Der letzte Schattenschnitzer
Zusammenfassung zu “Der letzte Schattenschnitzer”
Jonas Mandelbrodt wächst als Sohn einer jungen Mutter auf, die nicht in den besten Verhältnissen lebt und wechselnde Männerbekanntschaften pflegt. Schon früh wird klar, dass Jonas anders ist als andere Kinder, er spricht wenig und spielt nicht mit anderen Kindern. Stattdessen blickt er nach unten – auf seinen Schatten, von dem er schon früh das „Schattenschnitzen“ lernt. Er lernt, mit seinem Schatten zu kommunizieren und die Schatten von Gegenständen und sogar Lebewesen zu manipulieren und zu vertauschen.
Wenige Jahre nach Jonas wird in einem anderen Teil der Welt ein Mädchen geboren, das keinen Schatten wirft. Von Pilgern wird sie für eine Heilige gehalten, da sie nicht nur schattenfrei, sondern auch frei von Sünde sein soll. Ihr Vater schlägt daraus Kapital, und so darf auch Maria keine normale Kindheit verleben. Gleichzeitig stehen sowohl Jonas als auch Maria unter strenger Beobachtung des Rates der Schatten, der über das Gleichgewicht wacht und beschließt, die beiden Kinder wegen ihrer Abnormalität zu töten. Kurz zuvor werden jedoch als erstes Jonas und danach Maria von der geheimnisvollen Mademoiselle Stiny – ebenfalls ein Mitglied des Rates der Schatten – gerettet und finden in Ambrì bei dem Wächter, einem Engel, Unterschlupf.
Und noch eine weitere Begebenheit erschüttert das Gleichgewicht und versetzt den Rat der Schatten in Unruhe: einem geheimnisvollen Unbekannten ist es gelungen, das Eidolon zu befreien – einen künstlichen Schatten, den der Alchimist und letzte Schattenschnitzer George Ripley Jahrhunderte zuvor geschaffen hatte. Ein weiterer Unbekannter bricht unterdessen die Siegel der Macht, eines nach dem anderen, die den Zugang zum Limbus schützen – dem Ort, an den alle Schatten nach dem Tod ihres Herren eingehen. Während der Rat alles daran setzt, das Gleichgewicht wieder herzustellen, hat Jonas Mühe, seine eigene Rolle im Geschehen zu begreifen und setzt gleichzeitig alle Hoffnung in eine gemeinsame Zukunft mit Maria, denn schließlich sind sie beide Ausgestoßene, doch Maria spielt ihre ganz eigene Rolle im großen Machtkampf, indem sie von einer Seite für ihre Zwecke instrumentalisiert wird…
Wichtige Charaktere
- Jonas Mandelbrodt und sein Schatten
- Jonas‘ Mutter Ruth
- der Rat der Schatten: der Älteste, De Maester, Mademoiselle Erzsebet Stiny und Skugga
- Carmen Maria Dolores Hidalgo, das „Mädchen ohne Schatten“
- George Ripley
- Cassus
- der Wächter
Zitate
„Ehrt eure Magier. Das ist, worum ich euch bitten will. Und fragt ihr mich, warum, dann werde ich euch verraten, dass ich einen dieser Magier gekannt habe. Oh ja, ich glaube, wahrhaft von mir behaupten zu können, dass ich Jonas Mandelbrodt gekannt habe. Besser, als irgendjemand sonst ihn gekannt hat. Doch über ihn zu schreiben fällt mir nicht leicht. Zumal es das Letzte ist, was ich tun werde.“
„Bald schon beschloss seine Mutter, Jonas Mandelbrodt zu seinem eigenen Besten tagsüber an einen Ort zu bringen, wo Schattenstarrer sich mit normalen Kidern trafen, damit sie sich aneinander gewöhnten. An jenem Ort sollte nun auch Jonas, kurz bevor er fünf wurde, mit anderen Kindern umzugehen lernen.
Doch auch hier betrachtete er schweigend wieder nur mich und lernte statt sinnentleerter Spiele und allerlei Firlefanz neben weiteren Handgriffen des Schattenschnitzens auch die Geschichten, die es über jene wohl größte der vergessenen Künste zu wissen gab.“
„Derweil die Schatten der gewöhnlichen Menschen sich im Laufe eines Lebens mit Wissen und Erfahrung füllen, ist der Schattenmagier fähig, seinem Schatten mehr als bloß das einzuverleiben. Hierfür muss er allein Skrupel und Furcht überwinden, die Gier in seinem Schatten wecken und ihn lehren, sich schwächerer Schatten zu bemächtigen. Gelingt ihm dies, wird das Abbild des Magiers am Ende sein, was die Wissenden einen Schattenfresser nennen. Und er wird sich ernähren von fremden Schatten, wird sie brauchen, um seinen Hunger zu stillen.“
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Persönliche Bewertung
Fantasy für Anspruchsvolle, magisch und fesselnd, lässt zum Ende jedoch etwas nach.
Eines fällt gleich zu Beginn auf: „Der letzte Schattenschnitzer“ ist in einer außergewöhnlichen und anspruchsvollen Sprache geschrieben und damit definitiv kein Buch für Kinder und die meisten Jugendlichen. Die altmodisch anmutende Sprache in einer sehr gewählten Ausdrucksweise verstärkt auf wunderbare Weise die märchenhafte Atmosphäre, die sich schon auf den ersten Seiten des Buches einstellt.
Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht eines übergeordneten Erzählers und Jonas‘ Schattens erzählt – zu erkennen an der fettgedruckten Schrift. Dazwischen finden sich Abschnitte aus dem fiktiven Buch „Alchimia Umbrarum“, die anspruchsvoll und recht wissenschaftlich geschrieben sind. Schließlich war der (im Vergleich zum Werk reale) Verfasser John Dee ein Mathematiker. In seinem Werk über die Schatten wird jeweils das im Kapitel vorher Geschehene in einen Gesamtzusammenhang gestellt und erklärt. Diese Abschnitte sind sicherlich nicht für jedermann unterhaltsam, geben der Geschichte jedoch einen besonders mystischen und vermeintlich realen Charakter.
Insgesamt ist das Buch spannend geschrieben, auf den letzten Kapiteln lässt die Spannung jedoch leider ein wenig nach, wenn sich der Leser ebenso wie Jonas fragt, wie die Geschehnisse zusammenhängen, und die Passagen über Gerechtigkeit, Rache und das Gleichgewicht nehmen der Geschichte ein wenig des anfänglichen Zaubers. Auch fehlt es der Geschichte an einem Charakter, in den man sich als Leser hineinversetzen kann oder mit dem man zumindest sympathisiert. Während man seinen Schatten zu kennen glaubt, nachdem dieser einen Teil der Geschichte aus seiner Sicht erzählt (was sich später als großer Irrtum herausstellen wird, wenn der Leser erkennt, dass ihm das Wichtigste über Jonas‘ Schatten bisher verborgen blieb), erfährt man über Jonas wenig Persönliches. Auch Maria hat keinen eigenen Charakter – was sich jedoch durchaus in der Geschichte begründet findet.
Nichtsdestotrotz liest sich „Der letzte Schattenschnitzer“ über den Großteil der Geschichte fesselnd, wartet mit einem überraschenden Ende auf (das dem Leser zum Glück ein klischeehaftes vorhersehbares Happy End erspart) und eröffnet einen neuen Blick auf etwas so Alltägliches und für Selbstverständlich genommenes wie den eigenen Schatten.
Fazit
Christian von Aster hat mit seinem Roman eine faszinierende eigene Welt geschaffen, die in den Kontext des fiktiven Buches eingebunden, manchmal erschreckend real wirkt. Die Auftritte des Engels sowie die Anspielungen auf Gott mögen den einen oder anderen irritieren, doch unabhängig davon, ob und was man glaubt – eine Fantasygeschichte darf durchaus auf einer Welt aufbauen, in der Gott die Welt verlassen hat. Gott als Fantasyfigur ist letztendlich ebenso akzeptabel wie ein Drache oder eine Elfe. Insgesamt ein wunderbar geschriebenes Buch für alle Fans anspruchsvoller Fantasyromane.
- ISBN10
- 3608939172
- ISBN13
- 9783608939170
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2011
- Gebundene Ausgabe
- 313 Seiten