Die da kommen
Zusammenfassung zu “Die da kommen”
Hesketh Lock ist Anthropologe und arbeitet als Ermittler für Phipps & Wexman, um für die namhaften internationalen Kunden der Firma Sabotageakte aufzudecken. Sein Privatleben ist nicht einfach: Seit sich Hesketh von Kaitlin getrennt hat, vermisst er ihren Sohn Freddy, zu dem sie ihm den Kontakt vorenthält, und lebt allein auf einer Insel. Das soziale Miteinander fällt ihm schwer, denn Hesketh leidet am Asperger Syndrom, einer speziellen Form des Autismus. Er interessiert sich für Daten und Fakten, doch menschliche Verhaltensweisen sind ihm oft ein Rätsel. An übernatürliche Erscheinungen glaubt Hesketh nicht, er ist schwer beeinfluss- und manipulierbar. Und genau das ist es, was sein Arbeitgeber an ihm schätzt. Der aktuelle Auftrag jedoch lässt auch Hesketh an seinem Verstand zweifeln.
An verschiedenen, weit voneinander entfernten Orten der Welt geschehen merkwürdige Dinge: Bis dahin vertrauenswürdige loyale Mitarbeiter von großen Unternehmen begehen Sabotage und nehmen sich anschließend das Leben. Und alle von ihnen sind fest davon überzeugt, beeinflusst worden zu sein. Gleichzeitig geschehen auf verschiedenen Orten der Welt mysteriöse Morde: Kinder töten ihre Eltern auf brutale Weise, können sich hinterher jedoch nicht an den Grund erinnern, sind apathisch und verwirrt. Wie hängen die Sabotageakte, die Selbstmorde und die verstörende Gewalt durch Kinder zusammen? Um der Lösung auf die Spur zu kommen, muss Hesketh seine Glaubensgrundsätze hinterfragen und sich auf undenkbare Hypothesen einlassen, denn auch Freddy ist ein Kind, das plötzlich ein auffälliges Verhalten an den Tag legt…
Wichtige Charaktere
- Hesketh Lock
- Kaitlin Kalifakidis
- Frederick Kalifakidis, „Freddy“
- Ashok Sharma
- Professor Victor Whybray
- Sunny Chen
- Jonas Svensson
- Jan de Vries
- Stephanie Mulligan
- Naomi Benjamin
Zitate
„Die Anthropologie ist eine Wissenschaft, in der man seine Mitmenschen, ihre Traditionen und Überzeugungen betrachten muss, als wären sie Angehörige einer fremden Spezies. Der Impuls des Fabulierens ist eine natürliche Reaktion auf eine verwirrende, widersprüchliche Welt. Als ich das begriffen hatte, konnte ich die Gedankensysteme meiner Mitmenschen besser erschließen und mich von der frustrierten Verblüffung lösen, die mich durch meine Kindheit und Teenagerzeit verfolgt hatte. Ich übte mich darin, mentale Ablaufdiagramme zu zeichnen, um den Widerhall tatsächlicher Ereignisse wie auch hypothetischer Szenarien nachzuvollzieen. Beim Aufspüren von Erzählmustern in den überlappenden Kreisen von Venn-Diagrammen – noch immer mein bevorzugtes Hilfsmittel – erkannte ich die unendliche Vernetzung der menschlichen Imagination und des Gedächtnisses.
Mithilfe dieser Schablonen habe ich mein Verhalten angepasst. Unter Anleitung von Professor Whybray habe ich gelernt, einige Verhaltensweisen, die ich beobachtet hatte, nachzuahmen und mich ihnen anzugleichen. Ich war nicht der Erste: Schon andere hatten ihren scheinbaren Nachteil mit großem Erfolg genutzt, wie er mir verriet – darunter auch ein international gefeierter Professor für Verhaltenspsychologie. Dennoch ist mir klar, dass mir immer noch einige ganz gewöhnliche soziale Verhaltensformen fehlen.“
„Und dann, während sie noch summt, hält sie die Faust ans Auge und öffnet sie in einer plötzlichen, sternförmigen Explosion, die Handfläche nach außen gekehrt.
Die Wirkung auf de Vries ist dramatisch: Mit einem scharfen, gequälten Kreischen dreht er seinen großen, gebräunten Körper abrupt herum und wendet mir den Rücken zu. Ein Aufschrei erhebt sich aus der Gruppe der Arbeiter, drängende Rufe ertönen.“
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Persönliche Bewertung
Scharfsinniger und fesselnder Thriller mit dystopischen Elementen
Diese Geschichte ist nachdrücklich von den Besonderheiten ihres Erzählers geprägt. Liz Jensen wählt für den Ich-Erzähler keinen verschrobenen alternden Kommissar, keinen der Ermittler, die aus dem Fernsehen oder anderen Krimis und Thrillern bekannt sind. Stattdessen wagt sie das Experiment, eine Kriminalgeschichte durch einen Mann zu erzählen, der durch das Asperger Syndrom einen besonderen Blick auf die Welt und seine Mitmenschen hat. Man mag diese emotionslose, extrem zahlenorientierte Erzählweise verwirrend oder störend finden, Tatsache ist: Die Autorin denkt sich sehr einfühlsam und authentisch in die Gedanken ihrer Hauptfigur und schreckt nicht davor zurück, die Handlung durch scheinbar banale und bedeutungslose, vom Erzähler eingeworfene Informationen zu unterbrechen.
Sei es die Geschichte des Origami, das Hesketh zur Nervenberuhigung dient, eine Information über sogenannte Hexenringe oder die fast beunruhigende Fähigkeit, Farben des täglichen Lebens bestimmten Namen auf den Farbkarten verschiedener Hersteller zuzuordnen – es sind diese Einschübe, die eine der großen Besonderheiten dieses Thrillers ausmachen. So wird die Geschichte nicht nur aus einem außergewöhnlichen Blickwinkel heraus aufgeklärt, die Autorin ermöglicht ihren Lesern auch einen intimen Einblick in die Welt eines Asperger-Betroffenen, der sich im Buch sowohl sympathisch und verständlich als auch schwer nachvollziehbar präsentiert, denn Heskeths ganz besondere Logik und Wahrnehmung ist für Nichtbetroffene nicht einfach nachzufühlen.
Sprachlich bewegt sich Liz Jensen auf hohem Niveau, das von Susanne Goga-Klinkenberg sehr gelungen ins Deutsche übertragen wurde. Mit einem untrüglichen Gespür für die Beschreibung von Kulissen und Charakteren erweckt die Autorin die Handlung zum Leben. Inhaltlich verschmelzen in „Die da kommen“ genau die richtigen Anteile an zwischenmenschlichen Intermezzi, persönlichen Betrachtungen des Erzählers und Ermittlungen zu den globalen Schreckensmeldungen. Bis zum Ende spitzt sich die Handlung soweit zu, dass sie in einer fast dystopischen Welt gipfelt, deren Hintergründe durchaus gesellschaftskritische Wurzeln aufweisen.
Bei alldem ist klar: Dies ist kein Thriller mit klassischem Spannungsaufbau, der sich auf die Auflösung eines Falles konzentriert, die möglicherweise mit privaten Episoden der Kommissare oder Inspektoren gewürzt, aber ansonsten wenig unterbrochen wird. Manche Leser mögen die Erzählweise langatmig finden oder die Spannung vermissen. Wer sich jedoch auf die Figur des Hesketh einlassen und für seine psychologischen Eigenheiten interessieren kann, wird sich auf keiner Seite langweilen.
Fazit
Ein anspruchsvoller Thriller, der von seinem hohen sprachlichen Niveau und seinem außergewöhnlichen Ich-Erzähler lebt. Gleichzeitig verstörend, fesselnd und dank seines unfreiwillig komischen Erzählers sogar humorvoll. Großartig!
- Originaltitel
- The Uninvited
- ISBN10
- 3423249609
- ISBN13
- 9783423249607
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2013
- Taschenbuchausgabe
- 320 Seiten