Malina
Zusammenfassung zu “Malina”
Da „Malina“ eines jener Bücher ist, das von der Sprache lebt, von einer Sprache, die schöner und eindringlicher nicht sein könnte, ist die Handlung schnell erzählt: Ich, eine Frau ohne Namen, steht im Fokus des Romans. Zeit: Heute. Ort: Wien. Diese knappe Formulierung am Anfang des Buches genügt der Autorin offenbar, das Geschehen in die Aktualität zu transportieren. „Malina“ lässt sich in drei große Abschnitte einteilen. Im ersten Teil geht es um die Beziehung zwischen Ich und Ivan, die das Ich als überwiegend glücklich erlebt. Eine Rolle spielen auch Ivans Kinder aus einer anderen Beziehung, Béla und András. Zunehmend gesellen sich jedoch Konflikte und speziell psychische Probleme des Ichs dazu und beginnen, die Beziehung zu überschatten. Parallel unterhält sich die Ich-Figur mit Malina, angeblich ein Mitbewohner von ihr. Doch bis zum Ende des Romans wird nicht genau ersichtlich, ob es die Figur wirklich gegeben hat. Im zweiten Teil berichtet das Ich über den Ursprung ihrer seelischen Verletzungen. Der Vater (als Metapher für die Übermacht der Männer) spielte eine große Rolle, ebenso wie der Ausbruch des Nationalsozialismus mit seinen Morden, Vergewaltigungen, Demütigungen. Der dritte Teil ist überschrieben mit „Von letzten Dingen“. Hier erkennt die Ich-Figur, dass mit dem Wissen aus dem zweiten Kapitel für sie ein Leben mit Ivan nicht mehr möglich ist. Überhaupt scheint für sie ein Leben in Beziehungen nicht mehr möglich zu sein. In einer von Männern beherrschten Welt vermag sie nichts anderes, als sich aufzulösen, als am Ende in der Wand zu verschwinden.
Wichtige Charaktere
- Ich, eine Frau
- Ivan, ein Mann
- Béla und Andràs, Ivans Kinder
- Malina, vermutlich ein Mann
Interpretation
Bereits die Darstellung der Charaktere zeigt es an: Dieses Buch lässt mehrere Deutungen zu. Ingeborg Bachmann betonte, dass es sich um ein autobiografisches Buch handelt. Und tatsächlich: Neben dem Ort (Wien) existieren noch weitere Ähnlichkeiten zum Leben der berühmten Autorin. „Malina“ beschreibt das Psychogramm einer Frau, die seelisch schwer leidet. Aber woher kommt dieses Leiden? Der Text liefert die Antwort: Von einer Liebe, die größer ist als die des Partners. Von einer Liebe, die ins Leere läuft, die immer nur gibt, aber nichts bekommt. Diese Selbstzerstörung besitzt für das Ich die gleiche Intensität wie die brutalen Vorkommnisse im Zweiten Weltkrieg. In Albträumen wird dies auch detailliert beschrieben: Der „Friedhof der ermordeten Töchter“, den „blutbefleckten weißen Schlächterschurz“, die „größte Gaskammer der Welt“.
Bis zum Ende bleibt unklar, ob die Figur Malina wirklich real ist. Vielleicht handelt es sich um den Lebenspartner des Ichs? Vielleicht steht Malina auch für den vernünftigen Teil innerhalb der Persönlichkeit der Ich-Figur? Letzteres würde jedenfalls die vielen Zwiegespräche erklären. Ingeborg Bachmann wählt eine einfache Sprache, selten Fremdwörter. Doch sie nimmt die Wörter und setzt sie neu zusammen. Plötzlich klingen die Worte wie ein wunderbar komponiertes Musikstück, besonders die langen Sätze. Dazwischen stehen immer wieder kurze, abrupte Sätze, manchmal nur aus einem Wort bestehend. Nicht ohne Grund. Der Text soll sich einbrennen beim Leser, soll Spuren hinterlassen, er soll nachwirken.
Zitate
„Auch die Schreibmaschine und der Staubsauger, die früher einen unerträglichen Lärm gemacht haben, müssen von dieser guten und mächtigen Firma aufgekauft und besänftigt worden sein, die Türen der Autos fallen nicht mehr mit einem Krach unter meinen Fenstern zu, und in die Obhut Ivans muß unversehens sogar die Natur gekommen sein, denn die Vögel singen am Morgen leiser und lassen einen zweiten, kurzen Schlaf zu.“
„Jeder würde sagen, daß Ivan und ich nicht glücklich sind. Oder daß wir noch lange keinen Grund haben, uns glücklich zu nennen. Aber jeder hat nicht recht. Jeder ist niemand.“
Persönliche Bewertung
Ein schonungsloses Buch über die selbstzerstörerische Kraft der Liebe.
Wer anstrengende Texte und die Suche nach dem Sinn nicht schätzt, der sollte lieber die Finger von „Malina“ lassen. Denn der Roman ist alles andere als leichte Kost. Es existiert keine Handlung, es existieren keine Abläufe wie in herkömmlichen Romanen. Stattdessen gibt es innere Monologe, Briefe, Dialoge und unzählige Reflexionen. Auch Albträume spielen eine wichtige Rolle. Diese Mischung verwirrt mitunter beim Lesen, eröffnet aber auch neue Perspektiven. Und sie lädt ein, sich intensiv mit dem Thema zu befassen. Die Verknüpfung der Schrecken des Zweiten Weltkrieges mit den Verletzungen, die zwischen Mann und Frau geschehen können, gelingt der Schriftstellerin meisterhaft. Bildhaft und eindringlich erstellt sie das Psychogramm einer jungen Frau, die in ihrer Liebe so sehr aufgeht, dass sie am Ende selbstzerstörerisch wird. Eindringlich und brutal wirken die Schilderungen der verschiedenen Morde. Wer nachlesen möchte, wie seelische Verletzungen einen Menschen zugrunde richten können, dem sei das Buch sehr zu empfehlen.
Fazit
„Malina“ ist mit seinen Metaphern und Anspielungen ein kluges, anspruchsvolles Buch. Literarisch eindrucksvoll wird eine Verbindung von den psychischen Verletzungen innerhalb einer Liebesbeziehung zu den Brutalitäten im Zweiten Weltkrieg gezogen. Wer es mag, sich beim Lesen anzustrengen und über neue Formulierungen und emotionale Berichte eine neue Blickrichtung zu bekommen, dem sei der Roman sehr ans Herz gelegt.
- ISBN10
- 3518417703
- ISBN13
- 9783518417706
- Dt. Erstveröffentlichung
- 1971
- Gebundene Ausgabe
- 408 Seiten