Verschollene Länder – Eine Weltgeschichte in Briefmarken
Zusammenfassung zu “Verschollene Länder – Eine Weltgeschichte in Briefmarken”
Burkhard Müller porträtiert anhand 61 ausgewählter Briefmarken Länder, von denen man oft gar nicht wusste, dass es sie gegeben hat. Seine „Weltgeschichte in Briefmarken“ umfasst neben großen Staaten wie der Sowjetunion oder dem Königreich Ostafrika auch kleinere, wie Rhodesien oder Labuan. An das einführende Vorwort schließen sich die einzelnen Länderabschnitte an. Sie sind zwischen zwei und drei Seiten lang und bilden zu Beginn die zugehörige Briefmarke ab. In den Begleittexten erfährt man neben einer Beschreibung und Interpretation des Briefmarkenmotivs kompakte Hintergrundinformationen zur Entstehungsgeschichte der jeweiligen Länder.
Zitate
„Das Thule von Fräulein Smilla und unserer Briefmarke aber ist das geheimnisvollste von allen. Denn hier kam ein Bodenschatz vor, den es nur hier gab: Kryolith. Schon der Name weckt Assoziationen von Seltenheit und Gefahr. Kryolith verbindet die griechischen Wörter für Stein und Frost; und genau so, glasig und von einer milchigen Weiße, sah der Stoff auch aus, wie Eis, das unter dem ungeheuren Druck der Gletscher einen höheren Grad von Festigkeit erlangt hatte. Es erwies sich als unentbehrlich bei der Produktion von Aluminium. Thule mit seinen arktischen Bergwerken besaß das Weltmonopol auf diesen Froststein.“
„Wer kennt noch Tannu-Tuva? Wohl kaum einer mehr. Dabei handelte es sich bei diesem verschollenen Land nicht, wie bei so vielen anderen, um eine Kolonie oder ein Besatzungsgebiet, eine aufsässige Dependenz oder einen hochfliegenden Wunschtraum, der Briefmarken in die Luft bläst wie die Rauchkringel von einer Zigarre, sondern um einen veritablen Staat.
Umso mehr erzählt das Postwertzeichen. Der Offsetdruck mit seinen breiten folkloristischen Zierrahmen und dem etwas auftrumpfenden Format verleugnet nicht die Herkunft aus der Moskauer Staatsdruckerei der 1930er Jahre; auch ist der Wert in Kopeken angegeben.“
Beispielbriefmarken
Thule
Das Land ohne Namen
Valle Bormida
Nordschleswig
Ingermanland
Königreich Neapel
Fiume
Hyderabad
Katalonien
Inseln unter dem Winde
Persönliche Bewertung
Hochspannende, informative und kurzweilige Reise durch die Weltgeschichte mit ausgewählten Briefmarken
Bereits 1998 unternahm Burkhard Müller, der 2008 mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik ausgezeichnet wurde, eine literarische Reise zu verschollenen Ländern. Damals lautete der Untertitel noch „Eine verborgene Geschichte in Briefmarken“ und war optisch ein Kind seiner Zeit. Visuell und inhaltlich verändert kommt das 2013 neu herausgegebene Nachfolgewerk daher. Das gebundene Buch liegt mit seinen 200 Seiten erstaunlich schwer in der Hand. Das ausgewählte Papier bringt die abgedruckten Briefmarken gut zur Geltung. Von den 61 enthaltenen Briefmarken und ihren Geschichten wurden 20 aus dem Vorgängerwerk übernommen, 41 sind neu ausgewählt und verfasst. Umgekehrt bedeutet dies: Für alle, die Gefallen an diesem Buch finden und noch lange nicht genug „verschollene Länder“ entdeckt haben, dürfte das antiquarisch noch erhältliche „Verschollene Länder: Eine verborgene Geschichte in Briefmarken“ eine Überlegung wert sein.
Dass Briefmarken mehr als Flaggen über einen souveränen Staat verraten und Zeichen selbigen sind, erläutert der Autor in seinem Vorwort. Die „bunten Schätze“, wie er sie nennt, haben ihn zu zwei Zeitungskolumnen in der Berliner und Süddeutschen Zeitung bewegt, die Grundlage seiner Buchveröffentlichungen waren. Auf den wenigen Seiten der einzelnen Beiträge erfährt man unwahrscheinlich viel über die Hintergründe und Zusammenhänge der jeweiligen Kaiserreiche, Republiken, Provinzen, ehemaligen Kolonien oder sonstigen Staatsformen. Die ansprechend geschriebenen und manches mal amüsant zu lesenden Texte zeugen vom großen historischen Wissen seines Schreibers, der jeden Geschichtsunterricht nachhaltig beleben würde. So erfährt man etwa, was die Gründung der „Ärzte ohne Grenzen“ mit dem Biafra-Krieg zu tun hat, dass Bismarck den Welfenschatz des Königreich Hannovers zum Anködern und Finanzieren des bayerischen Königs und seiner Bauvorhaben verwendet hat, oder welche Rolle den USA in der Panamakanalzone zufiel. Zudem spielen der erste und zweite Weltkrieg ebenso wie andere historische Großereignisse entscheidende Rollen bei der Entstehung diverser Briefmarken. Auch „Sandokan“ oder „Laurence von Arabien“ haben ihren Auftritt im Buch und animieren den Leser wie schon die anderen Ereignisse zum eigenen Weiterforschen.
Mit seiner direkten Ansprache und seinem Potpourri an ausgewählten Marken führt Burkhard Müller seine Leser kreuz und quer über den Globus. In Zeiten der Krim-Krise und Unabhängigkeitsbestrebungen wie etwa in Katalonien, erhält das Buch eine enorme Aktualität und sensibilisiert dafür, in der Geschichte und den Briefmarken bereits verschollener Länder Parallelitäten zu finden. Wann die ersten Briefmarken der Krim in Umlauf kommen, dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein. Ob sie in einem weiteren Buch von Müller zu bestaunen sind, hängt vom Lauf der Geschichte ab. Da es aber auf der Welt bereits drei- bis fünfmal so viele Länder gegeben hat, wie zum Erscheinen dieses Buches im Jahr 2013, lässt darauf hoffen, dass die „Weltgeschichte in Briefmarken“ noch lange nicht zu Ende geschrieben ist. Ähnlich wie Miroslav Sasek sich in seinen Metropolenbüchern als ausgezeichneter Reiseführer erweist, ist man bei Burkhard Müllers philatelistischer Weltreise bestens aufgehoben, interessiert man sich für die Geschichten hinter den gezackten Marken der „verschollenen Länder“.
Fazit
Definitiv nicht nur ein Buch für Briefmarkenliebhaber, sondern für alle geschichtlich interessierten Leser, die sich mit dem Autor auf eine abwechslungsreiche Reise zu verschollenen Ländern begeben wollen! Durch die schöne Aufmachung bietet es sich gut als überraschendes Mitbringsel oder Geschenkbuch an.
- ISBN10
- 3866742215
- ISBN13
- 9783866742215
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2013
- Gebundene Ausgabe
- 200 Seiten