Wandelwelt
Noumi-Minou
Zusammenfassung zu “Wandelwelt”
Das kleine Wesen Noumi lebt in der Wandelwelt, eine Welt, die sich „exakt auf dem hundertstel Millimeter zwischen der sichtbaren Erde und dem Himmel“ befindet. Als sie eines Morgens nach dem Aufstehen feststellt, dass sie an Farbe verliert und immer blasser wird, erinnert sie sich an eine sehr alte Erzählung und bricht zu einer verborgenen Lichtung auf. Der Weg dorthin ist gefährlich, doch ist es erst der Anfang ihrer Reise, die sie in die Welt der Menschen führt. Dort angekommen lernt sie „ihren“ Menschen Minou kennen. Minou muss – durch ihre Mathelehrerin und ihre Mitschüler entmutigt – wieder an ihre Fantasie glauben, um Noumi helfen zu können…
Wichtige Charaktere
- das kleine Wesen Noumi
- die Elfee Tips
- Minou
- Meira Besserwissen
- das kleine Wesen Amrei
- Leonie
- Gespinster
- die Bäume von Nubila
Zitate
„Unruhig lief Noumi auf und ab und begann zu grübeln. Immer wieder betrachtete sie sich im Spiegel. Doch es war wie verhext – mit jedem weiteren Blick, so schien es, wurde sie noch blasser und blasser. Ratlos legte sich Noumi zurück aufs Bett und suchte fieberhaft nach einer Antwort.“
„Bevor die Glühwürmchen mit ihrer Arbeit begannen, wurde ein jedes kurz mit seinem Popo in diese Farbe getunkt. Dabei hielten sie selten still, und so traf eine große Menge der Lumi-Farben die Elfeen selbst. Das hatte zur Folge, dass die kleinen Elfeen ebenfalls strahlen und leuchten konnten, sodass man sie nur noch schwerlich von den Glühwürmchen oder den funkelnden Sternen unterscheiden konnte.“
Persönliche Bewertung
Überraschend fantasielose Geschichte mit blassen Illustrationen
Leider gibt es nicht viel Gutes über dieses Buch zu schreiben. Weder die Geschichte, noch die Illustrationen konnten überzeugen. Beide werden der Intention des Buchs, Fantasie zu finden, nicht gerecht. Im Umkehrschluss bedeutet dies leider: Viel Kritik. Beginnen wir mit der Geschichte. Die Idee ist ganz nett, wenn auch nicht besonders innovativ. Es gibt eine Parallelwelt, in der sich die Quelle der Fantasie befindet und in der von jedem Menschen ein kleines, ihm ähnlich aussehendes Wesen lebt. Weil die Welt so fantasielos geworden ist, fangen die kleinen Wesen an zu verblassen und müssen nun in die Menschenwelt reisen, um ihren Menschen dazu zu bringen, wieder fantasievoller zu sein, damit sie nicht sterben. Die Umsetzung der Geschichte ist leider nicht mehr so nett, sowohl inhaltlich, als auch sprachlich, gestalterisch und strukturell.
Inhaltlich bleiben die Figuren der Wandelwelt und die Welt selber sehr oberflächlich. Die Bewohner werden einmal kurz erwähnt, dann tauchen die meisten von ihnen (z.B. Astweiblein, Baummännchen oder Lumi-Elfeen) aber nicht mehr auf, selbst wenn sie angekündigt werden, wie die gefährlichen Kobolde. Keine Spur von ihnen in den gefährlichen Wäldern von Nubila. Auch ein Feuerdrache zeigt sich am Himmel, wird aber scheinbar nur der Vollständigkeit halber erwähnt und nicht in die Geschichte integriert. Vieles bleibt unklar und unschlüssig. Ausgerechnet die tolpatschige, Missgeschicke magisch anziehende und an ihrem Flügel verletzte Elfee Tips wird zur Retterin von Noumi. Auf einmal kann sie „wie eine wild gewordene Hummel“ um den Baum herumfliegen, während sie vorher noch als durch Koboldsklauen „am linken Flügel verletzt“ beschrieben wurde und daher verständlicherweise Gleichgewichtsprobleme beim Fliegen hat und dadurch oft ihr Landeziel verfehlt. Wieso wurde sie nicht von einer der Wurzel-Elfeen geheilt, die gebrochene Flügel reparieren und „außergewöhnliche Heilkräfte“ besitzen? Auch der Unterschied zwischen Elfen und Elfeen wird an keiner Stelle des Buchs erläutert, wodurch eine uneinheitliche Schreibweise als Erklärung nicht ausgeschlossen werden kann.
Gerade was die Wandelwelt betrifft, ist vieles unausgegoren. So ist z.B. das „immer düstere Waldstück“ bei Sonnenschein tagsüber gar nicht düster. Oder einerseits erzählen die Bäume, dass noch nie ein kleines Wesen es bis in die Menschenwelt geschafft habe, andererseits wird zuvor und auch danach davon berichtet, dass Noumi nicht die erste ist, die es in die Menschenwelt geschafft hat. Die Aufgabe von Tips, bei einem fantasievollen Gedanken eines Menschen dessen kleines Wesen zu finden und zu ihm zu bringen bleibt ebenso unklar wie die Geschichte von Noumi und Minou und Frau Besserwissen und ihrem kleinen Wesen: Wenn ein Mensch Fantasie hat, verblasst sein kleines Wesen nicht, also müsste Tips es auch nicht zu ihm bringen. Minou hat noch Fantasie, wie sie bei der Matheaufgabe zeigt, macht diese aber nicht mehr öffentlich. Noumi könnte längst wieder bunter sein. Und zu Frau Besserwissen bringt Tips ihr kleines Wesen, ohne dass der Leser anzeichen von Fantasie erkennt, die diesen Transport auslösen sollte. Die Lehrerin wird erst durch ihr kleines Wesen wieder an ihre Fantasie erinnert, das kleine Wesen war aber schon vorher bei ihr. Zu oft passieren solche Ungereimtheiten. In der Menschenwelt wird z.B. erzählt, dass Frau Besserwissen mit Minou nach der Stunde reden möchte, die Lehrerin geht dann aber aus dem Klassenzimmer…
Unfreiwillig komisch wird es dann durch folgende Sätze: „Langeweile kam zwischen den Freundinnen nie auf. Eher große Verzweiflung, wenn beide mal wieder nur knapp dem Tod entkommen waren.“ Die beiden sollten in einem Kinderbuch doch lieber erleichtert statt verzweifelt sein, dem Tod noch mal von der Schippe gesprungen zu sein!
Sprachlich ist das Buch leider auch kein Genuss. Alles wirkt sehr gewollt und genauso wenig gekonnt. Einige Sätze behindern durch ihre Füllwörter oder Satzstellung zudem den Lesefluss. Blumige Beschreibungen, bildhafte Vergleiche oder Metaphern sind hier Fehlanzeige. Die Sprache versprüht keinen Charme oder Witz, schafft es nicht, eine Atmosphäre zu erzeugen oder zu verändern und nimmt keine Fahrt auf. Im Gegenteil. Wenn Noumi zu Beginn „wie von der Tarantel gestochen“ aus der Wohnung eilt und die Geschichte Fahrt aufzunehmen scheint, beginnt im nächsten Satz plötzlich die Beschreibung der Wandelwelt, die sich über zweieinhalb Seiten erstreckt und die Fahrt abrupt stoppt, bevor sie überhaupt beginnen konnte. Erst mit dem Satz „Noumi eilte von Brücke zu Brücke“ im anschließenden Kapitel, wird die Fahrt vortgesetzt. Auch die Suche nach der geheimnisvollen Lichtung findet kein besonders literarisches Ende in dem Satz „Und da, da war sie auch schon“. Für all diese Mängel kann die Fantasie des Lesers keine Ausrede sein. Sonst müsste er die Geschichte selber schreiben und das ist nicht der Sinn eines Buches. Der Autor sollte vielmehr die Fantasie des Lesers beflügeln, für eine Welt faszinieren können und ihn mit starken Worten Flügelschlägen gleich dorthin tragen. Hier jedoch bleibt man am Boden und wartet darauf, endlich abzuheben.
Das selbe gilt für die Illustrationen, die lieblos und farblos gestaltet die Bodenhaftung des Betrachters zusätzlich verstärken. Die DIN A4 formatigen Aquarelle, verfügen über keine fantasievollen oder verspielten Details, wie man es aus anderen Kinderbüchern kennt. Einzig die über fast jede Seite tapsenden Fußabdrücke sind positiv zu erwähnen. Man mag meinen, dass die Farbgestaltung etwas mit dem inhaltlichen Verlauf der Geschichte zu tun hat, also dem Verblassen des kleinen Wesens. Leider ist dem nicht so. Schon zu Beginn des Buches gibt es ein Aquarell der Wandelwelt, dass so gar nicht einladend und fantasievoll gestaltet ist, wie man es sich bei einer solchen Welt vorstellt. So wurde es versäumt, die Geschichte illustratorisch mit den Kontrasten von Hell und Dunkel oder Bunt und Grau zu begleiten. Wie schön Aquarelle in Kinderbüchern sein können zeigen z.B. die Werke von Gabrielle Vincent (Mimi und Brumm bzw. Ernest und Celestine).
Was die Struktur betrifft, sind einige Dinge schon thematisiert worden, wie die Erwähnung aber nicht Verwendung von Figuren oder die spannungshemmenden Einschübe, die besser herauslektoriert worden wären. Zusätzlich irritiert es, dass in einer Art Vorwort zum Buch das kleine Wesen Noumi den Leser direkt anspricht und sich auf seinen Besuch freut. Erzählt wird die Geschichte dann aber von der Autorin und ihrem Fantasiewesen selber und nicht aus der Perspektive von Noumi. Vielleicht wäre diese Erzählweise in Ich-Form der Spannung etwas zuträglicher gewesen. Grundsätzlich bleibt das Format des Buchs und seine Intention fragwürdig. Möchte man die Geschichte in Buchform erzählen, hätte man dies auch in weniger Worten in Form eines Bilderbuchs tun können. Oder mit mehr Worten, in Form eines dickeren Kinderbuchs. Allerdings hätte dafür dann das Konzept des Buchs geändert werden müssen. Denn es hätte statt der mantraartigen Wiederholungen, wie wichtig Fantasie ist, einer fantasievollen Geschichte etwa im Stile der „Spiderwick Geheimnisse“ oder der „Unendlichen Geschichte“ bedurft. Womit wir bei der Intention des Buches wären. Gute Bücher erzählen eine Geschichte, die die Fantasie von Kindern und Erwachsenen ganz automatisch und implizit anregt und nicht nur als bloße Hülse für die zu vermittelnde Botschaft verwendet wird. In diesem Buch wird viel zu oft explizit an den Leser appelliert, wie wichtig es ist, seine Fantasie zu bewahren. Ob es nun im Vorwort, bei der Lehrerin Frau Besserwissen, bei Noumi, der geheimnisvollen Stimme oder im Nachwort ist, es wird solange dekliniert, bis es wirklich auch der Letzte verstanden hat: „Finde Fantasie und pass gut auf sie auf“. Die Antwort auf die abschließende Frage der Autorin, ob man wissen möchte wer Sielas sei und warum er dringend Hilfe brauche, muss nach der Lektüre der ersten Wandelwelt-Geschichte konsequenterweise lauten: Nein.
Fazit
Wenn Sie die Fantasie ihres Kindes fördern wollen, sparen sie 20€ für den Kauf dieses Buches und werden Sie kreativ. Investieren Sie das Geld in einen Aquarellkasten und einen Malblock. Empfehlenswerte Alternativen in Buchform gibt es zum Glück auch mehr als genug!
- ISBN10
- 3981222903
- ISBN13
- 9783981222906
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2011
- Gebundene Ausgabe
- 55 Seiten
- Empfohlenes Lesealter
- Ab 7 Jahren