Nur im Weltall ist es wirklich still
Vom Lärm und der Sehnsucht nach Stille
Zusammenfassung zu “Nur im Weltall ist es wirklich still”
Lärmempfinden ist subjektiv. Und ohne Menschen gäbe es keinen Lärm. Und – der Lärm fängt immer erst beim Hörer an. Was den einen nicht stört, nervt den anderen oder gefällt einem dritten sogar. Lärm ist eine recht ambivalente und facettenreiche Erfahrung – zu der wohl jeder eine ganz subjektive Meinung hat. Was der Autorin die Möglichkeit gibt, einen literarischen Streifzug zu dem Thema zu unternehmen. Sowohl Lessing als auch Tucholsky, Kafka, C.C. Jung und Kant sowieso, sie alle und viele andere mehr, haben etwas zum Thema Lärm und seinem Äquivalent, der Stille, geschrieben. Und der Leser bekommt diese Ansichten, halbwegs verpackt und mit Betrachtungen und Anmerkungen der Autorin garniert, in diesem kleinen Büchlein präsentiert. Begonnen wird mit Erwägungen zur Herkunft des Lärms. In diesem Kapitel geht es ein wenig philosophisch und ein wenig wissenschaftlich zu. Andere Kapitel hingegen, die beispielsweise von der Lust am Lärm, vom Drama des Lärms, der Entdeckung des Lärms und der Begeisterung für Lärm erzählen sind eher essayistisch angelegt. Es fließt ein konstanter Erzählstrom, in dem viele verschiedene Stimmen erklingen. Am Ende steht die Erkenntnis, dass wir dem Lärm zwar schutzlos ausgeliefert sind (wenn man den Gebrauch von Ohropax außer Betracht lässt), aber sehr wohl unsere Wahrnehmung von Lärm beeinflussen können – zumindest wenn es sich nicht um Hintergrundmusik handelt.
Zitate
„Doch nicht die Ursache allein bestimmt, ob wir ein Geräusch als Lärm empfinden. Auch unsere innere Einstellung zur Quelle des Geräuschs spielte eine Rolle, denn Lärm ist eine Beziehungsangelegenheit. ‚Geräusche anhören ist: an fremdem Leben teilnehmen‘, stellt, mit einem Seufzer, Kurt Tucholsky fest. Können wir die Nachbarin nicht ausstehen, heult ihr Rasenmäher in unseren Ohren lauter, als wenn wir ein freundschaftliches Verhältnis pflegen. Und: Je weniger Kontrolle man über ein Geräusch hat, umso stärker ist die Qual.“
„Als Lärmbekämpfer macht man sich nicht beliebt, das Anliegen mag noch so berechtigt sein. Wer vom Lärm genervt ist, nervt ebenfalls, darin besteht die Crux in der Lärmbekämpfung. Die Empfindlichkeiten des Lärmbekämpfers wirken kleinlich, seine Rhetorik ist aufdringlich, und mit seinem Vorbehalt gegenüber der Ausgelassenheit wird er rasch zum Spielverderber.“
„Man muss mit dem Lärm etwas anstellen, damit er nichts mit uns anstellt. Denn dass der Lärm eine Frage des Bewusstseins ist, ist eine gute Nachricht. Wir haben die Chance ihn zu zähmen, indem wir uns ihm zuwenden. Seltsamerweise sinkt die Lärmempfindlichkeit, wenn man sich mit dem Lärm beschäftigt.“
„Während wir den Umgebungslärm unserem Hören einverleiben können, ist es bei der Hintergrundmusik umgekehrt. Sie unterwirft uns, indem sie uns das Raster des Viervierteltakts und die Gleichgültigkeit ihres Plätscherns aufzwingt.“
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Persönliche Bewertung
Macht Lärm etwas erträglicher! Zuvor muss man sich jedoch durch einen recht bemühten, essayistischen Schreibstil quälen.
Dieses Büchlein über den Lärm hinterlässt einen ambivalenten Eindruck. Die Summe der Erkenntnisse, die es mitbringt, wäre wohl auch auf deutlich weniger Seiten zu bekommen gewesen. Aber das war wohl nicht die Intention der Autorin, die gelernte Kulturjournalistin ist, vornehmlich für die Neue Züricher Zeitung. So verwöhnt (oder je nach Sichtweise vielleicht eher ‚irritiert‘) Sieglinde Geisel den Leser mit einem ausufernden literarischem Streifzug quer durch die Zeiten, der bunt verstreut alles einsammelt, was so zum Thema Lärm und Stille geschrieben wurde. Und das langweilt irgendwie ein wenig. Wahrscheinlich deshalb (wenn man nicht den Schreibstil als Verursacher annehmen will), da schnell auffällig ist, dass Klagen über Lärm, selbst wenn sie von Geistes-Koryphäen geäußert werden, tatsächlich immer ein wenig kleingeistig wirken. Was dann an sich auch schon wieder eine interessante Erkenntnis ist. Genauso interessant, wie die Vorstellung von einer Welt, in der das Läuten der Kirchenglocken das lauteste Geräusch war.
Fazit
Wer sich einen Ratgeber zum Umgang mit dem Lärm in der modernen Welt erwartet hat, liegt mit diesem Buch ganz verkehrt. Wer seinen Bildungshorizont um Bonmots zum Thema Lärm und Stille erweitern möchte, ist deutlich besser bedient.
- ISBN10
- 3869710152
- ISBN13
- 9783869710150
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2010
- Gebundene Ausgabe
- 192 Seiten