Dancing Jax (1) – Auftakt
Zusammenfassung zu “Dancing Jax (1) – Auftakt”
In der englischen Kleinstadt Felixstowe entdeckt eine kleine Gruppe Kleinkrimineller im Keller eines verlassenen Hauses mehrere Kisten voller altmodischer Bücher. Jezza, der Anführer, besteht darauf, die Kisten zu bergen und eine Party zu planen. Während andernorts für eine grausame Ablenkung gesorgt ist, die Polizei und Feuerwehr beschäftigt und zahlreiche Todesopfer fordert, verwandelt sich Jezza in einem brutalen Ritual in den Ismus, eine Figur aus der Geschichte, die bereits die Mitglieder der Gruppe in ihren Bann gezogen hat. Nur Shiela, Jezzas Freundin, steht „Dancing Jacks“, wie der Titel des Buches lautet, skeptisch gegenüber, ist jedoch zu verängstigt, um wirklich etwas dagegen zu unternehmen. Unter dem Einfluss des Buches legen alle Männer um sie herum ihre realen Identitäten ab und nehmen eine Rolle aus der Geschichte an. Shiela ist die Rolle der Lady Labella, der Gefährtin des Ismus zugedacht.
Martin Baxter ist Mathematiklehrer an der örtlichen Schule und beobachtet unter seinen Schülern das gleiche Phänomen: Immer mehr Kinder und Jugendliche verwandeln sich unter dem Einfluss des Buches, verhalten sich eigenartig, geben sich neue Namen und tragen Spielkarten als Abzeichen an ihren Schuluniformen. Martin kann sich nicht erklären, wie es zu diesem kollektiven Wandel kam – ist das traumatische Erlebnis schuld, das die Stadt erschüttert? Die Warnungen seiner früheren Schülerin Shiela vor einem altmodischen Buch nimmt er nicht ernst und auch als Paul, der Sohn seiner Lebensgefährtin, ihn versucht von der Gefahr der „Dancing Jacks“ zu überzeugen, schenkt Martin ihm keinen Glauben. Doch dann verschwindet Paul, in der Stadt scheint kaum jemand noch von dem neuen „Virus“ verschont zu sein, und Martin muss seine naturwissenschaftlichen Grundsätze in Frage stellen, als er versucht, das unaufhaltsame Böse aufzuhalten…
Wichtige Charaktere
- Austerly Fellows
- Martin Baxter
- Carol und Paul Thornbury
- Jezza aka der Ismus bzw. der Große Magus
- Shiela Doyle aka Lady Labella
- Barry Milligan
- Tommo, Miller, Howie und Tesco Charlie
- Sandra Dixon
- Emma Taylor
- Conor Westlake
- Queenie und Manda
Zitate
„Die letzten Seiten zeigten eine Landkarte: Das Magische Königreich der Dancing Jacks – eine wunderschöne und detailreiche Zeichnung einer ländlichen Gegend mit einem mittelalterlichen Schloss samt Burggraben namens Mooncaster in der Mitte. Darum herum waren die gedrungenen Häuschen des kleinen malerischen Dörfchens Mooncot zu sehen. Auf einer Wiese graste eine Viehherde an einem Teich, der mit ‚verflucht‘ beschriftet war. Es gab mehrere Flüsse und Wälder, verwunschene Wege, die als gestrichelte Linien eingezeichnet waren, Holzhütten und Spukhöhlen, Eingänge zu unterirdischen Tunneln, die Ausläufer eines dunklen Waldes, einen Hexenturm, Wiesen und Weiden – und Straßen, die zu sieben der dreizehn Hügel führten, die alles umrahmten und am äußeren Rand der Karte lagen.“
„Pauls kleines Lächeln wurde breiter und er schloss die Augen ein Stück. ‚Die Farben sind überwältigend‘, beschrieb er. ‚Von den Ballen mit feinstem Stoff bis hin zu den prallen, reifen Früchten, die in ihrer Pracht mit dem Inhalt der Schatzkammern um die Wette strahlen. Das schüchterne Gold der Aprikosen, das glänzende Kupfer der Zwiebeln und das frische Gelb der Quitten. Die Vielfalt der Renekloden, Pflaumen, Labkraut, Johannisbeeren, Himbeeren … wie wertvolle Edelsteine, die man aus einer Krone stiebitzt hat. Dann gibt es noch das brillante glänzende Silber der frischen zappelnden Fische aus dem nahen Karren. So intensiv, so satt – ein wahrer Strudel aus Farben. Alles unter lustig verzierten Planen, die von Holzpfählen gestützt werden, deren vergoldete, gedrechselte Spitzen in der Sonne strahlen und leuchten.‘ Mit in die Ferne gerichtetem Blick hielt er inne.“
„Heutzutage war jeder verwirrt und unzufrieden, immer auf Beutezug nach noch mehr neuem Kram, weil das zum einzigen Weg geworden war, den eigenen Erfolg zu messen. Keiner hatte mehr ein wirkliches Verständnis für den Wert der Dinge und man schmiss Sachen einfach weg, nur weil es inzwischen eine neuere Version davon gab, nicht etwa weil sie kaputt waren.“
Alle Bände der Dacing Jax-Trilogie
Auftakt
Zwischenspiel
Finale
Links
Persönliche Bewertung
Actionreich, düster, zynisch und fesselnd!
Die faszinierendste und ausgesprochen schauerliche Figur der Geschichte ist Austerly Fellows, ein fiktiver Hexenmeister mit finsteren Plänen und einem gefährlichen Erbe. Als wiedergeborener Ismus verkörpert er den Inbegriff des Bösen. Wichtigster Gegenspieler ist der Geek-Lehrer Martin Baxter, der sich dem Wahn entgegensetzt. Die anderen Charaktere entwickeln sich im Verlauf der Geschichte zu zweigesichtigen Figuren, die sich von den realen Menschen in Figuren aus der fiktiven Welt des Buches verwandeln. Daneben gibt es klassische Märchengestalten in der Welt der Dancing Jacks (Beispielsweise die Hexe Haxxentrot, in deren Figur Anspielungen auf die mittelalterlichen Vorstellungen von Hexen – Flugsalbe, Vereinigung mit dem Teufel – zu lesen sind ). Auch die Nebencharaktere sind interessant gewählt, etwa der junge Krankenpfleger, der sich mit Anzüglichkeiten von der deutlich älteren Kollegin auseinandersetzen muss und Angst vor Belästigung hat (Umdrehung des Klischees) oder die Schülerin Emma als provokatives oberflächliches Teenagermädchen, dem jede Empathie fehlt und das durch drastische Sprache („Fickmich-Schminke“) auffällt.
Durch seine Charaktere bzw. den auktorialen Erzähler hinterfragt der Autor aktuelle gesellschaftliche Phänomene, die oft für selbstverständlich gehalten werden, bei genauerem Nachdenken jedoch höchst absurd oder zumindest fragwürdig sind. Beispielsweise die Menge an Stars, die sich nicht durch Talent auszeichnen, sondern durch Äußerlichkeiten oder ihr Privatleben bekannt werden und bleiben, oder der Wunsch vieler Teenager, berühmt zu werden und ihren Vorbildern nachzueifern, ohne viel dafür zu tun. Mit dem Traum von Ruhm und Reichtum ohne Arbeit und Anstrengungen hält der Autor sicherlich auch vielen Lesern einen unbequemen Spiegel vor.
Robin Jarvis zeichnet in diesem Buch ein sehr düsteres Gesellschaftsbild und beschönigt nichts: Nach der Katastrophe nutzen Prominente, Stars und Politiker die Tragödie, um sich selbst zu profilieren, der Tod von Menschen als PR-Aktion. Die andere Seite sind die Medien, die gefühl- und pietätlos die Tragödie ausschlachten. Und schließlich liefert der Autor auch eine kleine psychologische Analyse der Reaktionen der Kinder und Jugendlichen auf die Katastrophe: Er zeigt, wie unterschiedlich verschiedene Charaktere mit dem gewaltsamen Tod ihrer Freunde und Klassenkameraden umgehen.
Weitere Beispiele für die zahlreichen analytischen Andeutungen sind Conors Träume davon, Fußballprofi zu werden als Ausflucht aus der Kleinstadt und seinem eintönigen Leben, Gedanken über die Macht des geschriebenen Worts und die Indoktrination von Menschen im Kindesalter, die Paparazzipresse als moderne Form der Hinrichtungen der Aristokraten (der normale Bürger freut sich, wenn die „Privilegierten“ bloßgestellt werden) oder die Überspitzung des Cosplay als Flucht in eine klar definierte Fantasywelt, die nicht so verwirrend ist wie die widersprüchliche Realität. Doch das Hauptthema ist vermutlich die Suche von Kindern und Teenagern nach einer eigenen Identität, die im Allgemeinen zu einer austauschbaren, angepassten gleichförmigen Identität führt, so wie sie es aus den Medien kennen. Diese Unsicherheit macht die Charaktere in diesem Buch anfällig für „Dancing Jacks“, für den Sog der Zusammengehörigkeit, die Attraktivität einer klar definierten Rolle.
So ist „Dancing Jax“ natürlich ein Fantasybuch, aber gleichzeitig auch eine Gesellschaftsstudie, die schonungslos die Abscheulichkeiten der realen Welt zum Thema macht. Das macht aus ihm keine Wohlfühllektüre, aber eine actionreiche Geschichte, die durch intelligente Charakterisierungen, politische und soziologische Anspielungen überzeugt.
Fazit
Robin Jarvis legt mit „Dancing Jax“ eine fesselnde Fantasygeschichte vor, die ein sehr pessimistisches Weltbild der modernen Gesellschaft zeichnet. Ein tiefgründiger und treffend geschriebener Roman, der mitreißt und gleichzeitig für eine Vielzahl an Missständen sensibilisiert; ein Pageturner, der kein wohliges Gefühl hinterlässt, sondern in seiner Beklemmung in seinen Bann zieht.
- Originaltitel
- Dancing Jax
- ISBN10
- 3839001714
- ISBN13
- 9783839001714
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2012
- Broschierte Ausgabe
- 544 Seiten
- Empfohlenes Lesealter
- Ab 16 Jahren