Der Herr des Turmes (2)
Rabenschatten-Trilogie
Zusammenfassung zu “Der Herr des Turmes (2)”
Vaelin Al Sorna, als „Dunkelklinge“ oder „Hoffnungstöter“ legendär, verhasst und geliebt, kehrt zum neuen König zurück und wird zum Turmherrn der Nordlande ernannt. Hier erhofft er sich, die Grauen der vielen Schlachten hinter sich lassen zu können, nicht mehr Instrument der königlichen Intrigen sein zu müssen. Da er nicht länger ein Ordensbruder ist, hat er auch den Zusammenhalt seiner Brüder verloren. Im Norden findet er neue Verbündete, doch kein ruhiges Leben. Zwar möchte er sein Schwert nie wieder in die Hand nehmen und damit töten, morden müssen, doch die Königslande werden von einer schier unbezwingbaren Armee an Feinden bedroht, die beständig näher rücken, den Volarianern, einem grausamen und gefürchteten Volk.
Währenddessen ist Frentis, Vaelins totgesagter Ordensbruder, in die Gefangenschaft der Volarianer geraten und muss zu ihrem Vergnügen sein Leben in einer Grube verbringen und Kämpfe austragen. Schließlich wird er aus der Grube entlassen und muss sich als Begleiter und Liebhaber dem Willen einer geheimnisvollen Frau mit dunklen Kräften unterwerfen, die in im Dienst ihrer eigenen gnadenlosen Mission zwingt Menschen, darunter sogar Kinder, zu ermorden.
Prinzessin Lyrna, die Tochter des alten und Schwester des neuen Königs, wird währenddessen auf eine Friedensmission zu den Lonakern, deren Gebräuche ihrem Volk fremd und unheimlich sind. Im Verlauf ihrer Reise schließt sie jedoch Freundschaft mit einer jungen mutigen Lonakerin, die ihr eine treue Gefährtin wird. Reva, die Tochter der „Wahrklinge“ und erbitterte Feindin Vaelins ist auf der Suche nach dem Schwert ihres Vaters, um Vaelin damit zu töten. Ihr Weg führt sie nach Alltor, wo sie ihrem Onkel, dem Stadthalter, bei einer Belagerung durch die Volarianer beistehen muss und letztendlich nur auf die Hilfe durch den ihr eigentlich verhassten Vaelin hoffen kann…
Wichtige Charaktere
- Vaelin Al Sorna
- seine Schwester Alornis
- Prinzessin Lyrna Al Nieren
- ihr Bruder Malcius
- Reva Mustor
- Frentis
- Dahrena Al Myrna
- Nortah
- Sentes Mustor und seine Beraterin Veliss
- Davoka
- Lord Verniers
Zitate
„Sie blieben weitere vier Stunden im Sattel, wobei sie eine Reihe von Tälern und Berghängen entlangritten und hin und wieder vereinzelte Kiefernwälder durchquerten. Lyrna stellte fest, dass ihr die karge Landschaft diesseits des Passes gefiel: die graue Eintönigkeit der Gegend nördlich von Cardurin wich einer Welt wechselnder Schattierungen. Der sich fortwährend verändernde Himmel ließ das Sonnenlicht die Felsvorsprünge und die von Heidekraut bedeckten Hügel in unterschiedliche Farben tauchen, was ein Fest für die Augen war. Vielleicht kämpfen sie deshalb so unerbittlich darum, dachte sie. Weil es so schön ist.“ (S. 96)
„‚Dienst du noch immer deinem Glauben?‘
‚Mein Glaube war eine Lüge. Aber das wusstet Ihr vermutlich.‘
‚Ist etwas, woran man von ganzem Herzen glaubt, wirklich eine Lüge? Der Glaube deines Volkes dient dazu, eine Erklärung für die unzähligen Geheimnisse dieser Welt zu finden. Er mag zwar fehlgeleitet sein, doch gründet er sich auf einer Wahrheit, die im Verborgenen liegt.'“ (S. 571)
Links
Alle Bände der Rabenschatten-Trilogie
1. Das Lied des Blutes
2. Der Herr des Turmes
3. (noch nicht erschienen)
Persönliche Bewertung
Gelungener 2. Band eines eindrucksvollen Fantasy-Epos
Anthony Ryan erschafft mit seinem Rabenschatten-Epos eine eigene düstere Welt, die in ihren Bann zieht und trotz aller Grausamkeiten und Kämpfe fasziniert. Neben männlichen Helden gibt es ebenso starke weibliche Charaktere, die ihnen in Mut und Klugkeit in nichts nachstehen. Dabei verzichtet der Autor auf die klischeehafte Schwarz-Weiß-Darstellung von Gut und Böse, sondern verleiht seinen Figuren durch ihre dunklen Seiten mehr Tiefe und Glaubwürdigkeit. So besitzen auch die sonst sympathischen Charaktere gewalttätige, erschreckende Eigenschaften. Und diese Gewalt findet sich in diesem Band reichlich: Kriegsszenen und Schlachten in Details beschrieben (Mord, Folter, Massen-Abschlachtungen im Krieg), die zum einen von den kriegsstrategischen Kenntnissen des Autors zeugen, andererseits sensible Leser abstoßen mögen. Etwa ab Beginn der zweiten Hälfte liegt der Fokus zunehmend auf den Schlachten, doch ob dies die Spannung mindert oder ihr zuträglich ist, hängt sicherlich vom persönlichen Interesse an Formationen, Waffen und Schlachtordnungen sowie Verteidigungsstrategien ab.
Wie im ersten Band findet sich auch in diesem einiges an Gesellschaftskritik. Zu den Themen, die der Autor anschneidet, gehört zum Beispiel die Vorstellung, Bi- oder Homosexualität sei eine Sünde, religiöser Fanatismus mit Verfolgung Andersglaubender allgemein, Rassismus und Vorurteile gegenüber dem Unbekannten aus Mangel an Verständnis und weltoffener Erziehung, sowie die Feigheit von Kriegsherren, die skrupellos ihre Soldaten in den Krieg schicken und dem Abschlachten zusehen, selbst aber stets in Sicherheit bleiben und ihre eigene Taten glorifizieren. Weiterhin sind die Intrigen der Monarchie und anderer Machthaber ein wichtiger Aspekt. Doch es gibt auch positive hoffnungsvolle Ansätze, beispielsweise die Vision einer Welt, die nicht durch Grenzen und verschiedene Glaubensrichtungen gespalten ist, sondern in der Verständnis und Toleranz wichtiger sind als Unterschiede.
Während der erste Band vor allem den Blick auf Vaelin richtete, gibt es hier verschiedenen Erzählstränge. Der personelle Erzähler folgt abwechselnd den Handlungen von Vaelin, Prinzessin Lyrna, Vaelins früherem Ordensbruder Frentis und Reva. Wie schon im ersten Band ergänzen die Berichte des Geschichtsschreibers Lord Vernier das Geschehen. Dies sorgt dafür, dass die Geschichte ihren Lesern einiges an Konzentration abverlangt, um die verschiedenen Abenteuer und ihre Einordnung in das gesamte Geschehen nicht aus dem Blick zu verlieren. Die Zusammenhänge bleiben lange unklar, bis die Charaktere aufeinandertreffen und sich ihre Rollen im Gesamtbild offenbaren. Auch dieser Band sorgt durch seine bildreiche Sprache für sehr plastische Darstellungen der Abläufe und hohen Lesegenuss.
„Der Herr des Turmes“ sollte aufgrund seiner Komplexität nicht unabhängig vom Vorgänger („Das Lied des Blutes“) gelesen werden. Die hohe Anzahl an Seiten sowie das lange Personenregister am Ende zeugen davon und mögen ungeduldige Leser vor eine Herausforderung stellen. Das Ende ist offen und sorgt damit für Spannung und Vorfreude auf den dritten Band der Trilogie, der sicherlich seinen Vorgängern in Vielschichtigkeit (und Seitenanzahl) in nichts nachstehen wird.
Fazit
Dass sich Anthony Ryan für Kriegsstrategien interessiert, dürfte nach diesem Band unbestritten sein. Inwieweit man dieses Interesse teilt, ist sicherlich Geschmackssache, doch unabhängig von Schlachten und Kampfszenen bietet „Der Herr des Turmes“ noch mehr: ein Wiedersehen mit Charakteren, die sich schon im ersten Band begannen zu entwickeln, neue vielschichtige Charaktere, die Spiegelung gesellschaftlicher Phänomene, die zum Nachdenken anregt und eine expressive Sprache. Genauso gelungen wie der erste Band!
- Originaltitel
- Tower Lord
- ISBN10
- 360896018X
- ISBN13
- 9783608960181
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2015
- Gebundene Ausgabe
- 859 Seiten