Die Schweigeminute

Novelle

Autoren
Verlag
Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv)
Anspruch
5 von 5
Humor
3 von 5
Lesespaß
3 von 5
Schreibstil
5 von 5
Spannung
3 von 5

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Zusammenfassung zu “Die Schweigeminute”

Den Rahmen dieser Novelle bildet eine Trauerandacht in der Aula einer Schule für eine kürzlich verunglückte Lehrerin. Während Schüler und Lehrer um eine beliebte Lehrerin und eine ebenso beliebte Kollegin trauern, bedeutet der Verlust für den Schüler Christian noch sehr viel mehr. Christian verlor mit dem Unglück nicht nur seine Englisch-Lehrerin, sondern auch eine große Liebe. 
Mit den Andachtsreden der Lehrer im Hintergrund erinnert Christian sich zurück an die kostbaren Momente, die er mit Stella verbringen durfte. Die wenigen Augenblicke in denen sie nicht mehr nur Lehrerin und Schüler waren, sondern mehr. Das erste zufällige Treffen am Hafen, das gemeinsame Tanzen auf dem Strandfest, Momente in denen sie sich trotz der äußeren Umstände so nah waren. Erinnerungen an Stellas Foto auf seinem Schreibtisch, Stellas Postkarte, die sie ihm von ihrer Bootreise aus schrieb. Schließlich die Ankunft des Bootes im Hafen und der schreckliche Unfall, der das irdische Ende einer gerade erst begonnen Liebesgeschichte bedeutete.

Wichtige Charaktere

  • Christian
  • Stella Petersen

Zitate

„Ich kam und kam nicht von ihrem Bild los; während das Schulorchester spielte, blickte ich unverwandt ihr Photo an, es war, als hätten wir uns für diese Stunde verabredet, in der Absicht, uns etwas zu sagen, was wir noch nicht übereinander wußten. Zweimal hatte ich unserem Orchester bei den Proben zugehört, dem Orchester und dem Chor, nun, vor deinem Bild, ergriff mich die Kantate unerwartet stärker. Diese Ausgesetztheit, diese verzweifelte Suche und das Hoffen auf Antwort, auf Erlösung, angerufen wurde die sieghafte Kraft, die bei ihnen ist, bei Vater und Sohn, ihre Zeit ist die allerbeste Zeit. Wie dein Gesicht auf einmal leuchtete, Stella, dies Gesicht, das ich überall geküßt hatte, auf die Stirn, auf die Wangen, auf den Mund. Lob und Herrlichkeit, ich nenne die Namen und ergebe mich, Glorie sei Dir. Und dann dies Amen, das unser Orchester echohaft aufnahm, das leiser wurde und sich wunderbar verlor an das Universum des Trostes, überwunden des Actus Tragicus. Ich starrte auf ihr Gesicht, nie zuvor hatte ich das so mächtige Gefühl eines Verlustes empfunden, denn vorher war mir nicht bewußt geworden, das, was verlorenging zu besitzen.“

Links

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Persönliche Bewertung

Ein gefühlvoller Liebesroman, der zum Teil etwas distanziert geschrieben und doch sehr nahegehend ist.

4 von 5

Die „Schweigeminute“ ist ein Buch für das man sich viel Zeit nehmen sollte. Die Geschichte fließt sanft dahin, beschränkt sich häufig auf sachte Andeutungen und geht selten inhaltliche ins Detail. Beim raschen „Drüber-Lesen“ könnte sie daher schnell langweilig wirken, ein Urteil, was ihr so nicht gerecht wird. Schenkt der Leser der Novelle jedoch seine gesamte Aufmerksamkeit und nimmt sich die Zeit auch die sprachliche Schönheit zu genießen, begegnen ihm immer wieder ergreifende Momente. Charaktere, Situationen, Beziehungen – in allem belässt es Lenz bei Andeutungen, sodass es an manchen Stellen fast zu oberflächlich ist und den Leser aus der Geschichte ein wenig ausschließt. Den Wechsel zwischen der momentanen Situation der Trauerfeier und den Erinnerungen Christians unterstützt Lenz teilweise mit seiner Erzählweise. Erzählt Christian sonst in der dritten Person von Stella, so spricht er sie in manchen Momenten der Andacht direkt an. Das sind die Momente, in denen der Leser ganz nah dran und tief in der Geschichte ist. Insgesamt ein ergreifendes Buch, das gerade zum Schluss packend bleibt, obwohl dem Leser das Ende schon von der ersten Seite an bekannt ist.

Fazit

Nimmt man sich die Zeit, die angedeuteten Tiefen mit eigenen Gedanken zu füllen, kann die „Schweigeminute“ zu einem zutiefst berührenden Leseerlebnis werden.

ISBN10
3423138238
ISBN13
9783423138239
Taschenbuchausgabe
128 Seiten