Lettie Peppercorn und der Schneehändler
Zusammenfassung zu “Lettie Peppercorn und der Schneehändler”
Seit ihre Mutter verschwunden ist und ihr Vater sich dem Trinken und Spielen widmet, führt Lettie das Gasthaus Zum Schimmel. Ihre Mutter hinterließ ihr eine Warnung, den Boden von Albion nicht zu betreten, darum verlässt Lettie das Gasthaus auf Stelzen niemals. Sie ist recht einsam, ihre einzige Gesellschaft sind ihre Gäste und ihr Taube Periwinkle. Gerade hat sie das „Walross“ und die „Glotzerin“ zu Gast, zwei reiche Damen aus Laplönd und Bohemien. Eines Tages stehen ein sehr kalter und sehr blauer Mann und ein Junge vor der Tür, der Schneehändler und Noah, der ihn mit seinem Schiff beförderte. Der Schneehändler verlangt das kälteste Zimmer des Gasthofs und verspricht Lettie „Schnee“ – etwas, wovon weder sie noch ihre beiden Gäste je etwas gehört haben. Als der Schneehändler mit Hilfe der Nimbostratuswolke in seinem Koffer das Zimmer mit glitzerndem Schnee gefüllt hat, glaubt sich Lettie reich und von all ihren Sorgen befreit.
Natürlich neiden ihr die beiden Damen die vielen „Diamanten“, die sie zudem ganz ohne Gegenleistung erhalten hat. Es stellt sich jedoch heraus, dass der Schneehändler Lettie betrogen hat: Die vermeintlichen Diamanten schmelzen! Das „Walross“ und die „Glotzerin“ stört das wenig, sie möchten die Schneewolke trotzdem in ihren Besitz bringen. Im Gefecht verwandelt der Alchemist, denn das ist der Schneehändler, den Kopf des „Walrosses“ in eine Teekanne und die Hand der „Glotzerin“in Silberschillinge. Bei seiner Flucht erwähnt er Letties Mutter, und so folgen ihm Lettie und Noah trotz der Warnung von Letties Mutter. Am Diebstahl von Noahs Boot können sie ihn hindern, doch verwandelt der Schneehändler Letties Vater in eine Bierflasche. Außerdem sind ihnen die beiden Damen auf den Fersen. Auf der Flucht lernt Lettie mehr über ihre Eltern und ihre eigene Entstehung und findet in Noah einen guten Freund…
Wichtige Charaktere
- Lettie Peppercorn
- ihr Vater Henry und ihre Mutter Teresa
- Noah
- Blüstav
- der Schneehändler
- das Walross
- die Glotzerin
- die Walfänger: Käpt’n McNulty, Rotz-Hotte Charlie, Tranmann Johnson und Heizer Pete
- die Taube Periwinkle
Zitate
„Der Schneehändler nahm den Eimer und schleuderte der Wolke das schmutzige Wasser entgegen. Sofort verschlang der Nimbostratus jeden Tropfen mit einem gierigen Grummeln. Dann wedelte der Schneehändler die Wolke in die Mitte des Zimmers, bis sie direkt über dem Teppich schwebte. Schließlich reckte er seinen großen Holzlöffel, ließ einige Tropfen Äther auf den Stiel fallen und begann dann die Wolke umzurühren, erst langsam im Kreis herum, dann immer schneller und schneller, bis der Nimbostratus mit atemberaubender Geschwindigkeit herumwirbelte, und der Schneehändler wirbelte darunter im Kreis, und Lettie wurde ganz schwindlig vom Geruch und den Geräuschen, und dann … plötzlich …
… fiel etwas aus der Wolke herab.“
„Eines Nachts kroch Blüstav ins Labor und fand Teresa vor Erschöpfung eingeschlafen. Sie hatte ein Stück Stille, einhundert Jahre lang, in winzige Augenblicke geschnitten und mit Staub sowie statischer Ladung besprenkelt. Dann hatte sie sie in eine Wolke eingenäht, sechs Würfel sechs Mal geworfen und schließlich Salz und Äther dazugemischt. Die fast fertige Nimbostratus-Wolke schwebte nun über ihrem Kopf. Nur eine einzige, letzte Zutat fehlte noch.“
„Lettie neigte den Kopf zur Seite. Erst nach links, dann nach rechts, als wäre er ein Kessel, in dem sie Noahs Idee erst einmal herumschwappen lassen musste, bevor sie richtig einsickern konnte.“
Persönliche Bewertung
Ein durch und durch magisches Wintermärchen
Bereits das wunderschön winterliche Cover dieses Buches mit partiellem Glanzlack und einer großartigen Illustration im typischen Chris Riddell Stil lassen erahnen, um welchen Schatz es sich hierbei handelt. Schon das äußerst kreative Rezept für Schnee, das dem Buch vorangestellt ist und das hier natürlich nicht verraten wird, ist den Kauf wert. Auch an der Geschichte gibt es nichts auszusetzen – erstaunlich, dass dies das Erstlingswerk Sam Gaytons ist.
Kulissen, Charaktere und Handlung sind ebenso kreativ wie verrückt und passen perfekt zu Chris Riddells mitunter recht skurrilem Illustrationsstil. Lettie als Hauptperson ist sowohl eine Sympathieträgerin als auch ein gutes Vorbild in ihrem gewissenhaften aber dennoch mutigen und entschiedenen Auftreten und Handeln. Auch Noah ist ein sympathischer Charakter, der durch seine Besonderheit zu einer einzigartigen Figur wird: Aus seiner Schulter sprießt ein Stängel, dessen Blätter, Blüten oder Früchte jeweils zur Situation passen, zu seiner Stimmung oder zu den aktuellen Anforderungen. So bringt er eine rote Blüte hervor, wenn er verlegen ist, lässt die Blätter hängen, wenn er traurig ist und rettet Lettie vor dem Verhungern, indem er essbare Früchte wachsen lässt. Dieser fantasievolle Charakter hebt sich erfreulich von klischeehaften Fantasycharakteren ab und begeistert ebenso wie andere Figuren der Geschichte durch seine Einzigartigkeit.
Auch andere Klischees wie traditionelle Geschlechterrollen oder schmalzig-romantische Passagen sucht man vergeblich. Stattdessen ist die Liebesgeschichte um Letties Eltern so ungewöhnlich wie bezaubernd. Statt abgenutzter Klischees zeigt Gayton seine Fantasie mit farbenfrohen Beschreibungen von Kulissen und Personen, mit wunderbaren Ideen für „alchemistische Rezepte“ und Letties Entstehungsgeschichte. Dabei gelingt es ihm, neben viel Humor auch tiefgründige Gedanken in die Geschichte einzuflechten: So stellt Letties Mutter fest, dass Liebe zwar alles möglich, damit aber noch lange nicht einfach macht, oder dass das Geld Leute in den Wahnsinn treibt und sie zu gefährlichen und unberechenbaren Menschen macht. Auch die Lehre, dass Alchemie vor allem durch Vorstellungskraft, nicht durch penibles Studium kluger Bücher entsteht, ist eine Weisheit, die sich in das reale Leben und auf andere Wissenschaften übertragen lässt. So ist ein höchst unterhaltsames, aber dennoch anspruchsvolles Märchen entstanden, dem es an nichts fehlt außer an platten Klischees und stumpfer Action oder flachen Charakteren.
Sam Gayton beweist mit diesem Buch, was für ein wunderbarer Autor er ist, der mit viel Charme, Einfallsreichtum, Einfühlungsvermögen und einem gewitzten und verzaubernden Schreibstil sowie einmaligen Charakteren und Kulissen eine unwiderstehliche Geschichte erzählt. Es bleibt zu hoffen, dass es in Zukunft weitere Bücher von ihm zu lesen gibt, im besten Fall wieder von Riddells Illustrationen aufgewertet, denn diese Kombination passt ebenso gut wie die genialen Werke von Paul Stewart und Chris Riddell!
Fazit
Ein märchenhaftes Buch, der perfekte Lesegenuss für lange und dunkle Winterabende, für die Vorweihnachtszeit oder für Winterträume an einem heißen Sommertag. Urkomisch, intelligent, fantasievoll, großartig geschrieben und in bester phantastisch-humorvoller Chris Riddell Manier illustriert. Umwerfend!
- Originaltitel
- The Snow Merchant
- ISBN10
- 3414823373
- ISBN13
- 9783414823373
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2012
- Gebundene Ausgabe
- 265 Seiten
- Empfohlenes Lesealter
- Ab 10 Jahren