Beim Griechen

Wie mein Vater in unserer Taverne Geschichte schrieb

Autoren
Verlag
S. Fischer Verlag
Anspruch
5 von 5
Humor
4 von 5
Lesespaß
5 von 5
Schreibstil
4 von 5
Spannung
5 von 5

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Zusammenfassung zu “Beim Griechen”

„Beim Griechen“ erzählt die Geschichte eines griechischen Restaurants in Deutschland. Gegründet unter dem Namen „El Greco“ als erstes griechisches Restaurant in der Stadt, dem Wandel der Jahrzehnte unterworfen, dabei immer am Puls der Zeit, günstig am Bundesverfassungsgericht gelegen, besucht von Prominenten und weniger Prominenten, wie beispielsweise den Biertrinkerchen, wird die Geschichte eines griechischen Familienbetriebes in Deutschland aus erster Hand erzählt, denn der Autor, Alexandros Stefanidis ist in der Taverne groß geworden, die zugleich Ort der Gastfreundschaft und Wohnzimmer der Familie war.

Typisch griechisch, hier sei das Klischee verziehen, handelt der Roman von mehr als als nur vom Essen, Trinken und legendären griechischen Wein, wenngleich auch dieser als roter Retsina zu Worte kommt. Eigentliche Hauptdarsteller sind die (große und kleine) Politik und die Familie. Man erfährt von den Spuren, die der Zweite Weltkrieg in Griechenland hinterließ und die den Vater in ein Waisenhaus brachten. Man erfährt vom Lebensgefühl (und der Verlorenheit) der Gastarbeitergeneration, die sich nie angenommen fühlte. Jenseits und parallel zur Politik, zwischen Bemerkungen über Petra Kelly und Gregor Gysi, zwischen vielen Ouzo, wird ein griechisches Familienpanorama entblättert. Liebe, Arbeit, Spielsucht, Homosexualität, Kinder bekommen und Kinder versorgen, Alkoholsucht, Ehe, und die Antwort auf die Frage: Was ist Familie und was hält sie aus?: all das findet sich in dieser griechisch-deutschen, zeitgeschichtlich detailliert untermalten Erzählung. Parallel zur griechischen Familiengeschichte werden deutsche Geschichten erzählt – ein eindrucksvoller Kontrast. Den Wandel deutscher Esskultur kann man am Rande natürlich auch miterleben, bis zum bitteren Ende: 2009 wurde „Beim Griechen“ geschlossen – seitdem ist an der Stelle eine Dönerbude.

Zitate

„… ich wurde – zum Erschrecken meiner damaligen Skateboard-Freunde – ein Udo-Jürgens-Fan. ‚Griechischer Wein‘ ist ein grandioser Song. Es geht dabei nicht um die ‚Integrationsproblematik‘ wie einige Musikkritiker (und, ja!, auch Feuilletonisten) gern schrieben und schreiben. Es geht schlicht um die Sicht der griechischen Gastarbeiter auf ihre Situation in Deutschland: ‚Schenk noch mal ein!/ Denn ich fühl die Sehnsucht wieder;/ in dieser Stadt werd ich immer nur ein Fremder sein,/ und allein.‘ Viele Griechen fühlten sich von Udo Jürgens verstanden und waren froh, dass sich jemand diesem Thema gewidmet hatte. … Selbst mein Vater fand den Text passend, ‚auch wenn er auf unsere Familie nicht ganz passt‘, fügte er lächelnd hinzu, ‚wir sind schließlich immer diejenigen gewesen, die den Wein an alle ausgeschenkt haben.'“

Persönliche Bewertung

Mit leichter Hand geschriebenes deutsch-griechisches Meisterwerk

5 von 5

Stefanidis will nicht verschrecken, er will erzählen, und das macht er hervorragend. Immer wieder schimmert Detailgenauigkeit wie eine versteckte Perle durch, wenn beispielsweise der kleine Junge schon zu Beginn der 80ziger im Ausländerviertel wohnt und nur mit den anderen „nicht-deutschen“ Kindern spielt, natürlich Fußball. Hervorragend auch, die Beschreibung der deutschen Familien. Irritierend hingegen, wie der Grieche Stefanidis über die Spiel- und Alkoholsucht seines Vaters urteilt. Genauso schwer zu begreifen, die Mutter, welche dem Vater immer wieder verzeiht, denn im Mittelpunkt ihres Lebens steht nicht sie, oder ihre Ehe, sondern die ganze griechische Großfamilie. Noch etliche weitere Geschichten gibt es in diesem kurzweiligen Roman zu entdecken, die allesamt, hält der Leser einen Moment inne, nachdenklich machen könnten. Dabei wird alles, wobei alles in diesem Fall fast 50 Jahre Geschichte sind, so leicht erzählt, dass man fast den Verdacht hegt, das Buch wurde auf leichte Kost heruntergetrimmt, damit es nicht schwerer im Magen liegt, als ein gelungenes Mahl beim Griechen, den man in der Form, wie er im Buch weiter lebt, heute kaum noch finden kann. Yamaz!
Mit leichter Hand geschriebenes deutsch-griechisches Meisterwerk über das Leben (in Deutschland), das Essen, die Politik, das Trinken und über den Sinn des Lebens in einer (griechischen) Familie.

Fazit

Als Vater Stefanidis aufgrund eines Arbeitsunfalles nicht mehr bei Bosch arbeiten kann, beschließt er, sich einen Traum zu erfüllen: den von einem eigenen Restaurant. Damit beginnt eine Reise in die Vergangenheit, in ein Deutschland, dass es heute nicht mehr gibt – und, das sei hier vermerkt, in ein Deutschland, das sein „Gastarbeiterproblem“ ignoriert. Der Leser geht weit in die 70ziger Jahre zurück, und schaut auf sie mit den Augen eines griechischen Tavernenbesitzers, der sein Leben damit zubringt, Deutsche zu bewirten, und folgt diesem Blick bis in die Gegenwart. Wobei es, bei rechtem Licht betrachtet, gewissermaßen wenig Erfreuliches zu berichten gibt, denn zumeist geht es irgendwie bergab. Was dem Leser jedoch nicht wirklich auffällt, denn dem Autor gelingt es, die ganze Dramatik der zweifelsohne harten Konfliktlinien hinter einer humorvollen, unbestimmbar entschärfenden Sprache zu verstecken. Fast könnte man Sprache und Schreibstil des Autors, der Redakteur des SZ-Magazines ist, als „gastfreundlich“ bezeichnen.

ISBN10
3596187583
ISBN13
9783596187584
Dt. Erstveröffentlichung
2010
Taschenbuchausgabe
256 Seiten