Mein Dschinn
Zusammenfassung zu “Mein Dschinn”
Der elfjährige Lars lebt in einem Heim, seit seine Mutter verschwunden und sein Großvater gestorben ist. Alles, was ihm von seiner Mutter „Tama“ geblieben ist, sind zwei Briefe, gesendet aus Indien. Als ein neuer Gruppenleiter im Heim anfängt, mit dem Lars nicht zurechtkommt, läuft er davon und wird von einem geheimnisvollen Mann namens Kol auf der Straße aufgelesen und mitgenommen. Lars beschleicht ein Verdacht: Ist Kol ein Dschinn? Zauberkräfte scheint er zu besitzen, denn er zeigt Lars, dass sich seine Mutter in Rom aufhält, und begleitet ihn anschließend in die italienische Hauptstadt.
Hier lässt Kol Lars zurück, doch schon bald wird er von einer Gruppe Romakinder aufgenommen, die ihn zu ihrem Camp außerhalb Roms mitnehmen. Dort lernt er den brutalen Barani kennen, der die Kinder für sich stehlen lässt und auch Lars für die nächsten Beutezüge ausbilden möchte. Gemeinsam mit dem Mädchen Suni flieht Lars aus dem Camp, zurück nach Rom, wo er auf seinen alten Freund Aarian trifft, der ihn endlich zu seiner Mutter führen kann. Doch Tamara hat ihr Gedächtnis verloren, sie erkennt nicht einmal ihren eigenen Sohn. Wie kam es zum Gedächtnisverlust, wie kann ihr geholfen werden und warum hat sie Lars überhaupt verlassen? Die Suche nach Antworten und Hilfe führt Lars und seine Freunde bis nach Indien, wo sie sich mit einem skrupellosen und zauberkräftigen Guru auseinandersetzen müssen…
Wichtige Charaktere
- Lars
- seine Mutter Tamara, „Tama“
- Kol
- Suni
- Aarian
- Govinda
- Raju
- Barani
Zitate
„Aarian zauste ganz leicht meine Locken, das hatte er früher oft gemacht. ‚Es tut mir leid. Die Behörden haben mich ausgewiesen. Ich war ja ein Asylsuchender bei euch, ein Flüchtling. Sie glaubten mir nicht, dass ich in meinem Land verfolgt werde, ich konnte es nicht genügend beweisen. Deshalb wollten sie mich zurück in den Iran schicken. Ich musste von einem Tag auf den anderen untertauchen und durfte mich bei keinem Freund mehr melden. Sonst hätte man mich verhaftet und in den Iran zurückgeschafft. Und dort wäre ich mit größter Wahrscheinlichkeit ins Gefängnis gesteckt worden.'“
„Kaum hatten wir das Flughafengelände verlassen, nahm der Verkehr auf der sechsspurigen Straße trotz der Nachtstunde zu. In einer Kolonne fuhren wir an Hochhäusern vorbei, dann lange an Hütten und Marktständen, die noch offen waren. Dauernd wurde gehupt, irgendwo überquerten Kühe mit langen Hörnern die Autostraße. Raju schimpfte, wenn er links oder rechts überholt wurde, tat aber, wenn es möglich war, genau das Gleiche. Einige Male befürchtete ich einen Zusammenstoß, und vielleicht wäre es zu einem gekommen, wenn Kol nicht genau dann einen Spruch gemurmelt hätte.“
Persönliche Bewertung
Anspruchsvolle Abenteuergeschichte, die ihre Leser nach Italien und Indien entführt
Auf den ersten Blick ist „Mein Dschinn“ eine fantastisch angehauchte Abenteuergeschichte. Schaut man jedoch genauer hin, ist Lukas Hartmanns Erzählung so viel mehr: Sie nimmt ihre Leser mit auf eine Reise nach Rom und Indien und bringt ihnen so das Leben in anderen Kulturen näher. Zusätzlich schlägt der Autor gesellschaftskritische Töne an und scheut sich nicht, unpopuläre Themen wie die Abschiebung von Asylbewerbern, die Vorurteile gegenüber Romakindern und die Probleme einer drogenabhängigen Mutter anzusprechen.
Erzählt wird die Geschichte durch Lars als Ich-Erzähler, der diesen Themen gegenüber ähnlich unbedarft ist, wie es der durchschnittliche junge Leser sein dürfte. So ermöglicht es der Autor seinen Lesern, gemeinsam mit der Hauptfigur Neues zu lernen, Vorurteile aufzubrechen und andere Perspektiven einzunehmen, wenn Suni, Aarian und Tamara zu Wort kommen und von den Schwierigkeiten ihres Lebens berichten. Es geht zum Beispiel um das Dilemma gebildeter Asylbewerber, die beweisen müssen, dass sie tatsächlich verfolgt werden, aber trotz ihres Studiums nicht arbeiten dürfen, den Zwiespalt der heroinabhängigen Mutter, die ihr Kind nicht mit ihrer Sucht belasten möchte, oder das Leiden eines ungeliebten Romakindes, das von seinen armen Eltern verkauft wurde und von einem skrupellosen Erwachsenen zum Stehlen geschickt wird.
Lukas Hartmann beschreibt die Handlung sehr eindrucksvoll, erweckt die fremden Kulissen zum Leben und lässt beispielsweise die kleine Wohnung der sehr gastfreundlichen indischen Familie überaus lebensecht erscheinen – und möglicherweise so manchen Leser mit den eigenen Lebensbedingungen vergleichen. „Mein Dschinn“ regt zu vielen Gedanken und Fragen an – Sind Herzenswärme und Großzügigkeit nicht viel wichtiger als ein großes Zuhause? Können Menschen, vor allem Kinder, für ihre kriminellen Aktivitäten verantwortlich gemacht werden, wenn man ihnen keine andere Chance lässt? Was macht eine „Familie“ aus?
Doch auch abseits solcher tiefgründigen Überlegungen lässt sich die Geschichte einfach nur als fesselndes, ein wenig magisches Abenteuer lesen, das ein Kind gemeinsam mit seinen Freunden erlebt. Das Ende der Geschichte ist, vor allem für ältere Leser, ein wenig vorhersehbar, doch mag man dem Autor dies angesichts der vielen traurigen Aspekte im Verlauf der Handlung, der vielen Schwierigkeiten, die seine Charaktere durchzustehen haben, nicht übelnehmen.
Fazit
Lukas Hartmanns „Mein Dschinn“ hat alles, was man von einer guten Abenteuergeschichte erwarten kann: Fesselnde Spannung, gesellschaftskritische Töne, lehrreiche Kulturreisen, eine anspruchsvolle Sprache und unwiderstehliche einzigartige Charaktere. Eine wunderbare Geschichte, nicht nur für junge Leser und Leserinnen ab 10 Jahren.
- ISBN10
- 3257011725
- ISBN13
- 9783257011722
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2014
- Gebundene Ausgabe
- 240 Seiten
- Empfohlenes Lesealter
- Ab 10 Jahren