Vier Beutel Asche

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Heyne Verlag
Anspruch
4 von 5
Humor
4 von 5
Lesespaß
4 von 5
Schreibstil
4 von 5
Spannung
4 von 5

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Zusammenfassung zu “Vier Beutel Asche”

Der 16-jährige Christoph stirbt bei einem Unfall, als er nach einer Party betrunken auf einem Fahrrad ohne Licht fährt und ihn ein Auto erwischt. Sein bester Freund Jan kann seinen Tod nicht verkraften und flüchtet sich in Rachegedanken, denn für ihn ist klar: Gerber, der Autofahrer, ist schuld. Dass er freigesprochen wurde, muss ein Justizirrtum sein. Jan sinnt auf Rache; von der Normalität, die laut seinen Eltern so wichtig ist nach einem solchen Trauerfall, möchte er nichts wissen. In den Ferien fahren seine Eltern mit seiner kleinen Schwester in den Urlaub, bei Jan quartieren sich seine Freunde Knolle und Ralph ein. Ursprünglich waren Parties geplant, zusammen mit Christoph. Jan lässt sich überreden, an Christophs Geburtstag ihm zu Ehren eine Party zu veranstalten, seine Lieblingsmusik zu spielen und ihm zu gedenken. Doch auf der Party selbst gerät der Unfall in den Hintergrund. Jan beschließt, Christophs Grab zu besuchen, um mit ihm allein zu sein, mit ihm zu sprechen. An Christophs Grab ist er jedoch nicht allein: Er überrascht Maik dabei, wie er sich eine Pistole in den Mund steckt. Maik ist zwar nur ein recht flüchtiger Freund Christophs, doch es war sein Fahrrad, auf dem Christoph verunglückte und so gibt er sich die Schuld am Unfall. Schließlich finden sich unabhängig voneinander auch Christophs Freundin Selina und das Mädchen Lena ein, von dem niemand weiß, was sie mit Christoph zu tun hatte.

Da Christoph den kleinen Ort verlassen wollte und sich immer eine Seebestattung gewünscht hatte, beschließen die vier Jugendlichen, ihm seinen letzten Wunsch zu erfüllen und seine Asche ans Meer zu bringen, genauer an die französische Küste, denn dorthin wollte er zu Lebzeiten unbedingt. Sie graben die Urne aus und verteilen die Asche auf vier Plastikbeutel, um Christophs Überreste gerecht auf alle zu verteilen. Es werden notdürftig die wichtigsten Dinge eingepackt, ohne die Eltern zu alarmieren, und dann fahren die vier auf Selinas Roller und Maiks Motorrad los in Richtung Frankreich. Auf der Reise müssen sich alle vier mit ihrem Verlust und ihrer Trauer auseinandersetzen und sich gemeinsam verschiedenen Herausforderungen stellen: Ihr spärliches Geld wird ihnen gestohlen, Jan und Lena kommen sich näher, Selina zweifelt daran, ob Christoph sie nicht doch mit Lena betrogen hat…

Wichtige Charaktere

  • Christoph
  • Jan
  • Selina
  • Lena
  • Maik
  • Jans Eltern und seine Schwester Pia
  • Gerber
  • Knolle, Ralph und Kev

Zitate

„‚Und wenn schon ein Gott, dann keiner aus irgendeiner Religion. Er glaubte nur, dass es nach dem Tod irgendwie weitergeht. Nicht unbedingt in einem Jenseits, vielleicht treiben die toten Seelen unsichtbar mit dem Wind herum, oder sie hängen an dem Ort fest, an dem sie gestorben sind oder begraben wurden, und deshalb gibt es Orte, die einem unheimlich sind. Er hat immer wieder rumüberlegt, weil er nichts wusste. Bestimmt ketten Grabsteine eine Seele fest und verhindern, dass sie frei mit den Winden reist, hat er mal gesagt, und: Seeleute haben es echt besser. Er hat nichts gefunden, was ihn überzeugt hat, aber er wollte auf keinen Fall an ein Ende glauben. Und ich auch nicht.'“

„‚Und jetzt rennst du rum, klopfst Sprüche, ballerst auf Apfelbutzen und zerrst Christophs Asche bei jeder Pause heraus, als wär das nur ein Spaß. Wie kannst du so schnell switchen?‘ Ich verstand es nicht, denn ich bekam den Wunsch nach Rache seit drei Monaten nicht aus dem Kopf.
‚Ein Spaß?‘, Wieder blieb er stehen. Seine Augen brannten. ‚Ich fühl mich vollkommen leer, darum geb ich den Kaspar. Ich lache, um nicht zu schreien, ich ertrag es sonst schon nicht, die Welt ernst zu nehmen. Wenn ich das tu, will ich mir jedes Mal den Kopf wegblasen.‘
‚Fuck‘, sagte ich. Es sollte mitfühlend klingen.“

„Wassertropfen klatschten gegen mein Visier, das Scheinwerferlicht zersplitterte an ihnen und verwandelte sich in herabsinkende Sterne. Ein nasses Nachäffen von Sternschnuppen auf Plastik, und ich wünschte, ich würde nicht stürzen. Der Himmel war dunkel und leer.“

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Persönliche Bewertung

Ein Jugendroman wie ein Roadmovie, manchmal nachdenklich und manchmal unkritisch

4 von 5

Boris Koch erzählt „Vier Beutel Asche“ in typischer, stellenweise auch poetischer Jugendsprache, passend zum Hauptcharakter, denn die Geschichte wird aus Jans Sicht erzählt, aus der Perspektive eines Jugendlichen, der seinen besten Freund verloren hat. Jan zeichnet sich durch Spontaneität und Impulsivität aus. Inwieweit sich Leser und Leserinnen mit ihm und den anderen Jugendlichen identifizieren können, hängt sicherlich zu einem großen Teil vom Alter ab. Jugendliche, die einem Leben zwischen Parties und Frauen wenig abgewinnen können, könnten ebenfalls Schwierigkeiten damit haben, in Jan eine Identifikationsfigur zu sehen.

Der Rahmen der Geschichte ist ein typisches Thema eines Jugendbuchs: Abhauen, ein Roadtrip – in diesem Fall jedoch auf einer durchaus rührenden Mission mit besonderem Hintergrund. Es geht darum, wie ein Verlust verarbeitet werden kann, über die vielgerühmte „Rückkehr zur Normalität“, um die Frage der Schuld und Jans Umgang damit: Er versucht, einen Schuldigen zu finden, um seine ohnmächtige Wut und Trauer an einer lebendigen Person auslassen zu können und damit ein Ventil für seine Gefühle zu finden.

Leider wirken die Handlung und Hauptcharaktere nicht immer realistisch und überzeugend: Zum Beispiel ist fraglich, ob die anderen drei Jugendlichen Lena wirklich mitgenommen hätten. Dass Maik nur aus schlechtem Gewissen mitfährt, obwohl er den Verstorbenen deutlich weniger kannte, ist ebenso seltsam. Plausibler wäre eine Reise von Selina und Jan gewesen; für die Vielfalt an Charakteren ist die kleine Gruppe von vier Jugendlichen sicherlich von Vorteil. Auch ist nachvollziehbar, dass die Beziehung zwischen Lena und Christoph, über die Leser und andere Charaktere lange nur spekulieren können, die Spannung erhöhen soll. Die Auflösung des Geheimnisses bringt einen neuen Aspekt in das Leben des Verstorbenen und rechtfertigt damit Lenas Rolle in der Geschichte. Dass vor allem Selina, aber auch Jan, sie an der doch sehr intimen Reise teilnehmen lassen, wird hierdurch jedoch nicht überzeugender.

Zwischendurch driftet der Roman in eine Abenteuergeschichte ab, es geht weniger um die Bewältigung von Trauer als vielmehr um die Erlebnisse auf der Reise. Zwar werden auch Jans Gefühle sowie der Umgang der anderen Charaktere mit dem Verlust thematisiert, das eigentliche Thema des Buches gerät jedoch zeitweilig in den Hintergrund. Sicherlich gehen Jugendliche mit Trauer anders um als Erwachsene, manches wirkt jedoch etwas banal angesichts des schweren Verlustes.

Der Ich-Erzähler, Jan, befindet sich in seiner Trauerbewältigung während seiner Reise zwischen Verdrängung, Hilflosigkeit und Wut. Seine Schwärmerei für Lena mit ihrem aufreizend kurzen Rock und Jans Unsicherheit, ob sie „tabu“ ist, weil sie etwas mit Christoph „gehabt“ hat, mag realistisch sein, stört jedoch den mitunter nachdenklichen Ton des Buches. Fragwürdig ist darüber hinaus der unkritische Umgang des Buches mit dem Thema Zigaretten: In einem Jugendbuch, das im Jahr 2012 erscheint, ist sehr zweifelhaft, ob die Charaktere wirklich derart selbstverständlich rauchen müssen, auch wenn sie nur Gelegenheitsraucher sind. Sicherlich gehört es zum Klischee der Rebellen, des Roadtrips ohne Eltern und Regeln, doch hätte es der Überzeugungskraft der Geschichte keinen Abbruch getan, hätte man die Zigaretten aus der Geschichte herausgelassen.

„Vier Beutel Asche“ ist weitgehend spannungsvoll aufgebaut. Das Ende wirkt jedoch auf den letzten zwei Seiten ein wenig belanglos: Dass die Liebesgeschichte den Schluss bildet, obwohl es um Christoph und die Trauer über seinen Tod geht, wirkt ein wenig fehl am Platz. Von den Kritikpunkten abgesehen, ist Boris Koch mit diesem Roman ein Roadtrip in Buchform gelungen, das auf seine jugendliche Zielgruppe abgestimmt ist und gelegentlich zum Nachdenken anregt.

Fazit

Die Idee des Buches bietet ein hohes Potenzial; die Umsetzung wirkt jedoch nicht immer stimmig. Etwas mehr Tiefgang und Fokus auf die Trauerbewältigung wäre wünschenswert gewesen. Ein Buch für eine jugendliche Zielgruppe, die sich sicherlich zum großen Teil mit der Sprache und den Hauptcharakteren identifizieren können.

ISBN10
3453268342
ISBN13
9783453268340
Dt. Erstveröffentlichung
2012
Gebundene Ausgabe
384 Seiten
Empfohlenes Lesealter
Ab 14 Jahren