Endzeit
Zusammenfassung zu “Endzeit”
Gabrielle Fox ist Kunsttherapeutin. Seit einem Unfall ist ihr Unterkörper gelähmt und sie sitzt im Rollstuhl. Um ihr Leben wieder in geregelte Bahnen zu lenken tritt sie eine Stelle am Oxsmith Adolescent Secure Psychiatric Hospital, einer Klinik für die gefährlichsten Jugendlichen Großbritanniens an. Ihre neue Patientin ist Bethany Krall, die ihre Mutter durch einen ins Auge gestoßenen Schraubenzieher ermordete, sich aber weigert, darüber zu sprechen. Bethany bekommt als Therapie Stromstöße, EKT, die dazu führen, dass sich ihr Zustand bessert, sie jedoch von Klimakatastrophen spricht, diese voraussagt.
Gabrielle tut diese Aussagen zunächst als Zufälle ab, kommt jedoch mit jeder weiteren zutreffenden Vorraussage ins Grübeln. Um ihre Vorgängerin, Joy McConey, Bethanys vorherige Therapeutin, scheint sich ein düsteres Geheimnis zu ranken: McConey nahm Bethanys Vorhersagen ernst, bei einem Zusammentreffen erklärt sie Gabrielle sogar, dass Bethany die Katastrophen nicht nur voraussagen, sondern sie verursachen würde. Zusammen mit ihrem neuen Bekannten und Liebhaber Frazer Melville erforscht Gabrielle die wissenschaftlichen Hintergründe, versucht, Ursachen und Erklärungen zu finden. Doch die Fachwelt nimmt ihre Vermutungen nicht ernst, und dann passiert etwas, das Gabrielle nicht nur an ihre verdrängte Vergangenheit erinnert, sondern sie auch an Frazers Loyalität zweifeln lässt…
Zusatzinformationen zum Buchformat
Das Buch gibt es neben der broschierten Ausgabe ab März 2014 auch in einer etwas günstigeren Taschenbuchausgabe mit anderem Cover.
Wichtige Charaktere
- Gabrielle Fox
- Bethany Krall
- Bethanys Vater Leonard Krall
- Dr. Frazer Melville
- Joy McConey
- Dr. Sheldon-Gray
- Dr. Kristin Jonsdottir
- Ned Rappaport
- Alex
- Max
Zitate
„In jenem Sommer, in dem sich alle Regeln änderten, schien der Juni tausend Jahre lang. Die Temperaturen waren gnadenlos: achtunddreißig, neununddreißig, vierzig Grad im Schatten. In dieser Hitze musste man sterben, durchdrehen oder sich fortpflanzen. Alte Leute kollabierten, Hunde wurden in Autos bei lebendigem Leibe gegrillt, Liebende konnten nicht die Finger voneinander lassen. Der Himmel lastete schwer wie der Deckel eines Hochofens, ließ den Untergrund schrumpfen, Beton bersten und Büsche an den Wurzeln absterben. In den ausgedörrten Vororten dudelten die Eisverkäufer Kindermelodien in Straßen, die Teer schwitzten. Unten am Hafen reflektierte das Meer die Sonne in winzigen, barbarischen Spiegeln. Man war am Ersticken und sehnte sich nach Regen. Der nicht kam.“
„Ich habe gelernt, dass der Plan, den man sich für sein psychologisches Überleben zurechtlegt, nicht unbedingt die Zustimmung anderer findet. Dass die persönliche Vorstellung von Gerechtigkeit ein künstliches Konstrukt ist, überflüssig und nebensächlich in einer Welt, die aus Zellen, Mineralien, Wind, Meer, Flammen und Synapsen besteht. Dass das Ausmaß einer Niederlage immer im Verhältnis zu der Größe des Egos steht, das dabei leidet. Und dass Wissen immer einen Preis hat. Den muss ich heute bezahlen.“
Trailer zum Buch
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Persönliche Bewertung
Intelligenter und psychologisch tiefgründiger Öko-Thriller, der eine grauenhafte Apokalypse heraufbeschwört
Eines wird schnell klar: Dieses Buch ist keine seichte Urlaubs- oder Feierabendlektüre. Liz Jensen fordert ihre Leser: Sie webt wissenschaftliche Grundlagen in ihre Geschichte ein, Bezüge zu van Gogh und zur Geologie sowie Analysen des gesellschaftlichen Geschehens. Besonders beeindruckend ist der Scharfsinn, der durch viele Beobachtungen und Bemerkungen der Hauptfigur durchklingt: „Das Mitleid anderer ist unerträglich. Genau wie das Mitgefühl. Und die moralische Missbilligung.“ Neben der globalen Katastrophe liegt der Fokus auf Gabrielle, auf ihrer Genesung, auf die Reaktionen ihres Körpers und ihrer Psyche auf den Unfall. Es geht um die Bewältigung der Schicksalsschläge, ein Leben im Rollstuhl, der vermeintliche Verlust Gabrielles Weiblichkeit, das Gefühl minderwertig zu sein, ihre Hoffnungslosigkeit, ihren Rückzug in sich selbst und letztendlich ihre Emotionslosigkeit und ihren Zynismus als Überlebensstrategie. Und das alles in einer sehr anspruchsvollen Sprache: „Mit grausamer Präzision springt in mir ein Stöpsel heraus, und alle Hoffnung verschwindet gurgelnd im Abfluss.“
Bei aller Dramatik und allem Grauen, das „Endzeit“ bereithält, ist der Roman dennoch nicht durchweg ernst. Der zynische Humor, mit dem die Erzählerin ihren nicht unbedingt positiven Blick auf Welt offenbart, ist sicherlich Geschmackssache. Dabei ist Gabrielle Fox jedoch nicht plump sarkastisch, sondern äußerst scharfsinnig in ihren Betrachtungen: Zum Beispiel stellt sie fest, dass die Welt ohnehin schon zu voll ist, die Kinderlosen aber dennoch bestraft werden: „Es ist paradox, dass man für eine letztlich altruistische Entscheidung als selbstsüchtig gebrandmarkt wird.“
Angesichts Liz Jensens brillanter Beschreibungen von ebenso fesselnden wie beklemmenden Kulissen und Szenen (beispielsweise die psychiatrische Klinik oder die Station der Suizidgefährdeten im Krankenhaus), ihres realistischen Schreibstils wirkt die Geschichte, das sich anbahnende Desaster umso beklemmender. In Anbetracht von bekannten medienwirksamen Skandalen wirken auch die politischen Aspekte des Romans sehr authentisch: Unternehmen vertuschen, die Regierung beschwichtigt, hinter allem stehen vor allem wirtschaftliche Interessen. Die Autorin zeichnet ein erschreckendes aber plausibles Bild von religiösen Fanatikern: Aus Sicht der Extremisten ist Atheismus gleichzusetzen mit Katastrophen, Krankheiten, Krieg, Hunger und Terrorismus. Der Prediger wird als „Menschenfischer“ charakterisiert, als Entertainer und manipulierender Führer der unkritischen Massen. Auf der anderen Seite der religiösen Fanatiker stehen die Ökoaktivisten und ihre extremen Standpunkte, dass die Erde ohne Menschen besser dran sei, dass sie sich von den Menschen befreien würde und dass dies ein normaler Zyklus sei.
Überhaupt wird das Thema Glauben von der Autorin klug psychologisch analysiert: das Zusammengehörigkeitsgefühl, die Religion als Droge, die Macht einer eingeschworenen Gemeinschaft angesichts des gemeinsamen, wenn auch absurden Glaubens. Ihren Höhepunkt findet die Absurdität des religiösen Fanatismus in der Tatsache, dass die religiösen Führer und ihre Anhänger der Katastrophe mit einem Lachen entgegenblicken, weil sie fest davon überzeugt sind, dass sie gerettet werden. Welch ein Zynismus, dass sie sich freuen, weil die Katastrophe ihre Erlösung bedeutet, weil sie gerettet werden, während so viele andere ihr Leben lassen und dass auch die drohende Katastrophe als Anlass zum Missionieren genutzt wird.
„Endzeit“ spitzt sich, wie der Titel vermuten lässt, zum Ende des Buchs hin bedrückend zu. Beklemmend real beschreibt Liz Jensen auf hohem sprachlichem Niveau, wie sich die Katastrophe anbahnt. Und – wie sie selbst im Nachwort schreibt – das Szenario, was sie beschreibt, ist zwar nicht realistisch, aber auch nicht vollkommen aus der Luft gegriffen, denn wahrscheinlich wird der Klimawandel dramatische Folgen auf das Leben auf der Erde haben. Ob Liz Jensen ihre Leser zum Nachdenken und Umdenken anregt, hängt sicherlich davon ab, inwieweit jeder Leser und jede Leserin selbst die apokalyptische Geschichte auf die Realität übertragen möchte.
Fazit
„Endzeit“ ist kein klassischer Thriller. Wer dies erwartet, wird möglicherweise von Liz Jensens Geschichte enttäuscht werden. Die Autorin fordert ihre Leser und beeindruckt mit einem beachtlichen Sprachgefühl und intelligenten politischen, sozialen und psychologischen Analysen sowie zahlreichen Bezügen aus den verschiedensten Themengebieten. Ein bemerkenswerter Roman!
- Originaltitel
- The Rapture
- ISBN10
- 3423248440
- ISBN13
- 9783423248440
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2011
- Taschenbuchausgabe
- 400 Seiten