Worldshaker

Autoren
Übersetzer
Werner Leonhard
Verlag
Jacoby & Stuart Verlag
Anspruch
5 von 5
Humor
5 von 5
Lesespaß
5 von 5
Schreibstil
5 von 5
Spannung
5 von 5

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Zusammenfassung zu “Worldshaker”

Col lebt auf dem Juggernaut Worldshaker, einem riesigen Koloss, einem mobilen, von Dampf betriebenen Staat, der sich mit Hilfe riesiger Walzen fortbewegt. Auf der Welt sind verschiedene dieser Ungetüme unterwegs: der Worldshaker der Briten, die Marseillaise derFranzosen, der Friedrich der Große der Preußen, der Prinz Eugen der Österreicher und die Romanov der Russen. Jedem geht es darum, den anderen Juggernauten zuvorzukommen, schneller zu sein, besseren Handel zu treiben. Der Worldshaker unterteilt sich in ein Oberdeck und Unterdeck, die Bewohner bestehen aus Menschen, „Gesindlingen“ und „Dreckigen“. Während die Menschen auf dem Oberdeck leben, müssen die „Dreckigen“ auf dem gefährlichen Unterdeck inmitten des Dampfes und der Maschinen des Getriebes leben. Wenn sie „Glück“ haben, werden sie herausgeholt und zu „Gesindlingen“ gemacht, die den Menschen dienen und niedere Arbeiten verrichten.

Col gehört zur Elite des Oberdecks. Sein Großvater ist der Oberbefehlshaber des Worldshaker und besitzt damit mehr Macht als die Königin und ihr Prinzgemahl, die in erster Linie repräsentativen Zwecken dienen. Cols weiterer Lebensweg ist schon bestimmt: Ihm soll die Ehre zuteil werden, der Nachfolger seines Großvaters zu werden und auf eine Eliteschule zu gehen. Doch dann wacht Col eines Nachts auf und findet eine „Dreckige“ namens Riff unter seinem Bett. Er ist erstaunt, dass sie sprechen kann und intelligent zu sein scheint. Ohne zu wissen warum, versteckt er sie in sienem Schrank und hilft ihr schließlich bei der Flucht: Durch die Versorgungsschütte ins Unterdeck. Er ist froh, Riff loszusein, doch sie geht ihm nicht aus dem Kopf. Er denkt auch über die Ungeheuerlichkeiten nach, die sie ihm gesagt hat, und die sein Weltbild ins Wanken bringen.

In der Schule freundet Col sich mit einem Jungen namens Septimus an, obwohl dieser in der Hierarchie unter ihm steht. Die Rangordnung ist streng festgelegt: Es gibt die Elite, die „Klotzis“ (die eine Offizierslaufbahn einschlagen werden), die „Aufsteiger“ (die sich bemühen, zur Elite zu gehören), die „Kriecher“ (mit Vätern aus höheren Berufsständen) und die „Schufter“ (die als klug gelten und sich in der Schule versuchen durch gute Leistung zu bewähren, obwohl sie Kinder von Vorarbeitern oder Gewerbetreibenden sind.) Die anderen Schüler der Elite schmeicheln sich bei Col ein und er bekommt in allen Prüfungen gute Noten, kommt jedoch dahinter, dass die Notenvergabe rein willkürlich ist und dass die anderen Eliteschüler nicht seine Freunde sind, sondern erbitterte Rivalen (inbesondere die Squellinghams).

Mit Septimus‘ Hilfe findet Col in der Bibliothek bei seinem alten Lehrer heraus, dass die Geschichte, die ihnen von den „Dreckigen“ und der Geschichte der Juggernauts und des Worldshaker beigebracht wurde, falsch ist. Entgegen allem, was ihm in der Schule beigebracht wurde, stellt Col fest: „Dreckige“ sind Menschen wie sie! In der Schule wird ihnen jedoch etwas vollkommen anderes beigebracht. Besonders ihr Lehrer, Professor Twillip, macht aus jedem Fach eine politische Angelegenheit: Es gibt sogar gute und schlechte Winkel!

Als Col ein Buch die Versorgungsschütte herunterwerfen möchte, um es Riff zu schenken und ihr zu ermöglichen, lesen zu lernen, wird er von seinen vermeintlichen Freunden aus der „Elite“ erwischt und fällt bei einem Kampf selbst die Schüte hinunter. Er landet in einer Hölle aus Dunkelheit, Dampf, Hitze und tödlichen Gefahren. Zu seinem Glück findet ihn Riff und hilft ihm, und er erfährt, dass die „Dreckigen“ eine Revolution planen. Sie helfen ihm zurück auf das Oberdeck, er muss jedoch im Gegenzug versprechen, dass er Riff einen Weg zurück auf das Oberdeck ermöglicht. Bei seiner Rückkehr zu seiner Familie ist Col in Ungnade gefallen. Aus taktischen Gründen steht seine Familie weiter zu ihm, doch er erfährt nach und nach, dass auch die Menschen, die ihm sein ganzes Leben lang nahestanden, skrupellos und berechnend sind…

Wichtige Charaktere

  • Colbert Porpentine, genannt Col
  • Riff
  • Cols Schwester Gillabeth Porpentine
  • Cols Bruder Antrobus Porpentine
  • Cols Großvater Sir Mormus Porpentine
  • Cols Großmutter Lady Ebnolia Porpentine
  • Cols Eltern Orris und Quinnea Porpentine
  • der „Gesindling“ Wicky Popo
  • Septimus Trant
  • Professor Twillip
  • der Lehrer Mr. Bartrim Gibber
  • der Schuldirektor Dr. Blessamy
  • Sephaltina Turbot
  • Königin Victoria und Prinz Albert
  • Pugh und Hythe Squellinghams
  • Sir Wisley Squellingham
  • Lumbridge, Fefferly, Flarrow und Haugh

Zitate

„Vor der Akademie befand sich ein freier Platz, in den mehrere Gänge mündeten. Über dem Eingang selbst erhob sich ein antiker Torbogen aus der Alten Heimat, den in den Stein gemeißelte Eulen zierten sowie das Schulmotto: Loyalität, Rechtschaffenheit, Selbstbeherrschung.
Unter dem Bogen hindurch traten sie in den riesigen Schulhof, der völlig offen wirkte, so als ob man Draußen wäre. Über vier Deckebenen öffnete er sich zum tageshell gleißenden Licht, das Lampen ganz oben verbreiteten. Auf jeder Ebene befanden sich Türen udn Fenster, und eine schmiedeeiserne Galerie lief ganz um die Hoföffnung herum. Rampen führten hinauf von einer Galerie zur anderen, und in der dritten Etage spannte sich eine Fußgängerbrücke über die ganze Breite des Hofes. Hätte Col nicht auf der Plattform über der Brücke das echte Draußen unter freiem Himmel erlebt, dann hätte er diesen Schulhof für Draußen gehalten.“

„‚Die Offiziere haben gesagt, sie hätte sich dagegen gesträubt, zu einem Gesindling gemacht zu werden.‘ Ein wenig verdrehte Col die Tatsachen.
‚Eben weil Dreckige es leicht mit der Angst zu tun bekommen, Colbert. Das sind keine vernunftbegabten Wesen, verstehst du.‘ Großmutter lächelte. ‚Auf jeden Fall wurde diese Dreckige kurz darauf gefunden. Und jetzt ist sie ein völlig zufriedener Gesindling und arbeitet im Küchenbereich.‘
Aus reiner Gewohnheit hätte Col ihr beinahe geglaubt: Er war es sein ganzes Leben lang gewohnt gewesen, alles, was ihm Großmutter erzählte, zu glauben. Aber dieses Mal wusste er es besser!
‚Wo haben sie sie den gefunden?‘
Großmutter überlegte einen Augenblick. ‚Ach ja, sie hatte sich unter der Treppe im Warwickshire-Salon versteckt.‘
Das hatte sie einfach erfunden! Und doch sagte sie es mit einer solchen Überzeugung und nickte dabei wie ein kleiner Vogel. Als er ihr in die Augen sah, schwindelte Col vor dem Abgrund, der sich vor ihm auftat. Wie oft mochte sie wohl früher schon Sachen einfach erfunden haben?“

Alle Bände der Reihe

Worldshaker
Liberator

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Persönliche Bewertung

Faszination, Dramatik, Tiefgründigkeit und anspruchsvolle Sprache - großartig!

5 von 5

Es gibt wenige phantastische Romane für die Zielgruppe, die auf 400 Seiten so eine vielschichtige und intelligente Geschichte erzählen. Richard Harland erzählt in seinem Buch sowohl eine klischeefreie Liebesgeschichte als auch einen klassischen düsteren Steampunkroman mit vielen politischen und gesellschaftskritischen Hintergründen.

Die Juggernauten hat sich der Autor nicht ausgedacht, die Idee des riesigen, schweren Prozessionswagens hat er jedoch so abgewandelt, dass es sich fast um eine eigene Erfindung handelt. Er verschaffte dem „Worldshaker“ solche monströsen Dimensionen, dass ein ganzer mobiler Staat hineinpasst. Das dampfbetriebene Monstrum ist ein eigener Mikrokosmos, der sich aus zwei vollkommen gegensätzlichen Welten zusammensetzt: Dem märchenhaften Leben auf dem Oberdeck und der brutalen Kulisse der Unterdecks. Auch auf dem vermeintlich paradiesischen Oberdeck offenbart sich im Verlaufe des Buches das Grauen des ungerechten Schichtsystems, das hinter der Fassade steckt: die Heuchelei, das Patriarchat, die Macht des Militärs, die Ausbeutung und Diskriminierung, das brutale, erbarmungslose System, das seine Bürger systematisch belügt. Anspielungen auf die Außenwelt finden sich zu Beginn wenige, doch bald zeigt sich, woher der Reichtum des Worldshaker stammt: Grandenlos wird alles niedergemäht, was sich dem Worldshaker in den Weg stellt, dabei werden Rohstoffe einfach mitgenommen. Die Anspielungen auf den Kolonialismus aus der realen Welt, sind hier offensichtlich.

Zusammen mit Col ändert sich zunehmend die Meinung des Lesers über die zunächst anziehende Welt des Worldshaker. Col gerät immer mehr in Konflikt: Sein Weltbild gerät ins Wanken, er begreift, dass die Menschen, die er liebt, ihn eiskalt belogen haben. Er lernt den Verrat in den eigenen Reihen kennen. Besonders in der eigenen Familie ist ein solcher Vertrauensbruch schwer zu ertragen und Col hat Mühe, den Gegensatz zu begreifen: Seine Großmutter, die er als warmherzig erlebt hat, ist einer der brutalsten gewalttätigsten Menschen. Ihre Skrupellosigkeit offenbart sich auf besonders grauenhafte Weise: Sie lässt ihren Lieblings-Gesindling verhungern, um ihn bedauern zu können und um ihn zu trauern. Ihre angebliche Fürsorge ist dabei viel grausamer als direkte Gewalt. Durch Col zeigt der Autor die Macht der Erziehung, denn trotz aller anderweitigen Informationen fällt es dem Jungen schwer, sein anerzogenes Weltbild anzuzweifeln.

Sehr angenehm sind die sparsamen und gut abgestimmten Dosen von Gewalt und Liebesgeschichte in „Worldshaker“. Die Liebesbeziehung zwischen Col ud Riff ist so unkitschig wie unklischeehaft dargestellt: Col als verweichlichtes Oberschichtkind der Elite trifft auf Riff, das knallharte, toughe Mädchen, das gelernt hat, allen Gefahren ihres entbehrungsreichen und riskanten Lebens zu trotzen. Die Gewaltszenen passen zu den Revolutionsszenen, sie sind nicht zu blutrünstig für die Zielgruppe und niemals Selbstzweck. Für eine realistische Revolution muss es natürlich Tote geben, sie halten sich jedoch in Grenzen, es gibt kein pures Gemetzel. Ebenso intelligent und erfreulich ist, dass der Autor auf eine schwarz-weiße Darstellung von „Gut“ und „Böse“ verzichtet: Auf beiden Seiten gibt es Gewalttäter und Menschen, die den Frieden vorziehen. Damit ist „Worldshaker“ insgesamt stimmig und wirkt bei aller Phantastik realistisch.

Fazit

Ein Buch, so mitreißend und komplex, dass es einfach großartig ist! Leser, die leichte Unterhaltung suchen, werden möglicherweise mit „Worldshaker“ überfordert sein. Wer eine anspruchsvolle Sprache, Tiefgang, vielschichtige Handlungen und intelligente Hochspannung zu schätzen weiß, wird dieses Buch jedoch lieben!

Originaltitel
Worldshaker
ISBN10
3941787071
ISBN13
9783941787070
Dt. Erstveröffentlichung
2010
Gebundene Ausgabe
400 Seiten
Empfohlenes Lesealter
Ab 13 Jahren