Hurra, wir dürfen zahlen

Der Selbstbetrug der Mittelschicht

Autoren
Verlag
Westend Verlag
Anspruch
4 von 5
Humor
4 von 5
Lesespaß
4 von 5
Schreibstil
5 von 5
Spannung
4 von 5

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Zusammenfassung zu “Hurra, wir dürfen zahlen”

Hauptprotagonist des Buches der Journalistin Ulrike Herrmann ist die deutsche Mittelschicht. Die Autorin versucht zu ergründen, was diese „Mittelschicht“ dazu bewegt, sich permanent selbst zu betrügen und findet Anhaltspunkte in der Selbstwahrnehmung der deutschen Mittelschicht, in der „fast jeder sich reich fühlt“. Im Anschluss an diese Analyse wird gründlich und ausgiebig die tatsächliche „Macht der Eliten“ hierzulande diskutiert, die, wie auch der tatsächliche Reichtum der Reichen, ein gut gehütetes Geheimnis ist. Folgt man Herrmanns Argumentation, lässt sich nachvollziehen das Gleich und Gleich sich gern zueinander gesellt, was im Fall der Eliten bedeutet, dass sie gerne untereinander heiraten. Man bleibt unter sich, sogar in der Studienstiftung des deutschen Volkes. Zudem versteht die Elite es, sich arm zu rechnen, was die Autorin am Beispiel der Frau Schickedanz illustriert. Das auf die Analyse der „Eliten“ folgende Kapitel ist im Wesentlichen den „Irrtümern der Mittelschicht“ gewidmet und zeigt anschaulich, wie sowohl die Vornamenswahl als auch das Bezahlen von Privatschulen einfach nur den scheinbar unzerstörbaren Glauben der Mittelschicht illustrieren, ihren Kinder doch noch Zugang zu den Eliten zu verschaffen. Die „Verachtung für die Unterschicht“, so tituliert der nächste Abschnitt des Buches, ist – so argumentiert die Autorin – für die Mittelschicht zwingend nötig (und für die Eliten systemerhaltend), damit sie nicht eines Tages vielleicht doch gegen die Umverteilung von unten nach oben aufbegehrt. Sehr anschaulich zu diesem Thema der Abschnitt „Die Armen werden reich gerechnet: Über falsche Ernährung und falsches Fernsehen“ in denen mit etlichen Vorurteilen über die sogenannte „Unterschicht“ recht gründlich aufräumt wird. Das letzte Kapitel führt „die Kosten des Selbstbetruges“ vor Augen, die gerade für die Mittelschicht immens sind. Denn alle Steuersysteme, eingeschlossen die Krankenversicherung und die Sozialversicherung, sind in diesem Land sind derart ausgestaltet, dass die Mittelschicht die für diese Systeme zahlt. Und in erster Linie kommt all das vom Einkommen abgezogene Geld gar nicht der sogenannten Unterschicht zugute, nein, am meisten profitieren diejenigen, die schon am meisten haben, nämlich die Reichen, die es seit Jahrzehnten gekonnt verstanden haben, sich der Fürsorge für das Gemeinwohl zu entziehen – und die Mittelschicht dabei in dem Glauben belässt, auch sie könnte ja irgendwann einmal zu den Reichen gehören.

Zitate

„’Umverteilung‘ ist ein Tabuwort in Deutschland, das noch immer an den Sozialismus gemahnt. Es ist jedoch sinnlos nicht über Umverteilung zu sprechen, denn es wird permanent umverteilt – bisher jedoch von unten nach oben.“

„Die unteren 70 Prozent der Deutschen kommen nur auf ganze neun Prozent des gesellschaftlichen Reichtums. Umgekehrt kontrolliert das reichste Zehntel bereits rund 61 Prozent des Gesamtvermögens.“

„Die Mittelschicht wird so lange für die Reichen zahlen, wie sie sich selbst zu den Reichen zählt.“

Persönliche Bewertung

Ulrike Herrmann zeigt, warum die „Mittelschicht“ den Reichen zu noch mehr Reichtum verhilft

4 von 5

Die Autorin hat eine ausgesprochen interessante Betrachtungsweise auf eigentlich allseits bekannte Problemfelder und wird in ihren Aussagen sehr deutlich. Es gelingt ihr, der „Mittelschicht“ aufs Feinste vor Augen zu führen, wie diese sich permanent selbst etwas vormacht und vor allem dabei zu erklären, warum eigentlich kluge Leute dieses tun. Das ist oft nicht gerade schmeichelhaft für den gutbürgerlich gebildeten Mittelschichtbürger – aber nichtsdestotrotz erhellend und allemal lesenswert. Herausragend: der erfrischend spannende und klare Schreibstil der Autorin Ulrike Herrmann. Ein Buch, welches zum Nachdenken und Diskutieren verführt.

ISBN10
393806045X
ISBN13
9783938060452
Dt. Erstveröffentlichung
2010
Taschenbuchausgabe
222 Seiten