bewahre
Zusammenfassung zu “Gott bewahre”
„Gott bewahre“ beginnt im Himmel. Gott kehrt gerade aus seinem wohlverdienten Angelurlaub zurück. Und muss feststellen, dass es den Menschen während seiner kurzen Abwesenheit gelungen ist, die Erde in eine Müllhalde zu verwandeln und auch ansonsten alles, was er in sieben langen Tagen so mühevoll erschuf, ziemlich runterzuwirtschaften. „Seid lieb!“ – Gottes originäre Devise – ist nicht gerade kennzeichnend für den Umgang der Menschen miteinander und mit der ihnen anvertrauten Erde. Besonders schlimm trifft es Gott, dass gerade die übelsten Heuchler, unter ihnen der Papst persönlich, sich permanent auf seinen Namen berufen. Das geht so gar nicht! Nach ausgiebigen Beratungen mit Petrus, Moses und all den anderen, die im Himmel etwas mitzureden haben, bei denen massig gutes Himmelsgras und exzellenter Whisky, sowie andere geistige Getränke reichlich genossen werden, steht Gottes Entschluss fest. Sein Sohn, Jesus Christus, der eigentlich gerade mit Jimmy Hendrix abhängt, muss noch einmal – wie schon vor zweitausend Jahren – runter auf die Erde. Um zu retten, was noch zu retten ist und den Menschen Gottes Botschaft „Seid lieb!“ wieder (einmal) in Erinnerung zu rufen. Denn das ist alles, was Gott jemals sagen wollte. Denn die anderen „Zehn Gebote“, die völliger Unfug sind, hat Moses sich ausgedacht und in Stein gemeißelt und auch die Bibel ist nur eine Sammlung von Geschichten. Jesus macht, was Papa sagt und taucht als zweiundreißigjähriger Gelegenheitsmusiker in New York wieder auf. Um sich herum hat er einige skurrile Freunde versammelt. Freunde, die gemeinhin als Bodensatz der Gesellschaft bezeichnet werden. Zusammen überreden sie Jesus bei „Amerika sucht den Popstar“ aufzutreten. Was Jesus dann auch tut und dabei, ganz wie es seine Art ist, für Ausnahmesituationen bei der Liveübertragung sorgt. Von den Einnahmen aus der Superstarepisode kauft Jesus dann Land – um mit seinen Freunden seine Vorstellungen von Gemeinschaft zu leben. Soviel Anders-Sein kann in Amerika natürlich nicht gut ausgehen! Jesus Christus ist schon sehr gespannt, ob er dieses Mal seinen 33. Geburtstag erlebt.
Zitate
„Manch einen mag überraschen zu erfahren, dass im Himmel gearbeitet wird, aber das war eine von Gottes genialsten Direktive – und geniale Direktiven sind Gott alles andere als fremd. ‚Die Leute wollen arbeiten‘, hatte ER zu Petrus gesagt. ‚Scheiße, die Leute müssen sogar arbeiten. Schau dir die Langzeitarbeitslosen an. Oder diese steinreichen Nichtstuer. Sehen die für dich vielleicht glücklich aus?‘ Weshalb im Himmel, der einen Job will – und das sind die meisten -, auch einen bekommt.“
„Als es darum ging, Personal fürs Allerheiligste zu rekrutieren, hatte Jeannie eines sehr schnell begriffen. Etwas, das sie auf Erden anscheinend falsch verstanden haben: Gott liebt Schwuchteln.“
„Auf Erden würde man Ihn wohl für Mitte Fünfzig halten, und Er ist …attraktiv erfasst es nicht einmal annähernd. Ein gottverdammter Herzensbrecher mit Filmstar ist Er.“
„Das Pedal ist ein alter Ibanez Tube Screamer von 1984, eines der wenigen Geräte, die in den letzten Wochen der Pfandleihe entgangen sind. Auf seiner Platine ist der heilige D-9-Chip verbaut, und sein Lautstärkeregler ist bis zum Anschlag aufgedreht. Jesus zerschlissener Turnschuh drückt den Metallschalter herunter, während er mit seinem Plektrum der Länge nach über die Seiten fährt, von der Bridge bis rauf zum Sattel. Und der Tube Screamer tut genau das, wofür er gebaut wurde: ER füllt das gesamte Studio mit dem Lärm einer landenden Boeing 747, der man zwei Cruise Missiles untergeschnallt hat. Jesus schreit mittlerweile, schwört, dass er unbewaffnet ist, als er sich auf Cobains Gitarrenbreak stürzt – im Prinzip nur eine Variante der Melodie -, sich zum Orchester umdreht und den Song antreibt. Barry hat Jesus den Rücken zugedreht, als er seinen Taktstock mit beschwichtigender Geste schwenkt, um das Tempo zu drosseln. Aber der Drummer steigt voll ein, er und Jesus grinsen sich an. Während der eine härter auf die Hi-Hat eindrischt und der andere ganz nah am Verstärker kurz vor der Rückkopplung, seiner Gitarre kreischende Töne entlockt, bemüht sich der Rest des Orchesters sichtlich verwirrt und panisch, dem geänderten Arrangement zu folgen. Zwei Minuten später steht Jesus vor der Jury, leicht schwitzend, als der Applaus verklingt.“
„Gott genießt die Morgensonne, einen letzten Tropfen Scotch und die letzten Züge der kubanischen Zigarre, als er an diese Zeile denkt: Alle Seelen müssen weinen, wenn sie in kleinen Babys erwachen und feststellen, dass sie weit weg vom Himmel sind. Literatur. Das war schon eine verdammt feine Sache. Dafür war Er ihnen wirklich dankbar.“
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Persönliche Bewertung
Seid lieb!!!! Hinreißend komische und bitterernste Real-Satire
Großartig, grandios, eindrucksvoll, hinreißend komisch, bitterernst! Mit seiner Real-Satire, in der Jesus Christus als Gottes Sohn der Hauptdarsteller ist, hält John Niven der Welt einen Spiegel vor. Da gibt es den Müllteppich im Pazifik zu besichtigen, da wird die Diskriminierung aller durch jeden, vor allem aber die aller irgendwie anderen durch die aufrechten Christen exzessiv betrieben, da verdummen Fernsehen und Konsum breite Massen der amerikanischen Bevölkerung. Und mitten drin Jesus Christus, der keinesfalls verschweigt, dass er Gottes Sohn ist, weswegen ihn natürlich alle anderen für verrückt halten. Ein Verrückter, der eine auffallende Güte und Gelassenheit auszustrahlen vermag, wenn ihn jemand über irgendetwas belehren oder zu irgendetwas zwingen will. Jesus folgt nur einem Gebot: Seid lieb! Und solange man sich daran erinnert, ist man ganz auf Gottes Spur. Darauf dann gleich noch einen Joint. Denn, so fragt Gott sich, wieso verteufeln die Menschen das Dope eigentlich, wo er es ihnen doch extra zum Spaß haben gemacht hat. Schon hier wird deutlich: Ein Gott, der kifft, gerne mal einen hebt und auch ansonsten weder über einen moralisch erhobenen Zeigefinger noch über irgendwelche Allmachtsfantasien verfügt ist, ausgesprochen provokativ. Und das ist nur eine Seite dieses urkomischen Buches und für sich allein schon kontrovers genug. Denn den Tatbestand der Gotteslästerung erschwerend kommt hinzu, dass Niven sich einer wirklich derben Sprache bedient, wenn er Gott und Jesus reden lässt. Aber dieser Roman skizziert nicht nur ein völlig neuartiges Konzept von Gott und religiöser Interpretation, er legt zudem scharfsinnig analysiert den Wahnsinn der Super-Stars Pop-Star-Shows bloß. Um in einem weiteren Teil ähnlich scharfsinnig, wenngleich immer versteckt unter der nicht ernst zu nehmenden derben Sprache, darzulegen, warum die Träume und Ideen der Hippie-Bewegung sich nicht erfüllen konnten. Denn es gab ja da immer noch die ganz besonders gottesfürchtigen Christen, deren Interessen es zu wahren galt. Derartiger Stoff benötigt wohl die derbe Slangsprache und einen satirischen Handlungsbogen, damit sich niemand veranlasst fühlen könnte, die Aussagen allzu ernst zu nehmen. Und ob eine derartige Gotteslästerung denn für das Leben des Autors bekömmlich wäre, sei an dieser Stelle zumindest infrage gestellt. Hier eine Empfehlung als Schulbuchstoff: Niven liefert eine konsistent unterhaltsame Story, die ein Schlaglicht auf die relevantesten Probleme und ihre ideologische Verbrämung wirft und dabei sogar einen Lösungsansatz, ganz für jeden allein, anbietet.
Fazit
Hinreißend komische und bitterernste Real-Satire: Jesus Christus ist wieder da, als unbeirrbar gütiger, kiffender Musiker und Kümmerer stürmt er Amerikas Popstars.
- Originaltitel
- The Second Coming
- ISBN10
- 3453675975
- ISBN13
- 9783453675971
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2011
- Gebundene Ausgabe
- 400 Seiten