Shibumi
Zusammenfassung zu “Shibumi”
Nicolai Hel, seinerseits Profikiller im Ruhestand, lebt zurückgezogen mit seiner Konkubine Hana in einem baskischen Chalet – das er für viele Millionen restaurieren ließ. Er versucht das Konzept des shibumi zu leben, wozu sowohl ein japanischer Garten, ausgesprochen interessante sexuelle Abenteuer und das Erforschen der baskischer Höhlen – zusammen mit seinem Freund Le Cagot, einem baskischen Dichter – gehören. Das funktioniert, bis ein junges Mädchen – Hannah Stern – im Chalet auftaucht. Hannah bittet Nicolai um Hilfe, nachdem sie ein Attentat knapp überlebt hat. Nicolai versucht alles, seinen Ruhestand zu retten, was aber nicht gelingt. Er muss einen letzten Auftrag ausführen. Zudem sinnen seine alten Feinde auf Rache. Das ist ein wesentlicher Handlungsstrang des Romans, vielleicht sogar der uninteressanteste. Denn Shibumi hat mehr zu bieten, wobei dieses >>Mehr<< schwer in Worte zu fassen ist. So erfährt der Leser unter anderem viel über die Kultur der Basken, aber auch über die traditionelle japanische Kultur. Und das immer im Vergleich zur westlichen Kultur der „Kaufleute“. Zudem gibt es einen Kompaktkurs zur Geschichte des Zweiten Weltkrieges in China und vor allem in Japan. Dazu wird über Struktur und Funktionsweise des Terrorismus philosophiert, über den Wert von Information nachgedacht, wobei ganz nebenbei hervorragend gespeist wird. Vor allem Höhlenforscher kommen beim sportlichen Teil des Buches voll auf Kosten. Natürlich kommt auch der Sex nicht zu kurz, aber wer hier mit Nicolai Hel und seiner Konkubine Hana mithalten will, muss schon den vierten Grad beherrschen. Insgesamt wird vielschichtiger Stoff zu einem Krimi verwoben, in dem Hauptperson, Nicolai Hel, zum einen seltsam blass bleibt und doch immer bestimmt, wo es langgeht. Bis dann auch der Superheld irgendwann einsehen muss, dass alles endlich ist. Aber bis dahin verstehen seine Erlebnisse und Ansichten es hervorragend, den Leser auf das Angenehmste zu unterhalten.
Wichtige Charaktere
- Nicolai Hel
Zitate
„Wie du weißt, hat shibumi etwas zu tun mit größter Verfeinerung, die unter einer alltäglichen Erscheinung verborgen liegt. Es ist eine Aussage, so zutreffend, dass sie nicht deutlich definiert zu sein braucht, so genau, dass sie nicht außergewöhnlich zu sein braucht, so wahr, dass sie nicht real zu sein braucht. Shibumi ist eher Verstehen als Wissen. Sprechendes Schweigen. Im menschlichen Verhalten ist es Sittsamkeit ohne Prüderie. In der Kunst, in der das Wesen des shibumi die Form des sabi annimmt, ist es elegante Schlichtheit, ausdrucksvolle Kürze. In der Philosophie, in der shibumi als wabi erscheint, ist es geistige Gelassenheit, die nicht passiv ist, ist es Sein ohne die Angst des Werdens. Und in der Persönlichkeit des Menschen ist es …Wie soll ich es sagen? Autorität ohne Herrschsucht. So etwas ähnliches jedenfalls.‘ Nikolais Fantasie war wie elektrisiert von diesem Konzept des shibumi. ‚Wie erreicht man dieses shibumi, Sir?‘ ‚Man erreicht es nicht, man …entdeckt es. Und nur sehr wenige, ganz und gar geistige vergeistigte Menschen entdecken es je.’“
„Er war kein Künstler, aber er war sensibel; und so fehlte seinem Garten, dem wichtigsten Ausdruck seine Sehnsucht nach Kreativität, zwar sabi, aber er wies shibui-Züge auf, die die japanische Kunst von der mechanischen Dynamik der westlichen und der aufdringlichen Übertreibung der chinesischen unterscheiden. Sein Garten verströmte die süße Melancholie, die verzeihende Traurigkeit, die in der Vorstellungswelt der Japaner die Schönheit charakterisieren. Es herrschte eine beabsichtigte Unvollkommenheit und eine organische Schlichtheit, die zunächst ästhetische Spannungen erzeugte, um sie dann zu befriedigen, und die etwa so funktionierte wie Gleichgewicht und Ungleichgewicht in der westlichen Kunst.“
Persönliche Bewertung
Ein etwas anderer Thriller – der tiefe Einblicke in andere Kulturen gibt – verdeutlicht aus der Sicht eines egomanen Profikillers und Superhelden.
Shibumi ist ein etwas anderer Thriller. Erschienen im Jahr 1979, funktioniert die Erzählung nicht nach den heute üblichen Thrillerstrickmustern. Es ist eine andere Art von Geschichte. So erinnert beispielsweise die Hauptperson sehr an James Bond – reich, schön, gebildet, egoman und ein Frauenheld. Aber nur auf den ersten Blick. Denn hinter den Kulissen ist Nicolai ein einsamer Mystiker, der sich nach seiner verlorenen Unschuld sehnt. Um am Ende festzustellen, dass nur Loslassen sie ihm zurückbringen kann. Aber bis dahin ist vieles zu erleben. Und die Bilder, in denen Trevanian das Leben des Nicolai Hel beschreibt, sind wirklich eindrucksvoll. Allein die Beschreibung des Lebens im Baskenlandes plus die Höhlenforschung sind schon Spannung pur – wenngleich auch nicht unbedingt von Leichen gepflastert. Die Leichen – und die Grausamkeit gibt es dann an anderer Stelle – als der englische Geheimdienstchef 150 beteiligte Agenten exekutieren lässt oder als der Feuersturm über Tokio beschrieben wird. Auch die Darstellung der Folter, und der frühe Einsatz von Drogen bei der Folter durch den amerikanischen Geheimdienst kann als sehr gelungen bezeichnet werden. Und am besten geraten – die Kritik der westlichen Philosophie und Lebensweise, die wirklich vernichtend ausfällt. Diese Aufzählung ließe sich noch fortsetzen, aber irgendetwas muss dem Leser ja noch zur Entdeckung verbleiben. Eine komplex-verschachtelte Geschichte, deren Verwobenheit die eigentliche Spannung erzeugt und die aus Sicht der Rezensentin über weite Strecken mystisch-philosophisch eher anspruchsvoller als Don Winslows Vorgeschichte Satori geraten ist. Wenn nur der Schluss nicht so unglaublich danebengeraten wäre. Die letzten drei Seiten führen fast den ganzen Krimi ad absurdum – was wirklich schade ist.
- Originaltitel
- Shibumi
- ISBN10
- 3453408098
- ISBN13
- 9783453408098
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2011
- Taschenbuchausgabe
- 576 Seiten