Minous Geschichte
Zusammenfassung zu “Minous Geschichte”
Minou lebt mit ihren Eltern auf einer kleinen Insel mitten im Ozean, die auf keiner Karte zu finden ist, weil sie so klein ist. Auf der Insel gibt es zwei Häuser, eine Kirche und einen Leuchtturm. Außer der kleinen Familie leben ein Pfau, ein Hund namens Namenlos, Kistenmann und Priester auf der Insel. Eines Tages verschwindet Minous Mutter spurlos. Man findet nur ihren Schuh und alle sind davon überzeugt, dass sie ein Opfer des Meeres geworden ist. Minou nimmt nicht daran teil, als der Schuh ihrer Mutter beerdigt wird. Sie ist sich sicher: Ihre Mutter lebt noch, sie hat sich nur auf eine Reise gemacht. Minou sammelt Beweise dafür, dass ihre Mutter nicht tot sein kann, philosophiert über das Leben und ihre Träume.
Ein Jahr später findet Minou am Strand einen toten Jungen, den sie und ihr Vater mit nach Hause nehmen, um ihn bis zur Ankunft des nächsten Versorgungsschiffes zu bewachen und aufzubewahren. Beide verbringen viel Zeit mit dem toten Jungen, den sie in einem Zimmer im Haus aufgebahrt haben. Minou sucht außerdem die beiden anderen Bewohner der Insel auf, spricht mit ihnen über ihre Mutter, erinnert sich an den letzten Abend vor ihrem Verschwinden (den Abend des Theaters) und versucht, die Wahrheit herauszufinden…
Wichtige Charaktere
- Minou
- Minous Vater und Mutter
- der tote Junge
- Kistenmann
- Priester
- der Hund Namenlos
- Pfau
- Minous Onkel
Zitate
„Papa behauptete, mein erstes Wort sei ‚Hegel‘ gewesen. Mama sagte, ich hätte gerade meine erste Riesenportion Apfelkompott gegessen und einen Schluckauf gehabt.“
„Ein Philosoph, erklärte Papa, sucht die meiste Zeit im dunklen Raum seiner Gedanken nach der Wahrheit, an der es für ihn keinen Grund zu zweifeln gibt. Großvater sagte mal zu Papa: ‚Wenn man die absolute Wahrheit findet, ist es, wie wenn man den Anfang findet. Wie bei einem Faden. Du ziehst und ziehst und ziehst noch ein bisschen. Und dann fügt sich eins zum anderen.‘
Papa hatte den Anfang noch nicht gefunden. Aber er hatte kleinere Wahrheiten gefunden und mir beigebracht, wie ich sie aufschreiben sollte.“
„Wir hatten fast den ganzen Tag geübt. Zu Mittag setzten wir uns im Hof auf Heuballen und lasen Kistenmanns Zeitschriften. Mama entdeckte einen Artikel über China. Mit zwei Bildern. Eines zeigte die Sugartop Mountains und das andere eine Straße in Schanghai, wo Hunderte von Vogelkäfigen wie Laternenketten entlang der Läden hingen. In den Käfigen wimmelte es von weiß-gelben Vögeln. ‚Seht mal.‘ Mama zeigte uns die Bilder. ‚Wäre es nicht schön, so einen Vogelkäfig zu haben?‘
‚Mit diesem Vogel?‘, fragte ich und betrachtete das Foto. Der Vogel neben der Kamera hatte eine hübsche butterartige Farbe. Er schaute direkt in die Linse, seine Augen wirkten freundlich und intelligent.
‚Nein, Kleines‘, sagte Mama, ‚Vögel sind nicht dazu da, um im Käfig zu leben. Man sollte sie fliegen lassen, wohin sie wollen.'“
Persönliche Bewertung
Wunderschönes Buch, das einen ganz besonderen Zauber vermittelt
Auf dem Klappentext heißt es über dieses Buch: „Ein Buch, aus dem man nicht mehr aufwachen möchte“ und das trifft es auf den Punkt. Auf unvergleichliche Weise gelingt es Mette Jacobsen mit ihrer Sprache, ihren Charakteren und ihrer leisen aber dennoch aufregenden Geschichte einen besonderen Zauber zum Leben zu erwecken. Die Kulisse der kleinen einsamen Insel mit ihrer Hand voll Bewohner, der alte Leuchtturm, der „Kistenmann“ mit seinen Zauberkisten, der unkonventionelle Priester, der Pfau… jedes Detail von „Minous Geschichte“ wirkt so märchenhaft, dass es eine Freude ist. Daneben ist dieses kleine Buch unkitschig und klischeefrei – die nachdenkliche Geschichte wird dankenswerterweise nicht durch ein gedankenloses plumpes Happy End zerstört und hinterlässt dennoch (oder vielleicht auch gerade aus diesem Grund) ein angenehmes Gefühl noch lange über die letzte Seite hinaus.
In jeder Hinsicht ist „Minous Geschichte“ ein eindrucksvoller Gegensatz zu vielen aktuellen Büchern, die von der Hektik der modernen Zeit zeugen. Mette Jacobsens Geschichte scheint in eine andere Zeit zu entführen und wirkt dabei gleichzeitig zeitlos und in keinster Weise veraltet. Die Autorin erzählt von der Kraft der Gedanken und der Fantasie und zeigt, welch eine wunderbare Welt in einer so simplen Umgebung mit einer so geringen Anzahl an Menschen möglich ist. Statt Fernsehen gibt es Theater, das die Inselbewohner selbst aufführen. Man leistet sich gegenseitig Gesellschaft, Überfluss ist hier unnötig, der eine oder andere Luxus, der bewusste Genuss ist trotzdem möglich. Jeder der Charaktere lebt ein wenig in seiner eigenen Welt, hängt seinen Lebensnträumen nach und setzt diese im kleinen Mikrokosmos der Insel um: Der Vater seine Philosophiestudien, Kistenmann baut Zauberkisten, die er an Zauberer aus aller Welt verschickt und Priester backt Brezeln und leistet seelischen Beistand für jeden Inselbewohner, der es braucht. Man könnte sich die Frage stellen, wie ein Kind wie Minou mit der Einsamkeit auf der Insel zurecht kommt, insbesondere nachdem ihre Mutter verschwunden und ihr Vater mit der Situation überfordert ist, doch das ist nur indirekt Thema des Buches. Insgesamt ist „Minous Geschichte“ ein inspirierendes Buch voller kleiner wunderbarer Details, bezaubernder Skurrilitäten und Kreativität, voller leichtfüßigem Tiefsinn und Schönheit.
Fazit
Ein bezauberndes und verzauberndes Buch für alle Leser und Leserinnen ab 14 Jahren, das man nie weitergeben und verleihen möchte, damit man es jederzeit immer wieder lesen kann. Gleichzeitig ein Buch, das man jedem Menschen schenken möchte, der Aufmunterung und ein kleines Stückchen Märchenzauber brauchen kann. Einfach wunderschön!
- Originaltitel
- The Vanishing
- ISBN10
- 3827054990
- ISBN13
- 9783827054999
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2012
- Gebundene Ausgabe
- 224 Seiten
- Empfohlenes Lesealter
- Ab 14 Jahren