Das hier ist kein Tagebuch

Autoren
Übersetzer
Rolf Erdorf
Verlag
Verlag Freies Geistesleben

Zusammenfassung zu “Das hier ist kein Tagebuch”

5 Jahre ist es her, seit Bous Mutter sich das Leben nahm, nach Klinikaufenthalten, Medikamenten und verschiedenene gescheiterten Selbstmordversuchen. Das Leben mit seiner Mutter war so problematisch, dass Bou nicht einmal um sie trauern kann, sondern vor allem wütend ist. Jetzt, 5 Jahre später, Bou ist fast 16, bricht es über ihn herein, er fällt in eine Depression, schläft fast den ganzen Tag, fühlt nichts, interessiert sich für nichts und niemanden außer seiner kleinen siebenjährigen Schwester Fussel. Nach Alkoholexzessen und Medikamentenmissbauch stellt Bous Vater ihm ein Ultimatum: Wenn er nicht jeden Tag etwas in ein Tagebuch schreibt und eine der klassischen CDs hört, die der Vater ihm gegeben hat, wird er in eine Psychiatrie eingewiesen.

Und so beginnt Bou zu schreiben, anfangs sehr widerwillig, später jedoch mit mehr Motivation. Er schreibt darüber, wie er das Leben mit seiner Mutter erlebt hat, wie er in der Schule schnell der Außenseiter war, wegen seiner erst kranken und später toten Mutter, wie er eine hoffnungsvolle Freundschaft (und vielleicht mehr) zu einer Mitschülerin kaputt machte, weil er mit einer Situation überfordert war. Wie er sich fühlt, wie er die Musik wahrnimmt, wie er mal besser und mal schlechter durch den Alltag kommt und sich mit seinem Vater, seiner Tante Marjan und seiner Oma auseinandersetzt. Und findet so einen Weg, die versäumte Trauer nachzuholen und zu beginnen, die traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten…

Wichtige Charaktere

  • Boudewijn, genannt Bou
  • seine kleine Schwester Dolores/Doris, genannt Fussel
  • sein Vater
  • Tante Marjan
  • seine Oma
  • seine Mutter
  • Pauline

Zitate

„Meine ist also tot. (Mutter.)
Die Kategorie gibt es nämlich auch noch, die der toten Mütter.
Und wisst ihr, ICH FINDE ES NICHT SCHLIMM.
(Dass sie tot ist.)
Aber das zeige ich meinem Vater besser nicht, denn dann achtet der wieder tagelang ungemein auf mich. Ob ich mich auch normal genug benehme oder nicht doch reif bin für den Psychiater.“ (S. 14)

„Genialität schafft Distanz. Und Einsamkeit.
Es ist also überhaupt nicht nötig, in allem der Beste zu sein und alles zu können.
Außerdem: Der große Nachteil, wenn man etwas gut kann, ist, dass die Sache damit noch nicht erledigt ist. Damit fängt es erst an.
Denn anschließend muss man für den Rest seines Lebens immer wieder beweisen, dass man ‚es“ nach wie vor gut kann und sogar immer nur besser wird. Das heißt, dass man FORTSCHRITTE macht.
Sonst erfüllt man nämlich die Erwartungen nicht.“ (S. 90)

Preise und Auszeichnungen

nominiert für den Jugendliteraturpreis 2016

Persönliche Bewertung

Schwere Kost, verpackt in einer unterhaltsamen, nachdenklichen, mutigen, überzeugenden Geschichte

5 von 5

Schon die Aufmachung dieses Buches fällt auf: das komplett schwarze Cover mit Autorin und Titel, der dicke Papp-Einband, der an eine hochwertige Kladde und damit tatsächlich an ein Tagebuch erinnert. Der schlichte schwarze Einband passt zum Hauptthema: Depressionen. Antriebslos, müde, hoffnungslos, emotionslos, vom Leben gleichzeitig enttäuscht und überfordert: so fühlt sich Bou. Nachdem er zu Alkohol und Schlafmitteln greift, zwingt ihn sein Vater zu einer besonderen Therapie: Tagebuchschreiben und Musik hören.

Aus diesen Tagebucheinträgen besteht das Buch, so erfahren Leser alles direkt durch den Ich-Erzähler aus Bous Perspektive. Dies sorgt zum einen dafür, dass Bou zu einer Art Identifikationsfigur wird, und bringt zum anderen Lesern seine Probleme, Gefühle und Gedanken näher. Sie blicken damit durch die Augen eines depressiven Jugendlichen, der an den Folgen (mindestens) eines unverarbeiteten Traumas leidet, erhalten einen direkten Einblick in seinen Kopf. Und das in einer teilweise schockierenden schonungslosen Ehrlichkeit.

Wie geht es einem Kind bzw. Jugendlichen, dessen Mutter an psychischen Problemen leidet, die ihn zum Außenseiter in der Schule macht, die ihm kein Halt und keine Unterstützung sein kann und ihn schließlich „im Stich lässt“? Dem es schwer fällt, Nähe zu anderen aufzubauen, der Schwierigkeiten mit dem Erwachsenwerden hat und dessen Traumata nie besprochen oder verarbeitet wurden, weil der Vater zu viel mit seiner eigenen Bewältigung zu tun hat. Nicht immer offenbaren sich die Folgen eines einschneidenden Erlebnisses sofort, in Bous Fall dauert es Jahre. Mit Hilfe des Schreibens lernt er, sich mit seinen Gefühlen zu beschäftigen, überhaupt wieder etwas zu fühlen (auch mit Hilfe der Musik) und sich seines Zustandes bewusst zu werden, um langsam wieder aktiv am Leben teilnehmen zu können.

Neben den Themen Depression und Suizid sowie Traumaverarbeitung greift Erna Sass‘ Buch weitere gesellschaftliche Themen auf, beispielsweise Alzheimererkrankung und die Situation einsamer älterer Menschen im Pflegeheim, Medikamentenmissbrauch oder Probleme mit der ersten großen Liebe. „Das hier ist kein Tagebuch“ ist in einer einfachen jugendgemäßen Sprache verfasst, die hier und dort durch bildhafte Beschreibungen (zum Beispiel von Bous Gefühlszustand) bereichert wird. So verpackt liest sich die Geschichte über ein schwieriges Thema leicht und flüssig. Zu empfehlen auch als Unterrichtslektüre.

Fazit

Erna Sassen gelingt es ein heikles Thema überzeugend zu verarbeiten, ohne dass das Ergebnis zu bedrückend oder hoffnungslos wirkt. „Das hier ist kein Tagebuch“ macht nachdenklich, klärt auf, schafft Verständnis und verschafft gleichzeitig einen kleinen hoffnungsvollen Ausblick.

Originaltitel
Dit is geen dagboek
ISBN10
3772528619
ISBN13
9783772528613
Dt. Erstveröffentlichung
2015
Gebundene Ausgabe
183 Seiten
Empfohlenes Lesealter
Ab 14 Jahren